Der CSCF und die Kapazitätsverringerung: Zu VG Berlin, (VG 10 L 177/20)
Immer Ärger mit dem sektorübergreifenden Korrekturfaktor (CSCF): In einem Eilverfahren hatte sich das Verwaltungsgericht (VG) Berlin mit der Frage zu beschäftigen, ob der neu berechnete höhere CSCF nach einer Kapazitätsverringerung auf die gesamte neu berechnete Zuteilung nach der Kapazitätsverringerung anzuwenden ist.
Zum Hintergrund: Das Regelwerk für die laufende 3. Handelsperiode lässt die Möglichkeit zu, Zuteilungen anteilig zu kürzen, wenn ansonsten nach Anwendung der Zuteilungsregeln mehr Emissionsberechtigungen zugeteilt werden müssten, als zur Verfügung stehen. Ob und wie hoch diese Kürzung, der CSCF, ausfällt, hatte die Europäische Kommission zu berechnen.
Schon früh rügten Anlagenbetreiber, dass die Berechnung durch die Kommission nicht nachvollziehbar ist, und das Wenige, was man weiß, dafür spricht, dass ihr Berechnungsfehler unterlaufen sind. Dies sah schlußendlich auch der EuGH so, dessen Urteil (Az. C‑191/14, C‑192/14, C‑295/14, C‑389/14 und C‑391/14 bis C‑393/14) allerdings nur einen kleinen Teil der bestehenden Kritikpunkte aufgearbeitet hat, weil andere, relevante Punkte in den ersten Vorlageverfahren gar nicht aufgeworfen wurden. Auf dieser verkürzten Grundlage kam der EuGH zu der überraschenden Position, der CSCF sei nicht zu hoch – wie die Betreiberseite bis heute meint – sondern zu niedrig berechnet worden. Die Kommission rechnete also neu und kam zu einem erhöhten neuen CSCF (Beschl. 2017/126). Die Erhöhung fiel auch nicht gerade knapp aus: Nun gelten 10,8% bis 22% statt bisher 5,7% bis 17,6%. Immerhin: Auf bestandskräftige Zuteilungen sollte er nicht angewendet werden.
In dem nun zumindest erstinstanzlich entschiedenen Sachverhalt ging es aber nicht um eine zusätzliche Zuteilung. Im Gegenteil: Gem. § 19 ZuV 2020 lag eine wesentliche Kapazitätsverringerung vor, die zu einer Kürzung der Zuteilung führte. Wesentliche Kapazitätsverringerungen sind § 2 Nr. 25 ZuV 2020 physische Änderungen an Anlagen, die zu mehr als 10% Veränderung gegenüber der installierten Anfangskapazität einer Anlage führen, wobei diese im aktuellen Emissionshandelsrecht auslastungs- und nicht kapazitätsbezogen zu verstehen ist. Um so mehr stellte sich deswegen die Frage, ob und wie der neue hohe CSCF nun anzuwenden ist. Die DEHSt griff zur denkbar weitesten Auslegung: Sie wandte den neuen CSCF auf die gesamte Zuteilung, nicht einmal begrenzt auf das jeweils betroffene Zuteilungselement an.
Diese Vorgehensweise hat das VG Berlin nun im Eilverfahren – bekanntlich neigt sich die Handelsperiode ihrem Ende zu – bestätigt. Art. 21 Abs. 2 und Art. 10 Abs. 9 des Benchmark-Beschlusses 2011/278/EU würden ausdrücklich vorsehen, dass die endgültige Jahresgesamtmenge neu berechnet wird. Der Vertrauensschutz, den der EuGH in seiner Entscheidung zum CSCF noch so hochgehalten hatte, würde in dieser Situation deswegen nicht greifen.
Im Ergebnis überzeugt die Entscheidung nicht nur deswegen nicht. Sie lässt auch außer acht, dass der Dreh- und Angelpunkt der Zuteilung nicht die Anlage insgesamt ist, sondern das jeweilige Zuteilungselement. Schließlich wird auch die Kapazitätsverringerung selbst am Zuteilungselement festgemacht, nicht an der Anlage und ihrer Zuteilung insgesamt. Insofern bleibt durchaus kritisch abzuwarten, ob die Praxis der Behörde sich letztlich durchsetzt (Miriam Vollmer).