Zwischen dem ersten Behör­den­kontakt und dem Erlass der Geneh­migung z. B. eines Windparks vergehen in Deutschland Jahre. Und zwar Jahre, die wir nicht haben. Wenn wir 2045 netto null emittieren wollen, muss es nun schnell gehen mit dem Ausbau der Erneu­er­baren. Geneh­mi­gungs­ver­fahren sollen also beschleunigt werden. Vor allem soll es Gegnern von Vorhaben nicht mehr einfach per Zeitablauf gelingen, Vorhaben zu torpe­dieren. Dies soll eine Reform der Verwal­tungs­ge­richts­ordnung (VwGO) ermöglichen.

Doch dies – so befürchtet nicht nur mein kluger Kollege Olaf Dilling in seinem Beitrag vom 9. Februar 2023 – könnte auch negative Folgen haben. Führen etwa die neuen starren Fristen angesichts der unter­be­setzten Verwal­tungen und Gerichte zu oberfläch­lichen, vielleicht gar falschen Entschei­dungen? Schadet eine Beschleu­nigung mögli­cher­weise der Natur, weil natur­schutz­recht­liche, auch denkmal­schutz­recht­liche Erwägungen in der so geschaf­fenen Hast nicht den ihnen vom Gesetz­geber einge­räumten Raum bekommen? Nicht nur einige Verwal­tungs­richter und manche Umwelt­ver­bände zeigen sich eher ablehnend, auch mein Kollege fürchtet ein weniger an Rechts­schutz und letztlich ein Minus für die Umwelt.

Nun klingt „Gründ­lichkeit“ immer toll. Gerade im verwal­tungs­recht­lichen Kosmos, wo dann, wenn eine Klage erst einmal zulässig ist, mit einer in anderen europäi­schen Ländern ungekannten Prüfungs­tiefe geurteilt wird, pocht man sehr auf die Überle­genheit der oft hunder­sei­tigen Urteile, in denen jeder Stein umgedreht wird. Da klingt es fast unseriös, darauf hinzu­weisen, dass materielle Gerech­tigkeit auch eine zeitliche Dimension hat: Später Rechts­schutz ist oft schlechter Rechts­schutz. In Extrem­fällen kann die ersehnte Gründ­lichkeit sogar dazu führen, dass der eigentlich beabsich­tigte Schutz der Umwelt durch Verfahren durch Zeitablauf scheitert. Dann mag zwar noch der letzte Vogel, die letzte Fledermaus, durch ein Maximum an gericht­lichem Rechts­schutz geschützt worden sein. Doch durch die Verzö­gerung, mit der neue Anlagen genehmigt werden würden, würde Deutschland sein Klima­schutzziel verfehlen. Das wäre dann auch für die Vögel und Fleder­mäuse nicht so toll.

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Ein anderer Kritik­punkt richtet sich auf die Ausweitung der Beschleu­nigung auf Verkehrs­in­fra­struk­turen. Doch bellt man da nicht vorm falschen Baum? Richti­ger­weise wird ja nicht kriti­siert, dass bestehende Pläne in angemes­sener Zeit reali­siert werden. Die Kritik müsste sich vielmehr dagegen richten, dass dermaßen aus der Zeit gefallene Pläne wie ein Autobahn­ausbau quer durch Berlin überhaupt noch bestehen und nicht fallen­ge­lassen werden. Auch der Hinweis auf die armen, überar­bei­teten Richter und Beamte geht in die falsche Richtung. Der Anspruch auf schnelle, effiziente Verfahren kann nicht nur nach Maßgabe einer oft, aber durchaus auch nicht immer, ausge­zehrten Verwaltung bestehen. Wenn die bestehenden Mittel nicht reichen, um schnelle Verfahren zu ermög­lichen, muss die Verwaltung besser ausge­stattet werden. Mehr kompe­tente  Mitar­beiter, eine bessere digitale Infra­st­uktur, aber auch ein Kultur­wandel in vielen Köpfen und Verwal­tungs­stru­turen generell, wären jeden­falls sinnvoller, als aus Angst vor Flüch­tig­keits­fehlern den großen Fehler zu begehen, den notwen­digen Aus- und Umbau der deutschen Infra­struktur weiter zu verzögern, zu verschleppen und letztlich zu verpassen (Miriam Vollmer).