Das Blog

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Verhand­lungs­be­richt zu Muster­fest­stel­lungs­klagen prima­strom und voxenergie : „Kammer­ge­richt – andere Ansicht Kammergericht“

Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“ – der Verfasser dieses Beitrages mag diesen geläu­figen Spruch eigentlich nicht so gerne, da er eine Belie­bigkeit der Recht­spre­chung sugge­riert die so nicht besteht.

Gestern aller­dings fühlten auch wir uns dann zeitweise doch ein wenig wie auf hoher See, als wir nämlich faktisch direkt nachein­ander zwei Verhand­lungs­termine am Kammer­ge­richt zu zwei Muster­fest­stel­lungs­klagen wahrnahmen, bei denen es exakt um die selben Rechts­fragen ging – und zwei davon vom 16. Senat und vom 27. Senat des Kammer­ge­richtes nach vorläu­figer Einschätzung völlig unter­schiedlich bewertet werden. Und das obwohl – wie man uns glaubhaft versi­cherte – beide Senate dazu vorab in kolle­gialem Austausch standen.

Dabei ging es zum Einen um die Frage, ob der § 313 BGB rechtlich ein „einsei­tiges gesetz­liches Preis­an­pas­sungs­recht“ darstellt, auf das sich ein Energie­ver­sorger bei vorliegen der dortigen Tatbe­stands­vor­aus­set­zungen berufen könne (Wegfall der Geschäfts­grundlage). Wir meinen nein und beriefen uns dazu auf eine entspre­chende Entscheidung des OLG Düsseldorf , dessen Rechts­auf­fassung sich auch der 27. Senat des Kammer­ge­richtes (vorläufig) anschließt – während der 16. Senat des Kammer­ge­richtes vorläufig dazu neigt, diese Frage gegen­teilig zu beurteilen.

Weiterhin war streitig, wie tief der Senat bei einer Muster­fest­stel­lungs­klage in die Einzel­fall­prüfung der jewei­ligen Kunden, die sich im Klage­re­gister als Betroffene einge­tragen haben, einsteigen muss. Wir meinen: gar nicht, weil alleine die ausrei­chende Anzahl von mindestens 50 Eintra­gungen in dieses Register eine formale Zuläs­sig­keits­vor­aus­setzung der Muster­fest­stel­lungs­klage ist. Dieser Auffassung ist auch der 27. Senat des Kammer­ge­richtes. Der 16. Senat tendiert aller­dings zu der Rechts­auf­fassung, dass das Feststel­lungs­in­teresse der Muster­fest­stel­lungs­klage entfällt, wenn sämtliche regis­trierten Verbraucher bereits klaglos gestellt wurden. Und um diese Frage zu klären, müsse das Gericht sich im Zweifel diese Einzel­fälle anschauen und damit inzident bereits eine Leistungs­an­spruchs­prüfung der einzelnen Betrof­fenen vornehmen.

Wie gesagt, handelt es sich dabei nur um vorläufige Einschät­zungen der Senate. Wir werden weiter berichten.

(Christian Dümke)

Von |24. November 2023|Kategorien: Recht­spre­chung|Schlag­wörter: |0 Kommentare

Das neue Klimaanpassungsgesetz

Der Klima­wandel ist schon da und setzt sich weiter fort. Es ist nur noch offen, wie viel wärmer es in Deutschland wird. Manche sprechen sogar schon von 6°C, um die Deutschland wärmer wird, wenn weltweit die Tempe­ratur um 3° C zunimmt. Deswegen kann Klima­schutz­po­litik sich nicht nur darauf beschränken, die Emissionen zu senken. Sondern auch Anpas­sungs­stra­tegien an eine verän­derte Umwelt zu entwi­ckeln. Um dies zu gewähr­leisten hat der Bundestag am 16.11.2023 ein Bundes­kli­ma­an­pas­sungs­gesetz verab­schiedet (wir haben über den Entwurf schon berichtet).

Wer eine konkrete Strategie sucht, wird aber nicht fündig. Diese soll erst entwi­ckelt werden, und zwar durch die Bundes­re­gierung bis zum 30.09.2025, also einige Tage nach der voraus­sichtlich nächsten Bundes­tagswahl. Diese Strategie soll ausge­sprochen breit ausfallen, und außer nahelie­genden Themen wie Küsten­schutz oder Stadt­ent­wicklung auch Aspekte wie Gesund­heits­schutz oder Finanz­wirt­schaft umfassen. Entwi­ckelt werden sollen Ziele, Indika­toren und Maßnahmen.

§ 4 sieht eine Klima­ri­si­ko­analyse vor, die rollierend alle acht Jahre überar­beitet wird. Fortschritte sollen in regel­mä­ßigen Monitoring-Berichten alle vier Jahre dokumen­tiert und veröf­fent­licht werden. Auf Basis des Monito­rings wird dann die Anpas­sungs­stra­tegie fortge­schrieben. In jedem Fall will der Bund mit seinen eigenen Liegen­schaften mit gutem Vorbild vorangehen.

Ein wichtiger Punkt: Das Gesetz enthält ein Berück­sich­ti­gungs­gebot bei Planungen und Entschei­dungen durch die öffent­liche Hand. Viele dieser Punkte sind bereits in anderen Fachge­setzen berück­sichtigt, wie etwa der Hochwas­ser­schutz oder der Schutz des Grund­wassers. Neu ist aber vor allem der übergrei­fende Charakter: Bei allem, was Behörden tun, müssen sie mitbe­denken, dass es wärmer wird und die Umwelt sich verändert. In diesen Kontext gehört auch ein – aller­dings recht weiches – Entsiegelungsgebot.

Flut, Unterzeichnen, Untergang, Wasser

Doch nicht nur der Bund soll aktiv werden: Auch die Länder müssen einen Umgang mit der Erder­wärmung finden. Sie müssen eigene Strategien entwi­ckeln und bis 2027 dem Bund vorlegen. Auch diese Strategien werden regel­mäßig fortge­schrieben und Fortschritte berichtet. Auch die Pflicht zur Konzept­ent­wicklung gilt auch für die Länder.

Ausdrücklich gewährt das Gesetz keine indivi­du­ellen Rechte. Es sollen also weder Bürger auf einen (besseren) Plan klagen können, noch Schadens­ersatz geltend machen können, wenn der Plan versagt und sie spezi­fisch durch den Klima­wandel bedingte Schäden erleiden. In diesem Fall hätte vielleicht der Planungs­träger versagt. Doch Bürger oder Unter­nehmen nützt das nichts (Miriam Vollmer).

Von |24. November 2023|Kategorien: Energie­po­litik|Schlag­wörter: , |0 Kommentare

Fahrrad­straße darf Parkplätze kosten

In Berlin treiben – trotz des Gegen­winds der aktuellen großen Koalition auf Landes­ebene – viele Bezirke weiter den Bau von Fahrrad­wegen und ‑straßen voran. Dass das auch an Gerichts­ver­fahren nicht scheitern muss, zeigt aktuell ein Fall aus dem Bezirk Tempelhof-Schöneberg.

Fahrradstraße in Berlin -Mitte

Fahrrad­straße in Berlin-Mitte (Fridolin freudenfett, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons)

In Friedenau, parallel zur Bundes­allee verläuft dort 1,5 km in Nord-Süd-Richtung die Handjery-Straße. Diese wird aufgrund eines Beschlusses der Bezirks­ver­ord­ne­ten­ver­sammlung aus 2016 zur Fahrrad­straße umgewandelt, was den Wegfall von über 100 Parkplätzen zur Folge hat. Das wollten Anwohner nicht dulden und gingen im Rahmen des Eilrechts­schutzes gegen die Fahrrad­straße vor, die eigentlich kurz vor der Fertig­stellung steht.

Wie die Berliner Zeitung nun über das Verfahren (Akten­zeichen VG 11 L 338/23, VG 11 L 342/23) berichtet, gibt es ein inzwi­schen einen Beschluss des Verwal­tungs­ge­richts Berlin. Demnach wurden die Anträge auf vorläu­figen Rechts­schutz abgelehnt. Denn die Anordnung der Fahrrad­straße sei ausrei­chend auf einer Gefahrlage begründet worden. Diese ergäbe sich schon aus der hohen Zahl der Radfahrer, die bereits 2020, also vor Einrichtung der Fahrrad­straße den Straßenzug nutzen würden. Dagegen wird die Straße von Kfz weniger frequentiert. 

Aktuell ist der Straßen­quer­schnitt stark durch parkende Kfz einge­schränkt, so dass wenig mehr als die Mindest­breite für die Fahrbahn übrig bleibt und Sicher­heits­ab­stände nicht einge­halten werden können. Dementspre­chend gab es in der Straße auch relativ viele Unfälle, in die zum Teil auch Radfahrer verwi­ckelt waren. Daher ist das Gericht in seinem Beschluss davon ausge­gangen, dass die Ausweisung als Fahrrad­straße zwingend erfor­derlich sei. Die Anwohner hätten dagegen keinen Rechts­an­spruch darauf, in unmit­tel­barer Nähe  ihrer Wohnung zu parken. Dies stimmt mit der Recht­spre­chung zum Parken im öffent­lichen Raum überein. (Olaf Dilling)

Von |22. November 2023|Kategorien: Recht­spre­chung, Verkehr, Verwal­tungs­recht|Schlag­wörter: , , |0 Kommentare

Kammer­ge­richt verhandelt Muster­fest­stel­lungs­klagen gegen prima­strom und voxenergie

Am Donnerstag dem 23.11.2023 vertreten wir den Bundes­verband der Verbrau­cher­zen­tralen und Verbrau­cher­ver­bände e. V. vor dem Berliner Kammer­ge­richt in zwei Muster­fest­stel­lungs­klagen gegen die Energie­ver­sorger prima­strom GmbH und voxenergie GmbH.

Streit­punkt in den Verfahren sind jeweils Preis­an­pas­sungen dieser beiden Versorger. Betroffene Verbraucher können sich noch hier im Klage­re­gister für prima­strom und hier im Klage­re­gister für voxenergie eintragen.

Die mündliche Verhandlung der Muster­fest­stel­lungs­klagen ist öffentlich. Inter­es­sierte Bürger können also als Zuschauer teilnehmen.

Muster­fest­stel­lungs­klage gegen voxenergie

Az. 27 MK 1/22

10.00 Uhr

Kammer­ge­richt Berlin,

Elßholz­straße 30–33

Sitzungssaal 135, 1. Etage,

 

Muster­fest­stel­lungs­klage gegen primastrom, 

Az. 16 MK 1/22

15.00 Uhr

Kammer­ge­richt Berlin,

Elßholz­straße 30–33

Sitzungssaal 449

 

(Christian Dümke)

Von |20. November 2023|Kategorien: Allgemein, Recht­spre­chung|0 Kommentare

Das Bundes­kar­tellamt und der § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV

Das Bundes­kar­tellamt (BKartA) kann nicht nur per Sektor­un­ter­su­chung die Preise von Fernwär­me­ver­sorgern checken. Es darf auch Fernwä­re­preis­klauseln prüfen. Die diese Woche eröff­neten sechs Missbrauchs­ver­fahren gegenüber Fernwär­me­ver­sorgern machen deutlich: Außer den Kunden kann auch die Behörde direkt auf Preis­gleit­klauseln zugreifen.

Maßstab der Prüfung ist § 24 Abs. 4 AVBFern­wärmeV. Diese Regelung bestimmt, dass Preis­er­hö­hungen sich an der Kosten­ent­wicklung und am Wärme­markt orien­tieren müssen. Außerdem müssen sie trans­parent sein. Es ist damit nicht erlaubt, den Preis etwa parallel zum Erdgas­preis steigen zu lassen, wenn die Kosten des Versorgers real nur teilweise oder gar nicht am Gaspreis hängen, sondern etwa an Strom, landwirt­schaft­lichen Produkten oder Kohle. Außerdem dürfen Versorger nicht auf ein Markt­element verzichten, das die Entwicklung am Wärme­markt insgesamt – also nicht nur Fernwärme – abbildet. Hinzu kommt: Wenn der Kunde nicht selbst ausrechnen kann, wie sich der Preis entwi­ckelt, ist er ebenfalls fehlerhaft.

Das BKartA hat per Presse­mit­teilung nun verlaut­baren lassen, direkt gegen solche Unter­nehmen vorzu­gehen, die andere Indizes verwenden als es ihrer Wärme­er­zeugng entspricht. Also etwa Erdgas im Rekord­preisjahr 2022, wenn tatsächlich seit Jahren vorwiegend Abfall einge­setzt wird. Solche Klauseln haben auch wir schon gesehen; nicht ganz selten gehen sie darauf zurück, dass Unter­nehmen zwar ihre Erzeu­gungs­struktur, nicht aber ihre Verträge geändert haben. Das ist aber verpflichtend.

Die praktische Reich­weite des Verfahrens geht über die sechs Betrof­fenen weit hinaus: Die gestie­genen Preise der letzten zwei Jahre und die Auferk­samkeit für Raumwärme generell führen schon aktuell zu mehr Kunden­be­schwerden und ‑anfragen. Wir empfehlen deswegen generell allen Wärme­ver­sorgern, im Rahmen regel­mä­ßiger Prozesse – und nicht nur, wenn sich Leute beschweren – zu überprüfen, ob ihre Klauseln noch recht­mäßig sind, denn wenn eine Klausel unwirksam ist, können sich Kunden für die drei Jahre vor dem Preis­wi­der­spruch wegen Unwirk­samkeit der Klauseln überzahlte Beträge zurück­holen. Im Massen­ge­schäft ist das regel­mäßig eine ganze Menge (Miriam Vollmer).

Von |17. November 2023|Kategorien: Wärme|Schlag­wörter: , |0 Kommentare

Verlängert, aber nicht für alle

Nun denn: Der Bundestag hat die Verän­gerung der Preis­bremsen abgesegnet. Sie sollen nun zwar nicht wie geplant bis zum 30.04.2024 verlängert werden. Aber immerhin bis zum 31.03.2024. Wie genau mit den vielen offenen Fragen rund um die Höchst­grenzen, den Zeitraum, für den die maximale Entlastung gilt und viele weitere Frage mehr umzugehen ist, wird das BMWK die betrof­fenen Unter­nehmen hoffentlich kurzfristig wissen lassen. Mit ein bisschen Glück hat sich bis in die Scharn­horst­straße herum­ge­sprochen, dass das Regieren by FAQ von der Branche gelinde gesagt nicht als Gewinn empfunden wurde.

Außer der Verlän­gerung hat es nun doch noch eine kleine inhalt­liche Änderung in die Verordnung geschafft: Die Strom­preis­bremse wird nicht für weiter­ge­lei­teten Strom verlängert. Hier geht es um Unter­nehmen, die Strom beziehen, und dann nicht über ein Netz, sondern über eine Kunden­anlage weiter­ver­kaufen. Das betrifft zB kleinere Indus­trie­parks, aber auch größere Wohnan­lagen. Wenn hier hinter dem Netz, also in die Kunden­anlage hinein, verkauft wird, galt die Preis­bremse im Verhältnis zum Kunden – also etwa dem Unter­nehmen  im Indus­triepark – schon in der Vergan­genheit nicht, weil das StromPBG die Lieferung über ein Netz voraus­setzt. In aller Regel wurde die vom Betreiber der Kunden­anlage verein­nahmte Vorteil aber weiter­ge­währt. Nun erhält dieser keine Entlastung mehr, kann also auch keine mehr wälzen (Miriam Vollmer).

 

Von |17. November 2023|Kategorien: Energie­po­litik|Schlag­wörter: |0 Kommentare