Lasten­räder als Logistik-Alternative

Wenig Themen polari­sieren die derzeitige verkehrs­po­li­tische Diskussion mehr als das Lastenrad. Für viele ist es quasi erwei­terter Selbstmord, seine Kinder im Stadt­verkehr in so ein Gefährt zu setzen. Die Dinger würden die Gehwege zuparken. Sie seien ein viel zu teures Lifestyle-Acces­soire für Urbane Doppel­ver­diener, die ökolo­gisch gut dastehen wollen. So verbreitete Auffas­sungen von Lastenrad-Gegnern.

Für andere sind sie die Lösung schlichthin für die Mobili­täts­pro­bleme und Flächen­nut­zungs­kon­flikte in Großstädten. Mit einem Elektro­motor ausge­stattet könnten sie in vielen Fällen viel besser als große Lkws und mittel­große Liefer­wagen, Gegen­stände durch enge und zugeparkte Straßen trans­por­tieren, so dass auch Logis­tik­un­ter­nehmen und Paket­zu­steller „für die letzte Meile“ auf sie setzen.

Frau in holländischer Geschäftsstraße auf Lastenfahrrad

Welche Position, pro oder contra Lasten­räder, zutrifft, kommt – wie so oft – auf den Vergleichs­maßstab und Kontext an: Wenn Lasten­räder Kfz ersetzen, dann haben sie auf jedenfall Potential, den Stadt­verkehr ökolo­gi­scher, platz­spa­render und sicherer zu gestalten. Und auch die Anschaf­fungs­kosten sind geringer als die eines Klein­wagens. Ob Kinder, die zur Kita oder Grund­schule gebracht werden, sicher ankommen, hängt vor allem davon ab, wie schnell auf den Stadt­straßen gefahren werden darf und ob ausrei­chend sichere Gehwege und Radin­fra­struktur existieren. Zumindest für Kinder die zu Fuß gehen oder selbst mit dem Rad fahren, dürfte die Bedrohung durch Lasten­räder erheblich geringer sein als durch Kfz.

Angesichts der Vorteile liegt es nahe, das Umsteigen von Kfz auf Lasten­räder zu fördern. Neben dem Ausbau von sicheren und ausrei­chend breiten Radwegen gibt es hier zum einen Ansätze, den Kauf von Lasten­rädern direkt staatlich zu fördern. Förde­rungen gibt es einer­seits aufgrund der E‑Las­ten­fahrrad-Richt­linie über das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhr­kon­trolle (BAFA) für Unter­nehmen, Kommunen und Vereine. Zum anderen gibt es in einigen Bundes­ländern, etwa in Bremen, Förderung unter anderem auch für Privat­per­sonen und Kleinstunternehmen.

Eine Frage, die bisher oft noch Sorgen bereitet, ist die nach den Abstell­mög­lich­keiten von Lasten­rädern, die sich meist nicht ohne weiteres im Keller oder Hausflur unter­bringen lassen. Grund­sätzlich gelten Lasten­fahr­räder als Fahrräder, die anders als Pkw oder andere Kfz nach der Recht­spre­chung auch auf Gehwegen abgestellt werden dürfen, solange sie Fußgänger und insbe­sondere Kinder­wagen- und Rollstuhl­fahrer nicht behindern. Anders als oft vermutet wird, dürfen sie wie alle anderen Fahrzeuge auch, im Rahmen des Gemein­ge­brauchs jedoch ebenso am Fahrbahnrand abgestellt werden. Für manche Kraft­fahrer ist das ein Ärgernis, weil sie diese Fläche exklusiv für ihre Fahrzeuge beanspruchen wollen. Aber vor dem Hinter­grund, dass sie – siehe oben – oft Kfz ersetzen und etwa viermal so wenig Fläche einnehmen, dürfte das Nutzen und Parken der Lasten­räder eher zur Entlastung des „Parkdrucks“ führen.

Weil die Lasten­rad­nutzer von der Parkmög­lichkeit am Fahrbahnrand aber kaum Gebrauch machen, weisen einige Städte für Lasten­räder – und oft auch E‑Roller – eigens gekenn­zeichnete Parkflächen aus, vor allem um die Gehwege zu entlasten. So hat die Senats­ver­waltung für Umwelt, Verkehr und Klima­schutz Planungs­vor­gaben für solche Parkplätze erlassen. Demnach können an allen Straßen, an denen maximal Tempo 30 gilt, Kfz-Stell­plätze in spezielle Parkflächen für Lasten­räder umgewandelt werden (Olaf Dilling).

2022-10-11T12:36:33+02:0015. September 2022|Verkehr|

Wenig Klarheit für die Praxis: Die §§ 31a BImSchG

Wenn Not am Mann ist, sollen die Betreiber von geneh­mi­gungs­be­dürf­tigen Anlagen den Brenn­stoff wechseln dürfen, ohne an den Grenz­werten zu scheitern. Dies ergibt sich aus den neuen §§ 31a ff. BImSchG. Das ist besonders sinnvoll für viele Heizkraft­werke (HKW), die eine gewisse Varia­bi­lität besitzen, was sie verfeuern könnten.

Doch in der Praxis bringen die Normen bisher wenig. Denn sie setzen entweder eine Unter­bre­chung der Versorgung wegen einer „ernsten Mangellage“ voraus. Oder eine plözliche Unter­bre­chung der Versorgung. Eine Unter­bre­chung liegt aber bisher nicht vor: Der Brenn­stoff ist teuer, aber er fließt. Bislang können die Versorger also nicht umsteigen, denn allein Kosten­gründe und Absicherung der Versor­gungs­si­cherheit reichen nicht aus.

Industrie, Umwelt, Verschmutzung, Umweltschutz

Die Betreiber wissen auch nicht, bis zum Ende der Heizpe­riode eine Unter­bre­chung bevor­steht. Das erschwert natürlich Kauf und Bevor­ratung. Erst zu kaufen, wenn die Unter­bre­chung einge­treten ist oder sicher bevor­steht, ist auch kein guter Weg, denn die letzten Monate haben gezeigt, wie schnell sich die Lage derzeit bewegt. Und wie viel muss oder kann dann gekauft werden? Wie lange brauchen die Behörden?

Hier sollten die europäi­schen und die deutschen Insti­tu­tionen jeden­falls noch einmal nachbessern. Es gibt noch erheb­liche Flexi­bi­liäten, die für die kommenden Monate Preise insbe­sondere für Heizwärme, aber auch für andere Güter dämpfen könnten, und gleich­zeitig die Versorgung sichern. (Miriam Vollmer)

2022-09-14T00:25:38+02:0014. September 2022|Energiepolitik, Gas, Umwelt|

Vorrang des Fußverkehrs?

Der Kraft­fahr­zeug­verkehr ist, was die Vorfahrts­re­ge­lungen angeht, gegenüber dem Fußverkehr grund­sätzlich privi­le­giert. Das geht daraus hervor, dass Fußgänger grund­sätzlich die Gehwege benutzen und vor dem Überqueren der Fahrbahn warten müssen: Denn gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 StVO sind „Fahrbahnen unter Beachtung des Fahrzeug­ver­kehrs zügig auf dem kürzesten Weg quer zur Fahrt­richtung zu überschreiten“.

Grund­sätzlich“ heißt für Juristen jedoch auch, dass es Ausnahmen gibt: Und zwar immer dann, wenn Kfz abbiegen. Denn gemäß § 9 Abs. 3 Satz 3 StVO gibt es hier eine besondere Rücksicht­nahme- und Warte­pflicht. Dies ist oftmals nicht bekannt. Vor allem, wenn es um Abbie­ge­vor­gänge im Kreis­verkehr geht, dürften viele Kraft­fahrer nicht wissen, dass sie auch dann auf Fußgänger warten müssen, wenn keine Fußgän­ger­überwege angeordnet sind. Dies gilt insbe­sondere, wenn sie von hinten kommen, also die Fußgänger in dieselbe Richtung gehen, wie das Kfz gefahren ist. Denn den Fußgängern soll nicht zugemutet werden, den von hinten kommenden Verkehr genau zu beobachten.

Heißt das, dass Fußgänger einfach loslaufen dürfen? Das ist aus prakti­schen und recht­lichen Gründen nicht zu raten. Denn zum einen wissen viele Kraft­fahrer nicht, dass diese Ausnahmen existiert und die Gefahr überfahren zu werden ist einfach zu groß. Zum anderen wendet auch die Recht­spre­chung im Schadensfall das „Vorrecht“ der Fußgänger in diesen Fällen einschränkend an. Der § 9 Abs. 3 Satz 3 StVO sei durch das Gebot gegen­sei­tiger Rücksicht­nahme einge­schränkt gemäß §§ 1 Abs. 1, 11 Abs. 3 StVO. Das heißt, dass Verkehrs­teil­nehmer, die zu Fuß unterwegs sind, zwar grund­sätzlich auf ihr Vorrecht vertrauen dürfen. Sie dürfen aber nicht blind­lings auf die Fahrbahn treten und müssen zumindest einen beiläu­figen seitlichen Blick auf die Verkehrslage werfen und zur Not anhalten. Daher wurde einem Fußgänger in einem solchen Fall ein Mitver­schul­dens­anteil von 1/3 angerechnet. Diese Recht­spre­chung trägt nicht dazu bei, die Regel klar zu halten (Olaf Dilling).

2022-09-13T09:50:25+02:0012. September 2022|Allgemein|