Gut versteckt: Wegfall der Vergütung für vermiedene NNE

Als wäre das umfang­reiche Paket, mit dem der Gesetz­geber angeb­liche Überge­winne abschöpfen und mit dem Geld Letzt­ver­braucher entlasten will, nicht schon dick genug: Versteckt auf S. 68 des Entwurfs für die Strom­preis­bremse vom 25. November 2022 sollen § 120 EnWG und § 18 Strom­netz­ent­gelt­ver­ordnung (StromNEV) aufge­hoben werden. Künftig soll es damit keine Zahlungen für vermiedene Netzent­gelte mehr geben. Im Entwurf steht zur Begründung nur recht lapidar, Nutznießer seien ohnehin meist fossile Anlagen, und außerdem seien die vermie­denen NNE recht teuer.

Doch worum geht es bei diesem Posten überhaupt? § 18 StromNEV honoriert die dezen­trale Einspeisung vom Strom. Der Strom bleibt in solchen Konstel­la­tionen nämlich bildlich gesprochen „im Kiez“ bzw. im Netzgebiet, so dass das vorge­la­gerte Netz entlastet wird. Es muss weniger Strom über weite Strecken und mehrere Ebenen trans­por­tiert werden, das erspart den mühsamen, langwie­rigen und teuren Ausbau. Die meisten Kraft­werke, die hiervon profi­tieren, sind kleinere, oft kommunale Anlagen, oft in Kraft-Wärme-Kopplung (KWK).

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Die Vergütung der vermie­denen NNE war beim Minis­terium schon in der Vergan­genheit unbeliebt. Deswegen wurde die Regelung schon vor einigen Jahren mit dem in § 120 EnWG nieder­ge­legten Kompromiss einge­schränkt: Volatile Anlagen sind nur noch erfasst, wenn sie vor 2018 in Betrieb gegangen sind, Anlagen mit Inbetrieb­nahme ab 2023 sollten keine vermie­denen NNE mehr erhalten. Mit dem Regelungs­vor­schlag vom 25.11.2022 würden nun aber auch für alle älteren Anlagen diese (natürlich in allen Finanz­pla­nungen 2023 fest einge­planten) Vergü­tungen mehr oder weniger über Nacht entfallen.

Energie­wirt­schaftlich ist diese Regelung, das muss man in aller Klarheit so sagen, kontra­pro­duktiv. Die vermie­denen NNE laufen wegen § 120 EnWG ohnehin langsam aus. Doch während des Hochlaufs der Erneu­er­baren spielt gerade die dezen­trale KWK eine wichitge Rolle für die Verteil­netze. Der Ersparnis durch den Wegfall der vermie­denen NNE stehen damit Kosten für den Netzausbau, aber auch Wirtschaft­lich­keits­ver­luste gegenüber, die sich in den Produkt­preisen nieder­schlagen müssen, insbe­sondere beim Produkt Fernwärme, sofern KWK-Anlagen betroffen sind. Ob dies ein kluger Schachzug ist, während der Gesetz­geber doch mit der Gas- und Wärme­preis­bremse gerade versucht, diese Posten zu reduzieren?

Doch wie auch immer man über den Reform­vor­schlag denkt: Ihn in einem ganz anderen Geset­zes­paket zu verstecken, das innerhalb kürzester Zeit durch­ge­peitscht werden muss, weil die EU-Umset­zungs­fristen für die Srompreis­bremse und ‑abschöpfung drängen, ist nicht geeignet, das Vertrauen in die Redlichkeit der Politik zu erhöhen (Miriam Vollmer).

2022-11-30T22:40:04+01:0030. November 2022|Energiepolitik, Netzbetrieb|

Nach der Vertiefung ist vor der Vertiefung

Die meisten deutschen Seehäfen sind eigentlich Fluss­häfen. Die einzige Ausnahme ist der Jade-Weser-Port in Wilhelms­haven und auch das ist eigentlich fast ein Fluss­hafen, da entlang der Kaje das Wasser aus dem Jadebusen zweimal am Tag kräftig in Meer strömt – auch wenn es sich angesichts der relativ geringen Größe des namens­ge­benden Flüss­chens Jade praktisch um Salz- und nicht Brack­wasser handelt.

Containerschiff und Lotse auf Fluss mit Hafenanlagen

Nun gibt es fast regel­mäßig bis in die letzte gericht­liche Instanz Stress, wenn die Flüsse, also insbe­sondere Weser oder Elbe, für die Seeschiff­fahrt angepasst werden sollen. Dies ist aus Sicht der Reede­reien und Häfen­ver­wal­tungen nötig, damit die großen Contai­ner­schiffe, die vornehmlich aus China große Mengen Güter nach Deutschland trans­por­tieren, weiter in deutsche Häfen einlaufen können. Da diese Schiffe immer größer und breiter werden, müssen die Fahrrinnen entspre­chend mitwachsen.

Bei der Elbver­tiefung hatte das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt im Juni 2020 grünes Licht gegeben: Die Elbver­tiefung ist daher eigentlich seit Anfang diesen Jahres formell abgeschlossen. Jetzt hat die Wasser- und Schiff­fahrts­ver­waltung des Bundes für 01.12.2022 angeordnet, dass die Elbe bis zum Hamburger Hafen nur noch einge­schränkt nutzbar ist: Um einen Meter wird die bisher angepeilte Tiefe nicht erreicht. Grund dafür ist, dass es immer wieder zu Erosion der Böschungen kommt und in der Elbe aufgrund der verän­derten Tidendy­namik mehr Sand und Schlick als zuvor sedimentiert.

Die Probleme, die daraus entstehen, resul­tieren nicht nur in verstärkten Aktivi­täten beim Ausbaggern, sondern auch bei der Entsorgung des erheblich mit Schad­stoffen belas­teten Schicks. Nach dem Willen Hamburgs soll dieser vor der politisch zu Hamburg gehörenden, aber vom Nieder­sä­chi­schen Wattenmeer umgebenen Vogel­schutz­insel Scharhörn gelagert werden. In einem „Schlick­gipfel“ soll zwischen Hamburg, Nieder­sachsen, Schleswig-Holstein und dem Bund geklärt werden, wie mit der Verschli­ckung des Elbfahr­wassers und anderen Infra­struk­tur­pro­blemen rund um den Hafen ungegangen werden soll. Auch Umwelt­schutz­ver­bände beanspruchen bei den Gesprächen dabei zu sein. Vielleicht eine gute Idee, wenn es hilft, langwierige Gerichts­ver­fahren zu vermeiden. (Olaf Dilling)

2022-11-28T18:12:40+01:0028. November 2022|Naturschutz, Umwelt, Verkehr|

Strom­preis­bremse rasiert Erneu­erbare Energien

Ab dem 1. Januar 2023 soll entlastet werden, so der Kabinetts­entwurf für die Strom­preis­bremse von heute. Finan­ziert werden sollen die Entlas­tungen v. a. durch die Abschöpfung sog. „Überschuss­erlöse“, also von Erlösen, die nur deswegen so stattlich ausfallen, weil die oft preis­bil­dende Strom­pro­duktion aus Erdgas sich drastisch verteuert hat. Dass diese abgeschöpft werden sollen, ist eine EU-Vorgabe und ergibt sich aus der Verordnung (EU) 2022/1854 vom 6. Oktober 2022. Hier heißt es nämlich in Art. 6 Abs. 1:

Die Markt­erlöse, die Erzeuger für die Strom­erzeugung aus den in Artikel 7 Absatz 1 genannten Quellen erzielen, werden auf höchstens 180 EUR je MWh erzeugter Elektri­zität begrenzt.

Abgeschöpft werden soll laut EU bei Erneu­er­baren, Atomkraft­werken, Braun­kohle und Heizöl. Ob die Mitglied­staaten auch bei Stein­kohle abschöpfen wollen, steht ihnen frei, Art. 8 Abs. 1 d. Wie genau die Mitglied­staaten die Abschöpfung vornehmen, lässt die Verordnung ansonsten weitgehend offen. Klar ist nach Art. 8 Abs. 2 aber, dass die Abschöp­fung­ver­hält­nis­mäßig und diskri­mi­nie­rungsfrei sein soll, Inves­ti­ti­ons­si­gnale nicht gefährden und die Inves­ti­tions- und Betriebs­kosten decken soll.

Klingt gut, finden Sie? Nun, der aktuelle Kabinetts­entwurf sieht ganz anders aus. Für die Erneu­er­baren Energien, die doch an sich mit dem ehrgei­zigen EEG 2023 gefördert werden sollen, um als Bundes­re­publik 2045 netto null zu emittieren, sieht es danach nicht gut aus.

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Zunächst ist von den europäi­schen 180 EUR/MWh im deutschen Entwurf nicht die Rede. § 16 Abs. 1 Nr. 1 des Entwurfs kappt die Erlöse nicht etwa oberhalb von diesen 18 Cent/kWh, sondern erklärt den „anzule­genden Wert“ plus eines Sicher­heits­zu­schlags schlan­kerhand zur Obergrenze dessen, was ein  Anlagen­be­treiber erlösen darf. Dieser Mecha­nismus führt aber dazu, dass die meisten betrof­fenen Anlagen eine viel, viel niedrigere Obergrenze für den Erlös haben, als in der EU-Verordnung vorge­sehen. Denn der anzule­gende Wert ist keineswegs der „richtige“ Strom­preis für EEG-Anlagen. Es handelt sich vielmehr um eine Art Unter­grenze für die Vergütung von EEG-Strom im gesetz­lichen Regelfall der sog. „geför­derten Direktvermarktung“:

Was ist der „anzule­gende Wert“?

Die Bundes­netz­agentur schreibt gesetzlich bestimmte Mengen an EEG-Strom aus. Unter­nehmen, die EEG-Anlagen bauen wollen, bieten einen bestimmten anzule­genden Wert. Den Zuschlag bekommen die Gebote mit dem niedrigsten anzule­genden Wert in aufstei­gender Reihen­folge. Dieser Zuschlag garan­tiert den Unter­nehmen, dass sie für ihren Strom auf jeden Fall über 20 Jahre diesen anzule­genden Wert erhalten. Es handelt sich also um einen Mindestwert. Faktisch kalku­lieren Unter­nehmen aber mit deutlich höheren Erlösen für ihre Produktion am Markt. Sinn ergibt der anzule­gende Wert aber trotzdem, weil er den Zugang zu Finan­zie­rungen erleichtert. Um eine Vorstellung von der Höhe der anzule­genden Werte zu gewinnen: In den Ausschrei­bungs­runden 2022 für Windenergie an Land betrug der höchste Gebotswert, der einen Zuschlag erhalten hat, 5,88 Cent/kWh. Mehr wäre auch gar nicht zulässig gewesen. Da nützt dann auch das 1% Sicher­heits­zu­schlag nicht mehr, dass Betreibern bleiben soll, die nach § 18 des Entwurfs per PPA vermarkten: Nimmt der Staat – genauer gesagt  der Netzbe­treiber – 90% der Erlöse oberhalb dieser Marke, so verkauft ein Windpark­be­treiber faktisch ab dem 1. Januar 2023 oft zu 6 – 7 Cent/kWh. Dies gilt übrigens nicht nur dann, wenn ein Betreiber sich überhaupt an diesen Auktionen beteiligt hat. Auch Unter­nehmen, die von vornherein auf Förderung verzichtet und sich allein auf den Markt verlassen haben, müssen ihre Erlöse nun oberhalb des Wertes abführen, der gelten würde, wenn sie in die geför­derte Direkt­ver­marktung wechseln.

Statt 18 Cent/kWh, die die EU verlangt, lässt die Bundes­re­publik dem Windpark­be­treiber also nur etwa ein Drittel.

Ob das recht­mäßig ist? Zweifel gibt es in vielfacher Hinsicht. Da die EU eine so rigide Abschöpfung ja gar nicht verlangt, kann sich der deutsche Gesetz­geber nicht hinter der EU verstecken. Statt­dessen muss Deutschland sich fragen lassen, ob diese Form der Abschöpfung wirklich so diskri­mi­nie­rungsfrei ist, wie die VO 2022/1854 es verlangt. Viel spricht dafür, dass dem gerade nicht so ist, und die Abschöpfung das Vertrauen des Marktes in Inves­ti­tionen in Erneu­erbare drastisch erschüttert. Dass Eigen­tums­rechte und Berufs­aus­übungs­rechte ebenso wie der Gleich­heitssatz verletzt sein könnten, wird aktuell ebenfalls breit disku­tiert. Und ist der Weg des Geldes von den Anlagen­be­treibern bis zu den Letzt­ver­brau­chern wirklich so staatsfrei, dass die Finanz­ver­fassung mit ihrem sog. Steuer­fin­dungs­verbot gar keine Bedeutung hat?

Fest steht schon jetzt: Ob es mit der Abschöpfung seine Richtigkeit hat, wird sicher den Weg zu Gerichten finden. Wir sind skeptisch, ob das so alles gemein­schafts- wie verfas­sungs­rechtlich stimmen kann. Politisch dürfte aber schon jetzt feststehen, dass die Ampel mit ihrer Ankün­digung, Inves­ti­tionen in Erneu­erbare zu fördern, mit diesem Geset­zes­entwurf gescheitert sein dürfte (Miriam Vollmer).

 

2022-11-25T23:04:54+01:0025. November 2022|Energiepolitik, Erneuerbare Energien, Strom|