Einmal LPG, immer LPG?

Während der Wieder­ver­ei­nigung musste vieles ganz schnell gehen. An der Vorstellung, dass das Rechts- und Verfas­sungs­system der Bundes­re­publik den fünf neuen Ländern einfach von heute auf morgen „überge­stülpt“ wurde, ist zwar was dran. Aber so ganz trifft es die Sache dann doch nicht. Zumindest gab es zum Teil großzügige Übergangsregelungen.

So ist es auch im Immis­si­ons­schutz­recht. Da gibt es zum Beispiel den § 67a Abs. 1 Bundes­im­mis­si­onschutz­gesetz (BImSchG). Demnach mussten in Ostdeutschland bestehende, an sich geneh­mi­gungs­be­dürftige Anlagen zumindest nicht nach neuem Recht genehmigt werden. Statt­dessen hat eine Anzeige innerhalb eines halben Jahres bei der zustän­digen Behörde genügt.

Das ist auch deshalb spannend, weil sich an die Geneh­migung von Anlagen auch noch weitere Rechts­folgen knüpfen. Zum Beispiel können nach  Erteilung einer Geneh­migung gemäß § 17 Absatz 1 Satz 1 BImSchG nachträg­liche Anord­nungen erlassen werden. Ist das auch möglich, wenn eine Anlage nie genehmigt wurde?

Ein Schwei­ne­mast­be­trieb, der aus einer LPG hervorging, hat in einem Berufungs­ver­fahren vor dem Oberver­wal­tungs­ge­richt Berlin-Brandenburg die Auffassung vertreten, eine nachträg­liche Anordnung von Maßnahmen zur Geruchs­re­duktion sei unzulässig. In der Vorschrift über die nachträg­liche Anordnung sei ausdrücklich von einer Geneh­migung die Rede und eine solche sei nie erfolgt.

Eigentlich würden wir zu gerne wissen, wie das Gericht diese Frage entschieden hätte. Nun war der Fall aber noch etwas kompli­zierter: Denn vor ein paar Jahren war der Betrieb von Schweinen auf Ferkel und von Festmist auf Gülle umgestellt worden, was die Klägerin ordnungs­gemäß nach § 15 Absatz 1 BImSchG angezeigt hatte. Und nach § 17 Absatz 1 Satz 1 2. Alter­native BImSchG ist auch bei einer Änderungs­an­zeige eine nachträg­liche Anordnung möglich. Das Gericht konnte also die Entscheidung der Behörde und das erstin­stanz­liche Urteil bestä­tigen. Die Nachbarn in einem nahege­le­genen Wohngebiet werden sich gefreut haben.

2019-05-21T09:04:56+02:0021. Mai 2019|Immissionsschutzrecht, Umwelt, Verwaltungsrecht|

Kohle braucht halt länger: LG Essen weist RWE-Klage zu Datteln ab

Ob ein riesiger Stein­kohle-Monoblock überhaupt noch in die Erzeu­gungs­land­schaft passt, war auch vor 15 Jahren schon sehr umstritten. Aller­dings – und das sprach unbestritten für den Bronto­saurier – sollte Datteln IV es E.ON (heute Uniper) ermög­lichen, ältere, noch emissi­ons­in­ten­sivere Kraft­werke abzuschalten. Irgendwo muss der Strom ja herkommen.

Doch von Anfang an stand das Kraftwerk unter keinem guten Stern. Statt wie geplant 2011 in Betrieb zu gehen, hob das OVG Münster mit Entscheidung aus 2009 (Az.: 10 D 121/07.NE)die plane­rische Grundlage der damals in Bau befind­lichen Anlage auf. Die Anlage stand weder an der richtigen Stelle, noch war sie mit den Vorgaben des Landes­ent­wick­lungs­plans (LEP) vereinbar, außerdem waren der Kühlturm wohl zu hoch und weder der Störfall noch die Belange des Natur- und Landschafts­schutzes ausrei­chend berück­sichtigt worden. Das OVG Münster eröffnete der E.ON noch nicht einmal die Revision, was das BVerwG auch noch bestä­tigte (BVerwG 4 BN 66.09).

Noch im selben Jahr stoppte das OVG Münster die Bauar­beiten, indem es die aufschie­bende Wirkung der Klagen gegen zwei (wenn auch nicht drei) Teilge­neh­mi­gungen feststellte (8 B 1342/09. AK, 8 B 1343/09.AK, 8 B 1344/09.AK). Im Sommer 2012 fiel – wieder vorm OVG Münster – der Vorbe­scheid (8 D 38/08.AK), und auch gegen diese Entscheidung gab es keine Revision. E.ON wollte ungefähr zeitgleich zumindest die Geneh­migung für die Vorgän­ger­anlage behalten und widerrief deswegen eine Verzichts­er­klärung hinsichtlich der Altge­neh­migung für die Vorgän­ger­anlage. Aber auch damit schei­terte das Unter­nehmen vorm OVG Münster (8 D 47/11.AK).

Doch schließlich kamen – vermeintlich – bessere Zeiten für das Kraftwerk in NRW. Mithilfe eines Zielab­wei­chungs­ver­fahrens konnte doch 2014 eine wirksame plane­rische und geneh­mi­gungs­recht­liche  Grundlage für das Kraftwerk geschaffen werden. Die Klage einer benach­barten Gemeinde gegen die Zielab­wei­chungs­ent­scheidung schei­terte 2016 vorm VG Gelsen­kirchen (9 K 4438/14).

Doch auch heute – sieben Jahre nach der geplanten Inbetrieb­nahme – fließt kein Strom. Erst kürzlich musste die Betrei­berin mitteilen, dass der Dampf­erzeuger schadhaft ist und die Inbetrieb­nahme wohl erst frühestens Ende 2018 statt­finden kann. Es könne nicht alles „auf Anhieb klappen“, ließ die Unter­neh­mens­spre­cherin verlaut­baren. Kein Wunder, dass angesichts der jahre­langen Verzö­ge­rungen auch der Strom­kunde RWE kein Interesse mehr an der Anlage hatte. RWE versuchte 2016, den Bezugs­vertrag über rund ein Drittel der Strom­pro­duktion der Anlage zu kündigen. Ein weiterer Grund war der gegenüber der Preis­ver­ein­ba­rungen im Vertrag deutlich nach unten abwei­chende heutige Strompreis.

Doch Uniper nahm die Kündigung nicht hin und zog per Feststel­lungs­klage vors LG Essen (3 O 28/2017). Dieses entschied nun : Mitge­fangen, mitge­gangen, mitge­hangen. Die Kündigung des RWE ist unwirksam, der Bezugs­vertrag bleibt. In diesem Zusam­menhang sind mündliche Äußerungen des Gerichts inter­essant: Die Verzö­ge­rungen seien zwar untypisch lang. Mit Blick auf Umwelt­aspekte sei aber auch eine solche Verzö­gerung noch einzu­rechnen. Jahre­lange Klagen mit wie hier sieben­jäh­rigen Verzö­ge­rungen sind also in der Energiewelt die neue Norma­lität, auf die sich Unter­nehmen einzu­stellen haben.

Nun liegt es nahe, dass das Liefer­ver­hältnis zwischen Uniper und RWE nach dem diese Woche verkün­deten Deal sich ohnehin ganz anders gestalten wird, als bei Vertrags­schluss absehbar. Ob es eine Klärung dieser neuen Norma­lität in einer neuen Instanz geben wird, wird deswegen erst die Zukunft zeigen.

2018-03-14T10:46:47+01:0014. März 2018|Allgemein, Strom|