Die Gasumlage ist tot – es lebe das Superpreis-anpassungsrecht?

Die heiß disku­tierte Gasbe­schaf­fungs­umlage ist weg noch bevor Sie zum Tragen kam (wir berich­teten). Aber entfällt damit jede Preis­stei­gerung durch erhöhte Gasim­port­kosten? Ganz so einfach ist es nicht, denn die Gasbe­schaf­fungs­umlage nach § 27 EnSiG sollte ja der Ersatz für das „Super­preis­an­pas­sungs­recht“ nach § 24 EnSiG sein und die nach § 24 EnSiG möglichen Kosten­stei­ge­rungen gleich­mä­ßiger auf alle Verbraucher verteilen. Aber der § 27 EnSiG, der die Anwendung des Super­preis­an­pas­sungs­rechtes nach § 24 EnSiG geperrt hat ist nun entfallen – und damit lebt die Möglichkeit der Preis­an­passung nach § 24 EnSiG wieder auf.

Zu Regelungs­gehalt des § 24 EnSiG hatten wir hier schon einmal etwas geschrieben. Die Norm erlaubt kurzfristige Preis­er­hö­hungen unabhängig von vertrag­lichen Preisanpassungsrechten.

Voraus­setzung für eine „Scharf­stellung“ des § 24 EnSiG ist neben der bereits erfolgten Ausrufung der Alarm­stufe oder der Notfall­stufe durch das Bundes­mi­nis­terium für Wirtschaft und Klima­schutz die „Feststellung“ der Bundes­netz­agentur, „dass eine erheb­liche Reduzierung der Gesamt­ga­sim­port­mengen nach Deutschland vorliegt“. Eine solche Feststellung der Bundes­netz­agentur liegt bisher nicht vor und es kann sein, dass Gesetz­geber und Behörde diese formale feststellung nicht zu treffen beabsich­tigen, um die genannten Folgen des § 24 EnSiG zu vermeiden.

Hier stellt sich die Frage, ob die BNetzA nicht gezwungen ist zumindest im Rahmen der Ausübung ihres pflicht­ge­mäßen Ermessens zu prüfen, ob die Voraus­set­zungen der Feststellung nach § 24 EnSiG objektiv vorliegen und ob Markt­teil­nehmer insoweit auch ggf. auf Vornahme dieser Feststellung unter Verweis auf die objek­tiven Gegeben­heiten klagen könnten.

(Christian Dümke)

2022-10-17T21:42:51+02:0017. Oktober 2022|Energiepolitik, Gas|

Achtung, die AVBFern­wärmeV wird (ein bisschen) abweichungsfest

Für die Versorgung mit Fernwärme gilt mit der AVBFern­wärmeV ein gerade für das schnel­lebige Energie­recht erstaunlich beständige Norm: Seit Inkraft­treten im Jahre 1980 hat sie sich im Wesent­lichen so erhalten wie ursprünglich erlassen. Erst 2021 kam es zu mehr als nur kosme­ti­schen Änderungen. Nun aber will das Bundes­wirt­schafts­mi­nis­terium tiefer in die Verordnung eingreifen. Zu den Änderungen, die nun neu in die AVB implan­tiert werden sollen, gehört auch erstmals eine Diffe­ren­zierung nach Kunden­gruppen. Bisher kennt die AVBFern­wärme nämlich nur nicht erfasste Indus­trie­kunden und alle anderen, für die sie unter­schiedslos gilt, wenn die sonstigen Bedin­gungen vorliegen. Das ist künftig anders, auch im Zusam­menhang mit der wichtigen Abwei­chungs­re­gelung in § 1 Abs. 3 AVBFern­wärmeV.

Bislang ist es hier so: Man darf von den Regelungen der AVBFern­wärmeV in den §§ 2 bis 34 abweichen, wenn der Versorger neben dem Vertrag, mit dem abgewichen werden soll, auch einen AVBFern­wärmeV-konformen Vertrag vorlegt. Künftig soll das in dieser Form nur noch bei Kunden möglich sein, die keine Verbraucher sind, also vor allem Gewer­be­kunden. Gegenüber Verbrau­chern ist unter diesen Bedin­gungen die Abwei­chung vom AVBFern­wärmeV-Standard nur noch möglich, wenn die Abwei­chung nicht zum Nachteil des Kunden ausschlägt, was den heute üblichen Verträgen entge­gen­stehen würde, die oft einen günsti­geren Preis einräumen gegen Übernahme von mehr oder anderen Pflichten als in der AVBFern­wärmeV vorgesehen.

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Sofern diese Regelung also in dieser Form in Kraft tritt, müssen Versorger ihr Vertrags­ma­nagement anpassen. Dies gilt auch und insbe­sondere für Contrac­ting­ver­träge, die der AVBFern­wärmeV unter­fallen. Zwar sind und bleiben Indivi­du­al­ver­träge weiterhin möglich, wenn Klauseln eben nicht für eine Vielzahl von Verträgen vorfor­mu­liert sind, wie § 1 Abs. 1 AVBFern­wärmeV dies verlangt. Doch wie aus dem Kontext des rechts Allge­meiner Geschäfts­be­din­gungen bekannt ist: Das sind seltene Fälle. (Miriam Vollmer)

 

2022-10-14T20:09:39+02:0014. Oktober 2022|Vertrieb, Wärme|

Die Gemein­de­rats­sitzung mit Claqueuren

Gemein­de­rats­sit­zungen unter­liegen dem Grundsatz der Öffent­lichkeit, der eine Ausprägung des Demokra­tie­prinzips auf kommu­naler Ebene ist. Um das mal zu veran­schau­lichen: Sagen wir, durch eine deutsche Großstadt führt eine Bundes­straße, die zu einer Autobahn ausgebaut werden soll. Bei der Gemein­de­rats­sitzung in der die Sache auf der Tages­ordnung steht, wird entspre­chend Andrang erwartet, so dass die Verwaltung beschließt, Eintritts­karten zu vergeben. Zum Teil werden die an die im Gemein­derat vertre­tenen Parteien nach Proporz vergeben, zur Weiter­ver­teilung an Inter­es­sierte, zum Teil an die Presse, zum Teil an den Bürger­meister und andere Funkti­ons­träger. Am Ende können unter anderem vier Mitglieder einer Bürger­initiative kommen, die für den Ausbau ist, die Bürger­initiative, die sich dagegen ausspricht, geht dagegen leer aus.

So geschehen im November 2015 in Gelsen­kirchen. Das dortige Verwal­tungs­ge­richt hatte auf die Klage einer Ratsfraktion hin, zunächst die Gemein­de­rats­be­schlüsse für unwirksam erklärt, da sie unter Verletzung des Öffent­lich­keits­grund­satzes zustan­de­ge­kommen seien. Denn die Vergabe der Eintritts­karten sei willkürlich gewesen, bzw. es sei zu einer gezielten Steuerung der politisch vertre­tenen Meinungen im Zuschau­erraum gekommen. In Folge könne eine Beein­flussung bei der Abstimmung der einzelnen Ratsmit­glieder und Fraktionen nicht ausge­schlossen werden.

Gegen diese Entscheidung wurde zunächst Berufung beim OVG Münster und schließlich Revision beim Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt eingelegt. Diese Gerichte haben dem Verwal­tungs­ge­richt grund­sätzlich zugestimmt, dass es zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Sitzungs­öf­fent­lichkeit gekommen ist. Aller­dings seien die Beschlüsse dadurch nicht unwirksam geworden. Denn die Verletzung des Öffent­lich­keits­grund­satzes führt nach Auffassung der Gerichte nur bei schweren Verstößen zur Unwirk­samkeit der gefassten Beschlüsse. So etwa wenn überhaupt keine Sitzungs­öf­fent­lichkeit herge­stellt wird. Bei der streit­ge­gen­ständ­lichen Gemein­de­rats­sitzung war aber immerhin ein Teil der Eintritts­karten frei an inter­es­sierte Bürger ohne Ansehung der Person vergeben worden. Daher hatte die Einschränkung der Sitzungs­öf­fent­lichkeit letztlich keine Folgen für die gefassten Beschlüsse. 

Für Kommunen bedeutet diese Recht­spre­chung, dass bei der Vergabe knapper Plätze für die Öffent­lichkeit möglichst nach Kriterien vergeben werden sollen, die Chancen­gleichheit sicher­stellen. Etwa „first come, first serve“ (Olaf Dilling).

2022-10-13T23:44:58+02:0013. Oktober 2022|Rechtsprechung, Verwaltungsrecht|