Abmahnungen haben einen grauenhaften Ruf. Viele Verbraucher, aber auch viele Gewerbetreibende, denken bei Abmahnungen automatisch an Schreiben, mit denen skrupellose Abmahnanwälte versuchen, aus kleinsten Formfehlern, vor allem auf Homepages, Geld zu machen.
Dabei wird oft übersehen, dass Abmahnungen oft der einzige Weg sind, um Wettbewerbsverzerrungen durch Konkurrenten zu unterbinden. Insofern bekenne ich gern: Auch ich bin Abmahnanwältin und fechte gar nicht so selten vor Gericht für Unterlassungserklärungen, gerade im Wettbewerbsverhältnis im Strom- und Gasvertrieb.
Behauptet etwa ein Unternehmen auf seiner Homepage, es sei Weltmarktführer, der Konkurrent jedoch befinde sich in so bedrängter Lage, dass er den Support demnächst einstellen müsse, so liegt auf der Hand, dass sich das verleumdete Unternehmen das nicht bieten lassen kann. Oder wenn bei Preisvergleichen Äpfel und Birnen verglichen werden. Auch bei Fehlern im Impressum sind Abmahnungen nicht immer nur eine fiese Masche zum Geldverdienen. Schließlich kann ein Unternehmen erheblichen Gewinn daraus ziehen, wenn seine Angaben im Internet nicht ausreichen, um es fristgemäß zu verklagen. Gerade zwischen Wettbewerbern haben Abmahnungen deswegen durchaus ihren Sinn.
Der Versuch, zwischen sinnvollen und sinnlosen Abmahnungen zu unterscheiden, ist naturgemäß schwierig. Schließlich sind Abmahnungen nicht mit einer Gewissensprüfung verbunden. Der Gesetzgeber möchte aktuelldeswegen zur Bekämpfung missbräuchlicher Abmahnungen bei der Motivation ansetzen. Die mit Abmahnungen verbundenen Anwaltsgebühren sollen gedeckelt werden. Damit würde der finanzielle Anreiz, nur wegen der damit verbundenen Gebühren abzumahnen, schwinden.
Allerdings: dies würde auch im Falle der „echten“ durch Verstöße im Wettbewerbsverhältnis motivierten Abmahnung greifen. Die Rechtsverfolgung würde dann nicht dem Schädiger, sondern dem Geschädigten zur Last fallen. Einem Großunternehmen macht das wahrscheinlich wenig aus. Aber ist das gerecht? Und Wettbewerbsverstöße kommen nicht nur zwischen Großunternehmen vor. Im Kampf David gegen Goliath, müsste fortan David sehen, wie er die Anwaltsgebühren zusammenkratzt. Und seien wir ehrlich: Eine Abmahnung kostet meistens so zwischen 1.300 EUR und 1.500 EUR. Ein kleiner Onlineshop bekommt für weniger Geld eine vernünftige kurze Prüfung seiner Homepage.
Weiter wird daran gedacht, bei Abmahnungen den fliegenden Gerichtsstand abzuschaffen. Hintergrund ist, dass bei Verstößen auf Homepages überall ein Gerichtsverfahren anhängig gemacht werden kann, wenn jemand auf die Abmahnung hin keine Unterlassungserklärung abgibt. Wer abmahnt, kann sich also das Landgericht aussuchen. Für den Abgemahnten ist das oft eine Zwickmühle. Dort, wo er vor Gericht gezogen wird, hat er keinen Anwalt. Entweder er schickt den Anwalt seines Vertrauens an das oft weit entfernte Gericht und trägt in den allermeisten Fällen die Reisekosten selbst. Oder er sucht sich einen Anwalt vor Ort, der sein Unternehmen nicht kennt. Beides ist nicht optimal. Auf der anderen Seite: Es erscheint auch unbillig, wenn der durch wettbewerbswidrige Verhaltensweisen Geschädigte sich zum Landgericht begeben muss, an dem sein dreister Konkurrent sitzt.
In Bezug auf die seit kurzem geltenden Regelungen zum Datenschutz soll weiter gesetzlich festgehalten werden, dass unerhebliche und geringfügige Verstöße nicht kostenpflichtig abgemahnt werden dürfen. Allerdings fragt man sich, wo die Abgrenzung zwischen den erheblichen und die nicht erheblichen Verstößen eigentlich liegen soll. Der Gesetzgeber pflegt wenig Regelungen einzuführen, auf die es rein gar nicht ankommt. Hier wäre sicherlich ein Quell umfangreicher Klärungen durch die Gerichte.
Wir sind also gespannt. Die Koalitionsparteien wünschen sich einen Entwurf zum Ende der parlamentarischen Sommerpause, also am 1. September. Doch wie ein Gesetz aussehen soll, dass nicht in vielen Fällen neuen zu unbilligen Rechtsfolgen führt, ist aktuell nur schwer vorzustellen. In jedem Fall bleibt es dabei: Der beste Schutz vor Abmahnungen wegen Verstößen auf der Homepage ist es, diese in regelmäßigen Abständen zu überprüfen oder überprüfen zu lassen. Dasselbe gilt für Werbekampagnen. Und sei es nur, damit man bei einer frechen Kampagne die Risiken kennt.
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