Strompreisbremse rasiert Erneuerbare Energien
Ab dem 1. Januar 2023 soll entlastet werden, so der Kabinettsentwurf für die Strompreisbremse von heute. Finanziert werden sollen die Entlastungen v. a. durch die Abschöpfung sog. „Überschusserlöse“, also von Erlösen, die nur deswegen so stattlich ausfallen, weil die oft preisbildende Stromproduktion aus Erdgas sich drastisch verteuert hat. Dass diese abgeschöpft werden sollen, ist eine EU-Vorgabe und ergibt sich aus der Verordnung (EU) 2022/1854 vom 6. Oktober 2022. Hier heißt es nämlich in Art. 6 Abs. 1:
„Die Markterlöse, die Erzeuger für die Stromerzeugung aus den in Artikel 7 Absatz 1 genannten Quellen erzielen, werden auf höchstens 180 EUR je MWh erzeugter Elektrizität begrenzt.“
Abgeschöpft werden soll laut EU bei Erneuerbaren, Atomkraftwerken, Braunkohle und Heizöl. Ob die Mitgliedstaaten auch bei Steinkohle abschöpfen wollen, steht ihnen frei, Art. 8 Abs. 1 d. Wie genau die Mitgliedstaaten die Abschöpfung vornehmen, lässt die Verordnung ansonsten weitgehend offen. Klar ist nach Art. 8 Abs. 2 aber, dass die Abschöpfungverhältnismäßig und diskriminierungsfrei sein soll, Investitionssignale nicht gefährden und die Investitions- und Betriebskosten decken soll.
Klingt gut, finden Sie? Nun, der aktuelle Kabinettsentwurf sieht ganz anders aus. Für die Erneuerbaren Energien, die doch an sich mit dem ehrgeizigen EEG 2023 gefördert werden sollen, um als Bundesrepublik 2045 netto null zu emittieren, sieht es danach nicht gut aus.
Zunächst ist von den europäischen 180 EUR/MWh im deutschen Entwurf nicht die Rede. § 16 Abs. 1 Nr. 1 des Entwurfs kappt die Erlöse nicht etwa oberhalb von diesen 18 Cent/kWh, sondern erklärt den „anzulegenden Wert“ plus eines Sicherheitszuschlags schlankerhand zur Obergrenze dessen, was ein Anlagenbetreiber erlösen darf. Dieser Mechanismus führt aber dazu, dass die meisten betroffenen Anlagen eine viel, viel niedrigere Obergrenze für den Erlös haben, als in der EU-Verordnung vorgesehen. Denn der anzulegende Wert ist keineswegs der „richtige“ Strompreis für EEG-Anlagen. Es handelt sich vielmehr um eine Art Untergrenze für die Vergütung von EEG-Strom im gesetzlichen Regelfall der sog. „geförderten Direktvermarktung“:
Was ist der „anzulegende Wert“?
Die Bundesnetzagentur schreibt gesetzlich bestimmte Mengen an EEG-Strom aus. Unternehmen, die EEG-Anlagen bauen wollen, bieten einen bestimmten anzulegenden Wert. Den Zuschlag bekommen die Gebote mit dem niedrigsten anzulegenden Wert in aufsteigender Reihenfolge. Dieser Zuschlag garantiert den Unternehmen, dass sie für ihren Strom auf jeden Fall über 20 Jahre diesen anzulegenden Wert erhalten. Es handelt sich also um einen Mindestwert. Faktisch kalkulieren Unternehmen aber mit deutlich höheren Erlösen für ihre Produktion am Markt. Sinn ergibt der anzulegende Wert aber trotzdem, weil er den Zugang zu Finanzierungen erleichtert. Um eine Vorstellung von der Höhe der anzulegenden Werte zu gewinnen: In den Ausschreibungsrunden 2022 für Windenergie an Land betrug der höchste Gebotswert, der einen Zuschlag erhalten hat, 5,88 Cent/kWh. Mehr wäre auch gar nicht zulässig gewesen. Da nützt dann auch das 1% Sicherheitszuschlag nicht mehr, dass Betreibern bleiben soll, die nach § 18 des Entwurfs per PPA vermarkten: Nimmt der Staat – genauer gesagt der Netzbetreiber – 90% der Erlöse oberhalb dieser Marke, so verkauft ein Windparkbetreiber faktisch ab dem 1. Januar 2023 oft zu 6 – 7 Cent/kWh. Dies gilt übrigens nicht nur dann, wenn ein Betreiber sich überhaupt an diesen Auktionen beteiligt hat. Auch Unternehmen, die von vornherein auf Förderung verzichtet und sich allein auf den Markt verlassen haben, müssen ihre Erlöse nun oberhalb des Wertes abführen, der gelten würde, wenn sie in die geförderte Direktvermarktung wechseln.
Statt 18 Cent/kWh, die die EU verlangt, lässt die Bundesrepublik dem Windparkbetreiber also nur etwa ein Drittel.
Ob das rechtmäßig ist? Zweifel gibt es in vielfacher Hinsicht. Da die EU eine so rigide Abschöpfung ja gar nicht verlangt, kann sich der deutsche Gesetzgeber nicht hinter der EU verstecken. Stattdessen muss Deutschland sich fragen lassen, ob diese Form der Abschöpfung wirklich so diskriminierungsfrei ist, wie die VO 2022/1854 es verlangt. Viel spricht dafür, dass dem gerade nicht so ist, und die Abschöpfung das Vertrauen des Marktes in Investitionen in Erneuerbare drastisch erschüttert. Dass Eigentumsrechte und Berufsausübungsrechte ebenso wie der Gleichheitssatz verletzt sein könnten, wird aktuell ebenfalls breit diskutiert. Und ist der Weg des Geldes von den Anlagenbetreibern bis zu den Letztverbrauchern wirklich so staatsfrei, dass die Finanzverfassung mit ihrem sog. Steuerfindungsverbot gar keine Bedeutung hat?
Fest steht schon jetzt: Ob es mit der Abschöpfung seine Richtigkeit hat, wird sicher den Weg zu Gerichten finden. Wir sind skeptisch, ob das so alles gemeinschafts- wie verfassungsrechtlich stimmen kann. Politisch dürfte aber schon jetzt feststehen, dass die Ampel mit ihrer Ankündigung, Investitionen in Erneuerbare zu fördern, mit diesem Gesetzesentwurf gescheitert sein dürfte (Miriam Vollmer).