Stumm wie ein Grab?
Kennen Sie eigentlich das Informationsfreiheitsgesetz (IFG)? Nach diesem Gesetz kann man ohne einen besonderen Grund, einfach so aus Langeweile, seine Nase in lauter Dinge stecken, die einen nichts angehen, und die Behörde muss antworten. Nun liegt es in der Natur der Sache, dass die meisten Fragen, die Bürger stellen, nicht nur Interna der Verwaltung betreffen. Sondern auch Informationen über andere Personen betroffen sind. Und dann wird es heikel: Schließlich möchten die meisten Leute es nicht, dass jeder das zu sehen bekommt, was sie – oft ja nicht ganz freiwillig – Behörden mitteilen. Hier stehen sich also jeweils zwei Positionen gegenüber: Der Antragsteller will möglichst viel erfahren. Der, um den es im Verfahren geht, will, dass die Behörde möglichst felsenfest schweigt.
Der Gesetzgeber hat vor allem, aber nicht nur deswegen in § 3 und § 6 IFG aufgeführt, wann er die Behörde ermächtigen will, Informationen für sich zu behalten. Es versteht sich von selbst, dass Informationen, die zB die internationalen Beziehungen Deutschlands betreffen, nicht an Dritte geraten sollen. Oder Informationen aus laufenden Gerichtsverfahren. Das Gros der Fälle, in denen der Stadt den Mund halten soll, betreffen aber andere Konstellationen: Entweder verbietet ein anderes Gesetz den Behörden das Plaudern. Oder es geht um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse.
In einem am 19.06.2018 vom EuGH entschiedenen Fall (C‑15/16) ging es sogar um diese beiden Hauptfälle auf einmal: Ein anderes Gesetz, nämlich das Kreditwesengesetz, das KWG, verbietet es als Berufsgeheimnis, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu verraten. Gestützt auf diese Norm versagte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) einem Antragsteller Informationen über ein insolventes Unternehmen, das mit einem Schneeballsystem Anleger – darunter den Antragsteller – geprellt hatte.
Zwei Instanzen wollten die BaFin weitergehend verpflichten. Das BVerwG neigte der Lesart der BaFin zu, fragte aber den EuGH nach der richtigen Auslegung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im KWG, denn nur dieser ist zur letztgültigen Auslegung von Europarecht befugt, und die maßgeblichen Normen fußen auf europarechtlichen Regeln, v. a. der Richtlinie 2004/39.
Der EuGH zog den Kreis der Informationen, die die Behörde verweigern darf, nun deutlich enger als das BVerwG angenommen hatte. Erforderlich ist stets eine Interessenbeeinträchtigung der Person, von der die Informationen stammen oder eines Dritten oder auch des Aufsichtssystems insgesamt. Besonders interessant aber: Informationen, die einmal geheim waren, bleiben nicht immer geheim. Nach fünf Jahren muss danach – von wohl eher seltenenAusnahmen abgesehen – derjenige, der weiter Geheimnisschutz verlangt, nachweisen, wieso dies ausnahmsweise immer noch der Fall sein soll.
Was bedeutet dies nun für die Praxis? Zunächst dürfte die Entscheidung kaum aufs KWG begrenzt zu verstehen sein. Generell sollte jeder, der im Rahmen von Verwaltungsverfahren Informationen an Behörden übergibt, noch mehr als bisher damit rechnen, dass unter Umständen Dritte auf diese Informationen zugreifen können. Zumindest für Informationen, die ihren Wert nicht in wenigen Jahren verlieren, sollten Unternehmen sich bewusst im Spannungsfeld zwischen einer aktiven Rolle im Verwaltungsverfahren und der gebotenen Zurückhaltung mit Blick auf Wettbewerber oder die Öffentlichkeit bewegen. Mit anderen Worten: Dauerhaft geheim bleibt kaum etwas, und damit sollte man rechnen.