Auch bei Sonder­kunden: Detail­lierte Gegen­über­stellung von Neu- und Altpreisen

In der Grund­ver­sorgung steht es fest: Wenn Preise steigen, müssen die alten und die neuen Preise bezogen auf die einzelnen Preis­be­stand­teile gegen­über­ge­stellt werden. Das ergibt sich aus § 5 Abs. 2 S. 2, § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 und S. 3 der StromGVV. Nun hat der Bundes­ge­richtshof (BGH) mit Entscheidung vom 21.12.2022 festge­stellt, dass auch bei Sonder­kunden eine aufge­schlüs­selte Gegen­über­stellung von altem und neuem Preis erfor­derlich ist. Dies entnimmt der BGH § 41 Abs. 3 EnWG a. F. (jetzt § 41 Abs. 5 EnWG).

Kläger im Verfahren war der Verbrau­cher­schutz. Dieser hatte ein EVU abgemahnt und Unter­lassung verlangt. Das am Ende auch vor Gericht überzeu­gende Argument: § 41 Abs. 3 a. F. EnWG sollte den Kunden in die Lage versetzen, beurteilen zu können, ob er von seinem Sonder­kün­di­gungs­recht Gebrauch macht. Dies begründet der Senat nicht allein mit dem Zweck des alten § 41 Abs. 3 EnWG, er weist auch auf die Elektri­zi­täts­bin­nen­markt­richt­linie und die Klausel­richt­linie hin. In diesem Zusam­menhang benennt er einen wichtigen Punkt: Nur mit einer Aufschlüs­selung kann der Kunde wirlich beurteilen, ob und zu welchen Anteilen die Preis­ent­wicklung auf unbeein­fluss­baren hoheitlchen Lasten beruht. Damit blieb der BGH bei der Entscheidung des OLG Köln. Das LG Köln hatte erstin­stanzlich noch anders entschieden.

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Für die Praxis bedeutet das: Sonder­kunden und Grund­ver­sor­gungs­kunden müssen Preis­ent­wick­lungen praktisch identisch kommu­ni­ziert werden. Unter­nehmen, die dies nicht ohnehin so prakti­zieren, müssen ihre Prozesse ändern (Miriam Vollmer)

2023-02-15T01:33:57+01:0015. Februar 2023|Vertrieb|

Keine Betrof­fenheit durch Fahrradstraße

Was für Regeln auf Fahrrad­straßen gelten und welche Einschrän­kungen es für andere Verkehrs­arten gibt, ist im öffent­lichen Bewusstsein noch nicht besonders stark verankert. Dabei gibt es Fahrrad­straßen mit amtlichem Verkehrs­zeichen in Deutschland bereits seit 1997. Mögli­cher­weise sind die zahlreichen Ausnahmen für den Kraft­fahr­zeug­verkehr ein Grund für die Verwirrung.

Seit der StVO Reform von 2021 haben sich die Voraus­set­zungen für die Einrichtung von Fahrrad­straßen wesentlich verein­facht, so dass Fahrrad­straßen nun häufiger werden. Mittler­weile ist es nicht mehr erfor­derlich, dass Fahrrad­verkehr in einer Straße die vorherr­schende Verkehrsart ist. Vielmehr kommt die Anordnung laut der Verwal­tungs­vor­schrift zur StVO zu Zeichen 244.1 und 244.2 in Betracht auf Straßen mit einer „hohen oder zu erwar­tenden hohen Fahrrad­ver­kehrs­dichte, einer hohen Netzbe­deutung für den Radverkehr oder auf Straßen von lediglich unter­ge­ord­neter Bedeutung für den Kraftfahrzeugverkehr“.

Frau auf Fahrrad im Stadtverkehr

Insofern gibt es inzwi­schen auch verschiedene verwal­tungs­ge­richt­liche Verfahren in Zusam­menhang mit Fahrrad­straßen. Beispiels­weise berich­teten wir aus Hannover, in dem ein Gericht auf die Klage eines Anwohners und Kfz-Halters mehrfach deutlich gemacht hat, dass die Einrichtung von Fahrrad­straßen dem Fahrrad­verkehr effektiv etwas „bringen“ müsse, um recht­mäßig zu sein. Mit dem Erfolg, dass die Verkehrs­be­hörde – letztlich zu Lasten des Klägers – inzwi­schen die Fahrrad­straße auf eine Weise angeordnet hat, die wesentlich stärker in die Rechte der Autofahrer eingreift.

Auch Anfang diesen Monats gab es wieder eine verwal­tungs­ge­richt­liche Entscheidung zu einer Fahrrad­straße. Das OVG Nordrhein-Westfalen hat die Berufung eines Unter­nehmens nicht zugelassen, das Gewer­be­grund­stücke an einer Fahrrad­straße vermietet. Die Klägerin war der Auffassung, durch die Einrichtung der Fahrrad­straße, die mit Zusatz­schildern den motori­sierten Verkehr zulässt, poten­tielle Mieter zu verlieren, die auf die Anfahrt mit dem Kfz und auf Parkplätze für Ladeverkehr angewiesen seien.

Das Gericht hat in Überein­stimmung mit dem Verwal­tungs­ge­richt Köln als Vorin­stanz die Berufung bzw. Klage als unzulässig zurück­ge­wiesen. Denn die Klägerin sei durch die Anordnung der Fahrrad­straße nicht betroffen, weder als eigene Halterin von Kfz, was von ihr auch gar nicht geltend gemacht wurde, noch in ihrem Grund­recht auf Eigentum, da es allen­falls um bloße Gewinn­aus­sichten ginge.

In diesem Rahmen setzt sich das Gericht auch mit dem Regelungs­gehalt der Fahrrad­straße ausein­ander. Der Inhalt der Anordnung ergibt sich aus Anlage 2 zu § 41 Absatz 1 StVO  (Rn. 23 zu Verkehrs­zeichen 244). Da aufgrund der Zusatz­zeichen motori­sierter Verkehr zugelassen sei, würde sich der Regelungs­gehalt der Fahrrad­straße im Wesent­lichen darin erschöpfen, dass Fahrrad­fahrer neben­ein­ander fahren dürften. Zum ruhenden Verkehr seien in den Regeln zur Fahrrad­straße keine Aussagen getroffen. Obwohl durch straßen­ver­kehrs­recht­liche Anordnung eine Vielzahl von Verkehrs­teil­nehmern betroffen sind, gibt es mit anderen Worten doch Möglich­keiten, die Zahl der poten­ti­ellen Kläger einzu­schränken. Zumindest wer offen­sichtlich nicht Adressat eines Verkehrs­zei­chens ist, kann nicht klagen. (Olaf Dilling)

 

2023-02-14T11:53:32+01:0014. Februar 2023|Rechtsprechung, Verkehr, Verwaltungsrecht|

Ist schneller wirklich schlechter? Eine Entgegnung

Zwischen dem ersten Behör­den­kontakt und dem Erlass der Geneh­migung z. B. eines Windparks vergehen in Deutschland Jahre. Und zwar Jahre, die wir nicht haben. Wenn wir 2045 netto null emittieren wollen, muss es nun schnell gehen mit dem Ausbau der Erneu­er­baren. Geneh­mi­gungs­ver­fahren sollen also beschleunigt werden. Vor allem soll es Gegnern von Vorhaben nicht mehr einfach per Zeitablauf gelingen, Vorhaben zu torpe­dieren. Dies soll eine Reform der Verwal­tungs­ge­richts­ordnung (VwGO) ermöglichen.

Doch dies – so befürchtet nicht nur mein kluger Kollege Olaf Dilling in seinem Beitrag vom 9. Februar 2023 – könnte auch negative Folgen haben. Führen etwa die neuen starren Fristen angesichts der unter­be­setzten Verwal­tungen und Gerichte zu oberfläch­lichen, vielleicht gar falschen Entschei­dungen? Schadet eine Beschleu­nigung mögli­cher­weise der Natur, weil natur­schutz­recht­liche, auch denkmal­schutz­recht­liche Erwägungen in der so geschaf­fenen Hast nicht den ihnen vom Gesetz­geber einge­räumten Raum bekommen? Nicht nur einige Verwal­tungs­richter und manche Umwelt­ver­bände zeigen sich eher ablehnend, auch mein Kollege fürchtet ein weniger an Rechts­schutz und letztlich ein Minus für die Umwelt.

Nun klingt „Gründ­lichkeit“ immer toll. Gerade im verwal­tungs­recht­lichen Kosmos, wo dann, wenn eine Klage erst einmal zulässig ist, mit einer in anderen europäi­schen Ländern ungekannten Prüfungs­tiefe geurteilt wird, pocht man sehr auf die Überle­genheit der oft hunder­sei­tigen Urteile, in denen jeder Stein umgedreht wird. Da klingt es fast unseriös, darauf hinzu­weisen, dass materielle Gerech­tigkeit auch eine zeitliche Dimension hat: Später Rechts­schutz ist oft schlechter Rechts­schutz. In Extrem­fällen kann die ersehnte Gründ­lichkeit sogar dazu führen, dass der eigentlich beabsich­tigte Schutz der Umwelt durch Verfahren durch Zeitablauf scheitert. Dann mag zwar noch der letzte Vogel, die letzte Fledermaus, durch ein Maximum an gericht­lichem Rechts­schutz geschützt worden sein. Doch durch die Verzö­gerung, mit der neue Anlagen genehmigt werden würden, würde Deutschland sein Klima­schutzziel verfehlen. Das wäre dann auch für die Vögel und Fleder­mäuse nicht so toll.

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Ein anderer Kritik­punkt richtet sich auf die Ausweitung der Beschleu­nigung auf Verkehrs­in­fra­struk­turen. Doch bellt man da nicht vorm falschen Baum? Richti­ger­weise wird ja nicht kriti­siert, dass bestehende Pläne in angemes­sener Zeit reali­siert werden. Die Kritik müsste sich vielmehr dagegen richten, dass dermaßen aus der Zeit gefallene Pläne wie ein Autobahn­ausbau quer durch Berlin überhaupt noch bestehen und nicht fallen­ge­lassen werden. Auch der Hinweis auf die armen, überar­bei­teten Richter und Beamte geht in die falsche Richtung. Der Anspruch auf schnelle, effiziente Verfahren kann nicht nur nach Maßgabe einer oft, aber durchaus auch nicht immer, ausge­zehrten Verwaltung bestehen. Wenn die bestehenden Mittel nicht reichen, um schnelle Verfahren zu ermög­lichen, muss die Verwaltung besser ausge­stattet werden. Mehr kompe­tente  Mitar­beiter, eine bessere digitale Infra­st­uktur, aber auch ein Kultur­wandel in vielen Köpfen und Verwal­tungs­stru­turen generell, wären jeden­falls sinnvoller, als aus Angst vor Flüch­tig­keits­fehlern den großen Fehler zu begehen, den notwen­digen Aus- und Umbau der deutschen Infra­struktur weiter zu verzögern, zu verschleppen und letztlich zu verpassen (Miriam Vollmer).

 

2023-02-10T22:38:09+01:0010. Februar 2023|Energiepolitik, Umwelt|