Beschleu­nigung von Genehmigungsverfahren

Ja, Sie lesen richtig: Immis­si­ons­schutz­recht­liche Geneh­mi­gungs­ver­fahren werden maßgeblich beschleunigt. Falls Sie nun ein Déjà-vu zu haben glauben, sind Sie sicherlich nicht allein. Dass Geneh­mi­gungs­ver­fahren zu lange dauern, ist schließlich kein Geheimnis. Bestre­bungen, Verfahren zu straffen und zu verkürzen, gibt es daher schon länger bzw. immer wieder. So richtig gefruchtet hat alles bisher nicht. Die Anfor­de­rungen setzt das materielle Recht und dessen Komple­xität bestimmt die Machbar­keits­grenze. Vielfach liegt es auch an der Überlastung der Geneh­mi­gungs­re­ferate bei den Immis­si­ons­schutz­be­hörden. Des Öfteren besteht ein gewisser Unwillen zu pragma­ti­schen Entschei­dungen. Manchmal liegt es auch an schlechten Anträgen und undurch­dachten Vorhaben (dann sind die Probleme hausge­macht). Doch auch das Verfah­rens­recht bremst.

Nun ist eine aktuelle Novelle des BImSchG (und der 9. BImSchV) durch. Am 14.06.2024 hat auch der Bundesrat dem „Gesetz zur Verbes­serung des Klima­schutzes beim Immis­si­ons­schutz, zur Beschleu­nigung immis­si­ons­schutz­recht­licher Geneh­mi­gungs­ver­fahren und zur Umsetzung von EU-Recht“ (ursprüng­licher Entwurf: BT-Drs. 20/7502, Fassung der Beschluss­emp­fehlung BT-Drs. 20/11657) zugestimmt.

Kern der Novelle sind insbe­sondere Erleich­te­rungen für die Geneh­migung von EE-Anlagen, aber auch andere immis­si­ons­schutz­recht­liche Geneh­mi­gungs­ver­fahren sollen beschleunigt werden. Hierfür sind die Verkürzung von Rückmelde- und Entschei­dungs­fristen anderer Behörden, der Einsatz eines Projekt­ma­nagers, mehr Digita­li­sierung im Verfahren und eine Stärkung des vorzei­tigen Beginns vorge­sehen. Liest sich alles erstmal ganz inter­essant. Im Detail kommen dann wieder Fragen auf. Ein Projekt­ma­nager – § 2a der 9. BImSchV-Neu – mag zwar auf den ersten Blick eine gute Idee sein. Doch Profes­sio­na­li­sierung ist auch heute schon möglich – gerade in der Öffent­lich­keits­be­tei­ligung. Woher nehmen wir den Projekt­ma­nager und was macht er? Zu befürchten sind indes weitere Kosten und nur noch mehr Abstim­mungs­runden – nicht weniger.

Mit der Überar­beitung von § 8a BImSchG sollen wir erleich­terte Voraus­set­zungen für die Zulassung des vorzei­tigen Beginns für Vorhaben auf einem bereits bestehenden Standort und bei Änderungs­ge­neh­mi­gungen bekommen. Bisher kommt es auf die Prognose an, dass mit einer Entscheidung zugunsten des Antrag­stellers gerechnet werden kann. Der auf Antrag (!) erfol­gende Wegfall dieser Progno­se­ent­scheidung soll nun das Verfahren nachhaltig beschleu­nigen. Es ist eher unklar, wie es in der Praxis funktio­nieren soll, wenn Behörden ohne eine Progno­se­ent­scheidung über die Geneh­mi­gungs­fä­higkeit den vorzei­tigen Beginn zulassen, gleichwohl natürlich das Prüfpro­gramm im Rahmen der Zulassung vollum­fänglich beachten sollen. Warten wir’s ab. 

Mit straf­feren Fristen sollen Geneh­mi­gungs­be­hörden angehalten werden, schnellere Entschei­dungen zu treffen. Die bishe­rigen Fristen aus § 10 Abs. 6a BImSchG sind da eher stumpfe Schwerter, da die Behörde den Frist­beginn zum einen selbst in der Hand hat und zum anderen die Fristen auch verlängern kann. Dies soll nun nicht mehr so einfach gehen, bzw. die Zustimmung des Antrag­stellers bedürfen. Ob auch dies in der Praxis funktio­niert, bleibt abzuwarten. Ach ja, die neue IED kommt schließlich auch bald… (Dirk Buchsteiner)

2024-06-21T13:47:41+02:0021. Juni 2024|Immissionsschutzrecht, Industrie, Kommentar|

Geneh­mi­gungs­be­dürftig: Sportkurs im Park

Seit Beginn der Pandemie haben immer mehr Stadt­be­wohner die öffent­lichen Parks wieder­ent­deckt. Gerade in den mehr oder weniger strengen Lockdowns war das für viele die einzige Möglichkeit täglich ein bisschen Bewegung zu bekommen. Angesichts der beim Homeoffice wegfal­lenden Wegstrecken, die zwar manchmal lästig sind, aber für viele auch den Neben­effekt der Leibes­er­tüch­tigung erfüllen.

Pilateskurs im Park

Da auch die Sport­studios lange Zeit geschlossen hatten und Yoga, Pilates und Gymnastik nicht mehr in Innen­räumen statt­finden konnte, haben auch Sport­ver­an­stalter und Coaches die öffent­lichen Grünflächen für sich entdeckt. Die Yogastunden wurden kurzerhand nach draußen verlegt, so dass mitter­weile nicht nur in chine­si­schen, sondern auch in deutschen Großstädten Thai Chi unter freiem Himmel prakti­ziert wird.

Bis irgendein Mitar­beiter eines Berliner Straßen- und Grünflä­chenamts sich die sehr deutsche Frage gestellt hat: Dürfen die das überhaupt? Anlass waren kosten­pflichtige Freiluft-Gruppen-Fitness­trai­nings mit bis zu 20 Teilnehmern, die unter anderem im Gleis­dreieck-Park in Kreuzberg statt­ge­funden hatten. Das Amt hatte die Kurse wiederholt verboten, daraufhin hatte der Veran­stalter einen formellen Antrag auf Geneh­migung einer Sonder­nutzung gestellt. Dieser Antrag war dann abgelehnt worden.

Das Verwal­tungs­ge­richt Berlin stellte klar, dass es sich bei den Kursen um keine Ausübung des Gemein­ge­brauchs handelt, dass sie also nicht im Rahmen der Widmung des Parks unpro­ble­ma­tisch erlaubt seien. Es bedürfe einer Geneh­migung nach § 6 Abs. 5 Berliner Grünan­la­gen­gesetz. Zwar seien nach diesem Gesetz eine Reihe von Veran­stal­tungen und Tätig­keiten, etwa Kunst- oder Kultur­ver­an­stal­tungen mit Live-Musik, erlaub­nisfrei. Dies gelte jedoch nicht für Veran­stal­tungen mit kommer­zi­ellem Charakter. Die öffent­lichen Grünan­lagen würden der „erholungs­be­dürf­tigen und erholung­su­chenden Bevöl­kerung“ dienen, nicht kommer­zi­ellen Sport­ver­an­staltern. Der selbst­or­ga­ni­sierte Lauftreff oder die nicht-profit­ori­en­tierte Yogagruppe dürften damit nicht von der Entscheidung betroffen sein. Angesichts der drohenden Nutzungs­kon­flikte und des exklu­siven Charakters kommer­zi­eller Veran­stal­tungen ist es eine nicht nur juris­tisch zutref­fende, sondern auch sachge­rechte Entscheidung (Olaf Dilling).

 

2022-06-07T17:21:28+02:007. Juni 2022|Allgemein, Rechtsprechung, Sport, Verwaltungsrecht|

Klima­wandel, Moorre­natu­rierung und Wasser­recht (II)

Graben in Norddeutschland

Graben in der Bremer Wümme­nie­derung (Foto: Olaf Dilling)

Vor kurzem hatten wir schon einmal über Klima­wandel und Moorschutz geschrieben. Dabei war von den recht­lichen Regeln des Wasser­ma­nage­ments in der Fläche die Rede. Im Folgenden werden wir kurz eine der zentralen Stell­schrauben für die Renatu­rierung von Mooren im Wasser­recht erläutern.

Bisher ist es so, dass Entwäs­serung durch Landwirt­schaft gegenüber Anstauen und Wieder­vernässen in gewisser Weise privi­le­giert ist. Zwar handelt es sich bei beiden Maßnahmen in der Regel um Benut­zungen von Gewässern, die nach § 8 Wasser­haus­halts­gesetz (WHG) geneh­mi­gungs­pflichtig sind. Denn nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 und 5 WHG sind beide Tätig­keiten als Benutzung definiert.

Aller­dings gibt es nach § 46 WHG auch erlaub­nis­freie Benut­zungen. Und nach § 46 Abs. 1 Nr. 2 gibt es eine Ausnahme bei Ablei­tungen „für Zwecke der gewöhn­lichen Boden­ent­wäs­serung landwirt­schaftlich, forst­wirt­schaftlich oder gärtne­risch genutzter Grund­stücke“. Eine Erlaubnis oder Bewil­ligung ist nicht erfor­derlich, „soweit keine signi­fi­kanten nachtei­ligen Auswir­kungen auf den Wasser­haushalt zu besorgen sind“. Anders sieht es beim Stauen von Gräben oder anderen Fließ­ge­wässern aus. Hier ist immer eine Geneh­migung erfor­derlich: Insofern besteht ein Ungleichgewicht.

Aller­dings wird in einer Entscheidung des VG Magdeburg von 2018 überzeugend begründet, dass bei der Entwäs­serung von Moorböden solche „signi­fi­kanten nachtei­ligen Auswir­kungen auf den Wasser­haushalt“ in der Regel anzunehmen sind. Daher wäre auch hier grund­sätzlich eine Geneh­migung erfor­derlich. Dies nicht so sehr – wie in dem Fall von der Behörde argumen­tiert – weil Schad­stoffe direkter und damit durch das Torfsub­strat weniger gefiltert in den Vorfluter gelangen. Sondern, so das Gericht, weil sich der Moorboden durch die Entwäs­serung und den Kontakt mit Sauer­stoff zersetzt.

Das hat drei Folgen: Erstens wird die organische Substanz durch Mikro­or­ga­nismen „veratmet“, was zu den bekannten erheb­lichen CO2-Emissionen führt. Zweitens hat dies zur Folge, dass über Jahrtau­sende gespei­cherte Nährstoffe freiwerden, so dass auch die umlie­genden Gewässer stärker belastet werden. Und drittens kann der Boden sich über die Jahre erheblich absenken und an Speicher­fä­higkeit verlieren, was langfristig wiederum ungünstige Auswir­kungen auf den Wasser­haushalt haben kann. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung besonders auf die Freisetzung von Nährstoffen abgestellt. Daher war eine Geneh­migung der Drainage erfor­derlich. Außerdem war die Verpflichtung zum regel­mä­ßigen Messen von Schad­stoffen zumindest im Grundsatz gerechtfertigt.

Wir vermuten, dass die Erkenntnis der Geneh­mi­gungs­be­dür­figkeit der Dränage und Entwäs­serung von Moorböden in der Fläche bisher noch nicht so richtig angekommen ist. Dafür ist die Notwen­digkeit dieser Praxis einfach zu tief in der norddeut­schen Seele verwurzelt. Grade vor dem Hinter­grund von Klima­wandel und Trockenheit muss jedoch beachtet werden, dass die Entwäs­serung von Böden keine Selbst­ver­ständ­lichkeit ist. Auch sie bedarf rechtlich geregelter Rahmen­be­din­gungen, die auf ein umfas­sen­deres Wasser­ma­nagement abzielen, das ein Absenken des Grund­was­ser­spiegels verhindert (Olaf Dilling).

 

2021-06-23T17:07:32+02:0023. Juni 2021|Naturschutz, Umwelt, Verwaltungsrecht, Wasser|