Abschaffung der EEG-Umlage: Beweis­last­umkehr bei der Einpreisung

Gestern hat der Bundestag sie nun in den Ruhestand geschickt: Die EEG-Umlage. Sie beträgt ab dem 1. Juli null EUR, so dass Strom 3,7 Cent/kWh günstiger wird bzw. die ansonsten statt­fin­dende Preis­ent­wicklung um diesen Betrag gedämpft wird (wir berich­teten). Neue § 118 Abs. 36 bis 38 EnWG verpflichten die Versorger von Letzt­ver­brau­chern, auch direkt zum 1. Juli 2022 die Preise um die besagten 3,7 Cent/kWh zu senken, wenn es sich entweder

♦ um Grund­ver­sor­gungs­tarife handelt,

♦ ein Sonder­kun­den­tarif ein Preis­an­pas­sungs­recht bei Änderung der EEG-Umlage umfasst, oder

♦ ein Sonder­kun­den­tarif die EEG-Umlage kalku­la­to­risch enthält und der Strom­lie­fer­vertrag vor dem 23.03.2022 geschlossen wurde.

Windrad, Sonne, Sonnenstrahlen, Wolken, Gegenlicht

Doch wie erkennen nun Kunde und Versorger gerade bei Sonder­kun­den­ver­trägen über Fixbe­träge, bei denen nicht über die kalku­la­to­rische Grundlage gesprochen wurde, ob die EEG-Umlage umfasst ist? Der Ausschuss für Klima­schutz und Energie hat für Zweifels­fälle eine Beweis­last­umkehr einge­führt. Danach gilt die EEG-Umlage nur dann nicht als Preis­be­standteil, wenn der Lieferant dies nachweisen kann. Faktisch dürfte dieser Beweis selten oder nie gelingen (Miriam Vollmer).

2022-04-29T19:51:49+02:0029. April 2022|Energiepolitik, Erneuerbare Energien|

Treuhand­ver­waltung und Enteignung im neuen EnSiG

Sie erinnern sich: Vor vier Wochen wollte der russische Gazprom Konzern die Gazprom Germania erst an undurch­sichtige Gesell­schafter abtreten und dann liqui­dieren lassen (hierzu hier). Was dann aus den Infra­struk­turen des Unter­nehmens geworden wäre, war unklar. Um nicht nur, aber auch die wichtigen Speicher zu sichern, setzte das Wirtschafts­mi­nis­terium (BMWK) einen Treuhänder ein. Nun bedarf die öffent­liche Hand stets einer Ermäch­ti­gungs­grundlage, wenn sie in Rechte Privater eingreift. Diese fand das BMWK in § 6 Außen­wirt­schafts­gesetz (AWG). Doch ganz passgenau wirkt diese Rechts­grundlage nicht. Insofern ist es nicht erstaunlich, dass der Bund nun als Kapitel 2 der Novelle des Energie­si­che­rungs­ge­setzes (EnSiG), der morgen am 29. April 2022 im Bundestag beraten wird (hierzu schon hier), für Fälle wie diese zwei neue Maßnahmen erlauben will: Die Treuhand­ver­waltung für sechs Monate in § 17 EnSiG. Und die Enteignung in § 18 EnSiG.

Bundestag, Deutsche Fahne, Reichstag, Bundestagswahl

Voraus­setzung der Treuhand­ver­waltung ist die konkrete Gefahr, dass ein Unter­nehmen der kriti­schen Infra­struktur ansonsten seine dem Funktio­nieren des Gemein­wesens im Sektor Energie dienenden Aufgaben nicht mehr erfüllen kann und eine Beein­träch­tigung der Versor­gungs­si­cherheit droht. Eine Beschränkung auf Situa­tionen, in denen fremde Mächte nach deutscher Infra­struktur greifen, wohnt der Regelung nicht inne. Sie könnte also auch in Reaktion auf andere Bedro­hungen der Versor­gungs­si­cherheit greifen. Eine Einschränkung gibt es immerhin: Juris­tische Personen des öffent­lichen Rechts aus einem EU-Land sind außen vor. Die Treuhän­der­schaft kann bis zu sechs Monaten dauern, sechs weitere Monate kann verlängert werden. Erste und letzte Instanz ist das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG).

Wenn eine zeitliche begrenzte Treuhän­der­schaft nicht reicht, um die Versor­gungs­si­cherheit aufrecht­zu­er­halten, soll nach § 18 EnSiG sogar die Enteignung möglich sein. Hier reicht kein simpler Verwal­tungsakt mehr, sondern eine Rechts­ver­ordnung nach § 19 Abs. 1 EnSiG, die auch die Entschä­digung regeln soll. Zuständig ist – wie auch für die Treuhän­der­schaft – das Wirtschafts­mi­nis­terium. Bei Enteignung ist das Finanz­mi­nis­terium zu betei­ligen. Auch hier entscheidet auf Antrag innerhalb von zwei Wochen nur das BVerwG.

Die Regelung ist auf Gazprom und die Raffi­nerie Schwedt zugeschnitten. Doch zumindest theore­tisch denkbar sind durchaus weitere Fälle, auch wenn die hohen Anfor­de­rungen verhindern, dass der Staat Geschmack an solchen Maßnahme findet. Schließlich dürfte es nur selten dazu kommen, dass einzelne Unter­nehmen so eine Bedeutung besitzen, dass von ihnen die Energie­ver­sor­gungs­si­cherheit abhängt (Dr. Miriam Vollmer).

2022-04-28T23:14:50+02:0028. April 2022|Energiepolitik|

Straßen­sperrung zugunsten der Leich­tigkeit des Verkehrs

Im öffent­lichen Verkehrs­recht ist immer wieder die Frage, wodurch sich Einschrän­kungen des Verkehrs recht­fer­tigen lassen. Mitunter entsteht dabei der Eindruck, dass Verkehrs­be­schrän­kungen eine Unfall­gefahr voraus­setzen. Das ist so nicht zutreffend. Vielmehr ist in der straßen­ver­kehrs­recht­lichen General­klausel des § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO von der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs die Rede. In § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO wird eine quali­fi­zierte Gefah­renlage für diese Schutz­güter vorausgesetzt.

Erst kürzlich hat das Oberver­wal­tungs­ge­richt Schleswig festge­stellt, dass eine Gefahr für die Ordnung des Verkehrs auch darin bestehen kann, dass es an Knoten­punkten zu einem Rückstau kommt, der Verkehrs­fluss zusam­men­bricht und die Fahrpläne von Linien­bussen nicht einge­halten werden können. So alles geschehen in Flens­burger Innen­stadt. Die Stadt hatte daraufhin die Einfahrt in die Innen­stadt auf der Rathaus­straße für den Durch­gangs­verkehr gesperrt, so dass nur noch Anlieger, Fahrrad­fahrer und Linien­verkehr einfahren durften.

Rathausstraße in Flensburg beim Verkehrsversuch mit bunten Punkten auf dem Pflaster

Rathaus­straße in Flensburg (Foto: Soenke Rahn, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons)

Einige geschäfts­an­sässige Verkehrs­teil­nehmer hatten mit ihrem Eilantrag vor dem Verwal­tungs­ge­richt (VG) zunächst recht bekommen. Die Stadt hatte sich auf ein Gutachten von Verkehrs­planern gestützt. Demnach würden verschiedene Verkehrs­kno­ten­punkte in den Nachmit­tags­stunden die Kapazi­täts­grenze erreichen, so dass Leistungs­fä­higkeit des Verkehrs­systems nicht mehr gegeben sei. Das VG Schleswig hatte daraufhin die Sperrung der Straße als offen­sichtlich rechts­widrig angesehen. Denn es gäbe in den begut­ach­teten Straßen keinen Unfallschwerpunkt.

Nach der Auffassung des Oberver­wal­tungs­ge­richts kommt es darauf nicht an. Wie gesagt reicht es, dass die „Leich­tigkeit“ des Verkehrs beein­trächtigt ist. Auch wenn die Gefah­renlage rein alltags­sprachlich immer nach Unfall­gefahr klingt: Eine Gefahr kann in der Beein­träch­tigung aller nach § 45 StVO geschützten Güter liegen. Nicht zuletzt kann es eine Gefahr im Sinne des § 45 StVO sein, wenn Verkehrs­teil­nehmer von anderen behindert werden (Olaf Dilling).

 

2022-04-27T22:59:59+02:0027. April 2022|Verkehr|