Unter Masken

Nachdem das Tragen von Masken sich schon schlei­chend im buchstäb­lichen Sinn gelockert hatte und ihr Stoff vielfach lässig Richtung Kinn gerutscht war, haben die Mund-Nasen-Bedeckungen aktuell wieder Konjunktur. Das zeigte sich neulich im ICE auf dem Weg von einem auswär­tigen Gerichts­termin. Die Hinweise auf die Trage­pflicht häufen sich wieder, das Auge des Gesetzes bewegte sich in Form einer unifor­mierten Polizistin mit Dienst­mütze durch den Gang der Großraum­ab­teile und tatsächlich sind mir – anders als noch vor ein paar Wochen – keine Passa­giere ohne Masken mehr aufgefallen.

Dieser Tage sind Masken aber auch deshalb wieder ein Thema, weil in vielen Bundes­ländern wie Schleswig-Holstein, Hamburg, Berlin und Brandenburg die Schulen wieder geöffne haben. Wie zu erwarten war, gibt es hier länder­spe­zi­fische Regelungen: Während in Hamburg in den Gängen und auf dem Pausenhof die Masken­pflicht gilt, gibt es in Berlin und Schleswig-Holstein bisher nur Empfeh­lungen seitens des Bildungs­s­res­sorts und die Möglichkeit der Schulen bzw Schul­klassen, indivi­duell Regeln auszu­handeln. Am Arbeits­platz selbst können Schüler in den meisten Bundes­ländern ihre Masken ablegen.

Auch an den Verwal­tungs­ge­richten ist die Masken­pflicht beim Einkaufen oder im öffent­lichen Verkehr immer mal wieder Thema. Zuletzt hat sich Ende Juli das Oberver­wal­tungs­ge­richt (OVG) Münster damit befasst. Der Antrag­steller in einem Eilver­fahren hatte hervor­ge­bracht, dass Masken unwirksam oder sogar gefährlich seien. Sie würden eine Virus­über­tragung beim Husten nicht verhindern, würden ihre Träger in falscher Sicherheit wiegen, so dass Abstände nicht einge­halten würden. Außerdem seien Einweg­masken oft mit gesund­heits­schäd­lichen Chemi­kalien belastet.

Das OVG hielt dagegen, dass eine Mund-Nasen-Bedeckung nach Auffassung des Robert-Koch-Instituts geeignet sei, eine Filter­wirkung sowohl auf Tröpfchen als auch auf Aerosole entfalten und dadurch die Ausscheidung von Viren zu verringern. Dass es in der Wissen­schaft andere Meinungen gäbe, steht der Wertung des Verord­nung­gebers aufgrund seiner Einschät­zungs­prä­ro­gative nicht im Weg. Auch dass eine Mund-Nasen-Bedeckung keinen absoluten Schutz biete, sei hinrei­chend bekannt, so dass das Tragen mit der  Einsicht in die Notwen­digkeit von Abstands­regeln vereinbar sei. Hinsichtlich der angeb­lichen giftigen Chemi­kalien gelten die selben Regeln wie für andere Kleidungs­stücke. Es sei jeden­falls möglich, sich Alter­na­tiven zu suchen ohne entspre­chende Belas­tungen (Olaf Dilling).

2020-08-10T21:47:19+02:0010. August 2020|Allgemein, Verwaltungsrecht|

Mehrzu­teilung für Kapazi­täts­er­wei­terung: Zu EuGH, C‑189/19

Die Regeln für Mehrzu­tei­lungen für Kapazi­täts­er­wei­te­rungen der dritten Handel­s­pe­riode des EU-Emissi­ons­handels sind berüchtigt kompli­ziert und werden mit gutem Grund nicht weiter­ge­führt. Dass sie eine Vielzahl von recht­lichen Unsicher­heiten nach sich gezogen haben, ist angesichts dessen nicht erstaunlich. Zumindest eine der vielen Fragen rund um Mehrzu­tei­lungen auf Grundlage der Zutei­lungs­ver­ordnung 2020 (ZuV 2020) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Entscheidung vom 14. Mai 2020 (C‑189/19) auf eine Vorlage des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts (BVerwG 7 C 10.17) hin entschieden.

In dem Verfahren ging es um eine Anlage zur Herstellung von Zement. Diese war 2007 und 2008 ausgebaut worden. Für diese kumulative Kapazi­täts­er­wei­terung beantragte der Betreiber im Rahmen des Zutei­lungs­ver­fahrens für die dritte Handel­s­pe­riode 2013 bis 2020 eine Zuteilung als Kapazi­täts­er­wei­terung nach § 8 Abs. 8 Satz 1 ZuV 2020. Natürlich beantragte er auch eine Zuteilung für den Bestandsteil des Zutei­lungs­ele­ments. Hier hatten Betreiber 2011 die Wahl: Als Bezugs­zeitraum kamen entweder die Jahre 2005 bis 2008 in Betracht. Oder die Jahre 2009 und 2010. Der Betreiber entschied sich für 2009 und 2010.

Die DEHSt lehnte die Zuteilung für die geltend gemachte Kapazi­täts­er­wei­terung indes ab: Die Voraus­set­zungen der Norm würden nicht vorliegen, denn die Kapazi­täts­er­wei­terung müsste in dem Bezugs­zeitraum liegen. Der Betreiber dagegen meinte, schon das Wahlrecht als solches wäre europa­rechts­widrig. Außerdem hätte die Behörde von sich aus den für den Betreiber günsti­geren Zeitraum wählen müssen.

Nachdem das Verwal­tungs­ge­richt (VG) Berlin die Klage abgewiesen hatte, legte das BVerwG vor und fragte sinngemäß, ob gem. Art. 9 Abs. 9 des Beschlusses 2011/278/EU die Frage, ob die Kapazi­täts­er­wei­terung in den gewählten Bezugs­zeitraum fällt, überhaupt relevant sein darf. Weiter wollte es wissen, ob dann, wenn die Kapazi­täts­er­wei­terung im Bezugs­zeitraum schon läuft, die ihr zuzurech­nenden Produk­ti­ons­mengen aus der der Zuteilung zugrunde liegenden Menge heraus­zu­rechnen sind. Und außerdem stellte das BVerwG zur Diskussion, ob es überhaupt ein Wahlrecht des Betreibers bezogen auf den Bezugs­zeitraum geben darf oder ob nicht der Mitglied­staat – sprich: die DEHSt – entscheiden kann bzw. muss. Eine weitere Frage drehte sich um den sektor­über­grei­fenden Korrek­tur­faktor (der einen eigenen Beitrag in der kommenden Woche wert ist).

Der EuGH hat sich nun geäußert und die Position der deutschen Gerichte bestätigt: Auch nach Luxem­burger Richtern gibt es nur dann eine Zuteilung, wenn die Kapazi­täts­er­wei­terung in und nicht vor den gewählten Bezugs­zeitraum fällt. Ansonsten käme es zu einer Doppel­zu­teilung, weil dieselben Produk­ti­ons­mengen einmal im Rahmen der Kapazi­täts­er­wei­terung und noch einmal als Produktion des Bestands­teils des Zutei­lungs­ele­ments berück­sichtigt würden. Doch ist dies wirklich überzeugend? Schließlich wäre es an sich kein Problem, diese Mengen bei der Bestands­zu­teilung abzuziehen.

Auch in Hinblick auf die Frage, wer den Bezugs­zeitraum bestimmt, ist der EuGH ganz bei VG und BVerwG. Das Wahlrecht sei gemein­schafts­rechts­konform und es sei Sache des Anlagen­be­treibers, den für ihn richtigen Zeitraum zu bestimmen. Das klingt nun erst einmal einleuchtend. Aber gibt es nicht mit gutem Grund im Verwal­tungs­ver­fah­rens­recht Hinweis- und Beratungs­pflichten bei der Antrag­stellung? Die Regeln für die Zuteilung sind neu, sie sind reichlich kompli­ziert, wieso kann nicht die Behörde, die die Daten vor sich hat, mit einem Klick eine Vergleichs­be­rechnung anstellen und eine Antrags­än­derung anregen?

Was bleibt von dieser Entscheidung? Für die Zukunft gibt es schließlich die zugrunde liegenden Regeln für die Zuteilung für Kapazi­täts­er­wei­te­rungen so nicht mehr. Doch in jedem Fall wird immer klarer: Der Betreiber ist mit der Verant­wortung für seine Zuteilung allein, die Behörde muss ihn nicht unter­stützen (Miriam Vollmer).

2020-08-07T15:56:09+02:007. August 2020|Emissionshandel, Industrie, Verwaltungsrecht|

Natur­schutz­recht: „Quäle nie ein Nest…“

Ein bekanntes Beispiel dafür, dass der Gesetz­geber sich die Rechts­sprache nach seinen Vorstel­lungen zurecht definiert, ist der Begriff des „Tiers“ in der Bundes­wild­schutz­ver­ordnung (BWildSchV). Denn nach § 1 Abs. 2 BWildSchV sind nicht nur lebende und tote Tiere gemeint und ihre erkenn­baren Teile, sondern auch Eier und sogar Nester. Was den Rechts­his­to­riker und Verfasser populärer Werke über das Rechts­system Uwe Wesel veran­lasste, über die Unver­ständ­lichkeit der Rechts­sprache zu räsonieren und den Studen­tenwitz zu zitieren: „Quäle nie ein Nest zum Scherz, denn es spürt wie Du den Schmerz“.

Tatsächlich ist es vielen Menschen nicht klar, dass neben allen in Europa wildle­benden Vogel­arten nach der Vogel­schutz-Richt­linie und entspre­chend § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG auch deren Fortpflan­zungs- und Ruhestätten. Das bedeutet, dass das selbst Nest einer häufig vorkom­menden Ringel­taube aus natur­schutz­recht­lichen Gründen nicht oder nur mit erheb­lichen bürokra­ti­schen Aufwänden beseitigt werden kann. Und der Schutz erstreckt sich auch auf Bäume, in denen Vögel regel­mäßig rasten oder brüten. Dies gilt nicht nur saisonal, obwohl hier die besondere, auch dem Vogel­schutz dienende Vorschrift des § 39 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG greift, nach der Bäume und Gehölze vom 1. März bis zum 30. September nicht gefällt, bzw. gerodet werden dürfen.

Gerade jetzt im Hochsommer ist immer wieder Thema, was für Einschrän­kungen das Natur­schutz­recht eigentlich beinhaltet, wenn es um lästige Insekten geht. Bekann­ter­maßen sind Hornissen ebenso wie alle wildle­benden Bienen- und Hummel­arten besonders geschützt. Die furcht­ein­flößend großen Hornissen sind glück­li­cher­weise weniger versessen auf Süßes und weniger aggressiv als ihre kleineren Schwestern, die „gemeinen“ Wespen. Wenn die Besei­tigung ihres Nestes nötig wird, muss wegen ihres Schutz­status bei der Natur­schutz­be­hörde eine Geneh­migung eingeholt werden (Olaf Dilling).

2020-08-06T21:12:04+02:006. August 2020|Naturschutz|