Wenn ein Kunde nicht zahlt: Zu BGH VIII ZR 289/19
Eine interessante Entscheidung zu pauschalen Inkassokosten in AGB von Energieversorgern hat der 8. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) am 10. Juni 2020 getroffen. In aller Kürze: Pauschalbeträge, die den eigenen allgemeinen Verwaltungsaufwand des Versorgers einbeziehen, sind auch im Konzern überhöht und unwirksam.
Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde: In den AGB eines städtischen Gasversorgers tauchte als Posten ein Preis von 34,15 EUR für die – ebenfalls per AGB geregelte – Einschaltung eines externen Inkassodienstleisters auf. Tatsächlich erhielten säumige Kunden am Ende Post von einem Inkassobüro. Dieses wurde aber nicht vom Versorger selbst, sondern von einem verbundenen Unternehmen beauftragt. In die 34,15 EUR floss deswegen nicht allein das reine Entgelt des externen Dienstleisters ein. Sondern auch IT- und Personalkosten des zwischengeschalteten Konzernunternehmens. Dies wiederum verärgerte den vzbv, der deswegen Klage erhob.
Noch das OLG München als Berufungsgericht hatte am 18. Oktober 2018 die Klausel als wirksam angesehen. Zum einen meinte das OLG, dass auch bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung jedem klar sei, dass diese 34,15 EUR nicht schon bei reinen Zahlungsaufforderungen anfallen. Zum anderen seien die 34,15 EUR auch nicht überhöht, weil die (im Verbundunternehmen) eigenen Verwaltungskosten über das normale Maß hinausgehen würden. Es handele sich nicht mehr um – im schönsten Juristendeutsch – „typischerweise zu erbringende Mühewaltung“.
Dies sah der BGH nun anders. Nach Ansicht des BGH hat das Berufungsgericht die Sache offenbar von vorn bis hinten falsch bewertet. Es handelt sich nach Ansicht des BGH nämlich schon nicht um eine Pauschale, bei der jedem klar sei, dass sie nur für Hausbesuche, aber nicht für Aufforderungsschreiben gilt. Außerdem sei die Pauschale intransparent. Zudem gelte das (bekannte) Verbot, eigene Rechtsverfolgungskosten zu wälzen, auch für Kosten im Konzern.
Wichtig, wenn auch absolut nicht neu, ist die Erinnerung des BGH an den Umstand, dass der Maßstab für das Verständnis einer Klausel ein juristischer Laie sein muss und gerade nicht der Experte. Daran schließt der Senat eine bodenständige Auslegung der Vertragsklausel. Anschließend exerziert der Senat § 309 Nr. 5 Buchst. a BGB schulmäßig einmal durch: Erlegt die Klausel dem Kunden mehr als den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden auf? Hier kommt das Gericht zum Ergebnis, dass die Kosten, die im Konzern entstehen, nicht in die Pauschale gehören. Der Gesetzgeber habe eigene außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten nur für ausnahmsweise und eben nicht für regelmäßig ersatzfähig erklärt. Zu deutsch: Dieser Aufwand ist Sache des Versorgers, egal wo im Konzern er anfällt. Zudem verschleiere die diesbezüglich zu unbestimmte Klausel, dass auch nicht der Rechtsverfolgung dienende Kosten wie die Sperrkosten eingeflossen sind.
Was bedeutet die Entscheidung nun für die Praxis? Versorger müssen ihre Inkassopauschalen ansehen. Ist klar, für welche Fälle sie gelten? Ist transparent, was einfließt? Und ist auch gewährleistet, dass wirklich nur externe Kosten pauschaliert weitergegeben werden? Wenn nicht, steht nun dringend eine Änderung an (Miriam Vollmer).