Wasser­recht: Die übergangene Richtlinie

Dass bei der Planung von Bundes­au­to­bahnen auch wasser­recht­liche Fragen eine Rolle spielen, dürfte nachvoll­ziehbar sein. Denn immerhin ist mit dem Bau ein starker Eingriff in das Grund­wasser und zahlreiche Oberflä­chen­ge­wässer verbunden. Zudem wird eine erheb­liche Fläche Boden versiegelt, so dass sich bei Regen Nieder­schlags­wasser sammelt, das nach § 54 Wasser­haus­halts­gesetz (WHG) auch als Abwasser zu werten und zu behandeln ist.

Dass aller­dings auch die europäi­schen Vorgaben des Wasser­rechts zu beachten sind, ist noch nicht so klar. Insbe­sondere die Wasser­rah­men­richt­linie (WRRL) macht insofern strengen Vorgaben bezüglich der Verschlech­terung des Gewäs­ser­zu­stands. Aus einer Entscheidung des Europäi­schen Gerichtshofs (EuGH) zur Weser­ver­tiefung von 2015 ergibt sich nämlich das Erfor­dernis: Vor der Geneh­migung von belie­bigen Projekten, die sich auf einzelne Wasser­körper auswirken, muss eine Überprüfung anhand bestimmter europa­rechtlich vorge­ge­benen Kriterien stattfinden.

In Bezug auf den Bau der Autobahn A 49 in Hessen hat das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) nun aber entschieden, dass die Anfor­de­rungen doch nicht so hoch sind: In dem entschie­denen Fall wurden die Anfor­de­rungen der WRRL im Planfest­stel­lungs­be­schluss  noch nicht berück­sichtigt. Dennoch hat das Gericht die Klage dagegen abgewiesen. Denn die „flexiblen Regeln des deutschen Wasser­haus­halts­ge­setzes“ würden hinrei­chend Möglichkeit bieten, um die wasser­recht­lichen Vorgaben des Unions­recht letzt­endlich einzu­halten (Olaf Dilling).

2020-06-30T18:27:16+02:0030. Juni 2020|Umwelt, Verkehr, Wasser|

Kohle­aus­stieg: Ist der öffentlich-recht­liche Vertrag mit den Braun­koh­le­un­ter­nehmen tatsächlich ein Meilenstein?

Dass der Kohle­aus­stieg kommt, ist abgemachte Sache. Wie er aussehen soll, ist durch die Kohle­kom­mission bereits vorbe­reitet worden. Die konkrete Umsetzung ist momentan jedoch noch in vollem Gange. Während der Geset­zes­entwurf zum Ausstieg aus der Kohle bereits am 29.01.2020 vom Kabinett beschlossen wurde und derzeit im Bundestag beraten wird, hat das Bundes­ka­binett letzten Mittwoch nun dem flankie­renden öffentlich-recht­lichen Vertrag mit den Braun­koh­le­be­treibern zugestimmt. Darüber, dass der Geset­zes­entwurf erheb­licher Kritik ausge­setzt ist, berich­teten wir bereits. In juris­ti­scher Hinsicht überzeugt insb. im Hinblick auf den Gleich­be­hand­lungs­grundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht, dass die Braun­kohle, welche wesentlich emissi­ons­in­ten­siver ist, gegenüber der Stein­kohle bevorzugt wird. Ein sachlicher Grund, welcher diese Ungleich­be­handlung recht­fer­tigen könnte, ist nicht ersichtlich.

Wesentlich brisanter in diesem Zusam­menhang ist aber, dass das Kabinett nicht nur dem öffentlich-recht­lichen Vertrag mit den Braun­koh­le­kraft­werks­be­treibern zugestimmt hat, sondern dass zugleich sog. „Formu­lie­rungs­hilfen“ für die Regie­rungs­frak­tionen beschlossen wurden, um die Verab­schiedung des Kohle­aus­stiegs­gesetz im Bundestag sicher­zu­stellen. Bei den Formu­lie­rungs­hilfen handelt es sich in der Sache um Änderungs­vor­schläge für den Entwurf des Kohle­aus­stiegs­ge­setzes, die sich im Laufe der Beratungen des Kohle­aus­stiegs­gesetz im Bundestag und Bundesrat ergeben habe.

In diesen „Formu­lie­rungs­hilfen“ war kurzfristig vorge­sehen, dass der öffentlich-recht­liche Vertrag nicht mehr der ursprünglich in § 43 Abs. 1 des Entwurfs des Kohle­aus­stiegs­ge­setzes vorge­se­henen Zustimmung des Bundes­tages bedurft hätte. Der Vertrag hätte dem Bundestag nur zur Kenntnis weiter­ge­leitet werden sollen. Dass dem nunmehr in dem von dem Kabinett verab­schie­deten Formu­lie­rungs­hilfen nicht mehr so ist, ist zunächst einmal beruhigend.

Denn es wäre verfas­sungs­rechtlich kaum haltbar gewesen, die genauen Bedin­gungen des Kohle­aus­stiegs hinter verschlos­senen Türen zwischen Bundes­re­gierung und Kohle­kraft­werks­be­treibern zu beschließen, ohne dass der Bundestag als unmit­telbar demokra­tisch legiti­miertes Organ, hier ein Mitspra­che­recht – jeden­falls in Form der Zustimmung zum Vertrag – hätte.

Nach der vom Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt entwi­ckelten Wesent­lich­keits­theorie bedürfen nämlich alle wesent­lichen Entschei­dungen der Zustimmung des Bundes­tages. Je wesent­licher die Entscheidung ist, desto detail­lierter müssen auch die einzelnen Regelungen des Gesetz­gebers sein. Das Parlament ist das einzige Organ, das direkt von den Bürge­rinnen und Bürgern gewählt wird. Es ist das Organ, dem die Bürge­rinnen und Bürger unmit­telbar die Staats­gewalt übertragen. Folglich muss auch dieses Organ die für sie wesent­lichen Entschei­dungen bis zu einem gewissen Grad an Detail­liertheit treffen. Das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt zählt hierzu insbe­sondere Entschei­dungen über den Haushalt, also die Verwendung von Steuer­mitteln, sowie Entschei­dungen über Fragen der Grundrechtsausübung.

Dass es sich bei dem Kohle­aus­stieg, einer für die Zukunft wegwei­senden Entscheidung, bei der es auch um sehr viel Geld geht, um eine wesent­liche Entscheidung handelt, sollte man daher annehmen können. Zwar wird einiges bereits nach dem Entwurf des Kohle­aus­stiegs­gesetz im Rahmen eines Parla­ments­ge­setzes geregelt. Dass aber bei einer derart zentralen Frage auch die näheren Details zumindest einer Billigung des Parla­ments bedürfen, erscheint naheliegend. Daher sollte auch letzt­endlich der Bundestag dem Vertrag mit den Kraft­werks­be­treibern – wie nun doch vorge­sehen – zustimmen müssen.

Dass für die konkrete Ausge­staltung überhaupt das Mittel des öffentlich-recht­lichen Vertrages gewählt wurde und dies nicht statt­dessen durch Rechts­ver­ord­nungen geregelt wird, ist bemer­kenswert und durchaus untypisch. Zwar werden Angele­gen­heiten zwischen der öffent­lichen Hand und Privaten häufig durch öffentlich-recht­liche Verträge geregelt. Aller­dings sind Verträge, die gesetz­liche Regelungen komplett ersetzen, die Ausnahme. Der von der Bundes­re­gierung verfolgte Regelungs­ansatz steht daher in der Kritik. ClientEarth warnt eindringlich vor dem Abschluss solcher Verträge und hat hierzu ein detail­liertes Papier inklusive Rechts­gut­achten veröffentlicht.

Kriti­siert wird u.a., dass künftige Regie­rungen und der Gesetz­geber durch die einge­gangen vertrag­lichen Bindungen in ihrem Handlungs­spielraum in unzuläs­siger Weise einge­schränkt werden könnten. Aus Angst vor möglichen Schadens­er­satz­an­sprüchen wegen eines Vertrags­bruches könnte es zukünf­tigen Regie­rungen faktisch versagt sein, einen früheren Ausstieg aus der Kohle zu ermög­lichen. Auch könnte die Bundes­re­gierung unter Umständen zu einem Schadens­er­satz­ver­pflich­tungen nach sich ziehenden Vertrags­bruch gezwungen sein, wenn sie aufgrund unions­recht­licher Vorgaben verpflichtet ist, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, die vertraglich als „unzuläs­siger nachträg­licher Eingriff“ in die Braun­koh­le­ver­stromung definiert sind. Denn rechtlich sind die öffentlich-recht­lichen Verträge nicht in der Lage, die Regelungs­kom­petenz des Gesetz­gebers zu beschränken.

Auch die fehlende Trans­parenz während des Vertrags­ver­hand­lungs­pro­zesses wird bemängelt. Dies gehe zu Lasten der Demokratie. Auch seien umwelt- und klima­schutz­po­li­tische Aspekte struk­turell unter­re­prä­sen­tiert gewesen bei den Verhand­lungen, die zwischen den Unter­nehmen und dem Bundes­wirt­schafts­mi­nis­terium unter Ausschluss der Öffent­lichkeit statt­ge­funden haben.

Ob der öffentlich-recht­liche Vertrag mit den Braun­koh­le­kraft­werks­be­treibern tatsächlich ein Meilen­stein ist, wie Bundes­wirt­schafts­mi­nister Peter Altmaier ihn nennt, bleibt abzuwarten. Dies wird wohl entscheidend davon abhängen, ob die ausge­han­delten vertrag­lichen Bestim­mungen der Kritik stand­halten können oder nicht (Fabius Wittmer)

2020-06-26T20:11:12+02:0026. Juni 2020|Energiepolitik, Strom, Umwelt|

Frisch aus dem Bundestag: Das GEG ist verabschiedet

Manche Mühlen mahlen besonders langsam. Aber nun hat der Bundestag das Gebäude-Energie­gesetz (GEG) verab­schiedet (wir berich­teten). Wenn nichts mehr dazwi­schen­kommt, wird der Bundesrat am 3. Juli 2020 keinen Einspruch mehr erheben, so dass das Gesetz zum 1. Oktober 2020 in Kraft treten kann. Das wird auch höchste Zeit, denn die zugrunde liegende Richt­linie RL 2010/31/EU verlangt, dass Neubauten ab 2021 im neuen Niedrigst­ener­gie­standard errichtet werden. In aller Kürze:

# Der neue Standard ist der alte. Niedrigst­ener­gie­standard ist der KfW-Standard 75, der schon heute gilt.

# Der Neubau von Öl- und Kohle­hei­zungen und wird drastisch einge­schränkt und ist nur noch zulässig, wenn anteilig Erneu­erbare Energien einge­setzt werden.

# Künftig enthält das Gesetz einen Quartiers­ansatz, also eine Loslösung vom Einzel­ge­bäude als Referenz.

# Neuerungen gibt es bei der Anrechnung von Biomethan und Biogas auf den Primär­ener­gie­faktor, diffe­ren­ziert nach der verwandten Technik.

# Auch Speicher und Abwas­ser­wärme werden nun berücksichtigt.

# Gute Nachrichten für die Aufdach-PV: Gebäu­denahe Strom­erzeugung findet Nieder­schlag bei der Effizienzbemessung.

# Statt per Primär­ener­gie­faktor kann über eine Innova­ti­ons­klausel auch auf CO2-Emissionen abgestellt werden.

# Es gibt eine verpflich­tende Beratungs­pflicht bei Kauf oder Renovierung von Eigenheimen.

# 2023 werden die Standards überprüft. Angesichts der aktuellen Gefechtslage ist es nicht unwahr­scheinlich, dass es dann nicht beim KfW-Standard 75 bleibt, sondern sich die Befür­worter des KfW-Standards 55 durch­setzen (Miriam Vollmer).

Sie möchten mehr wissen? Wir stellen am 15. Juli 2020 per Webinar das neue Gesetz vor.

 

2020-06-26T12:47:52+02:0025. Juni 2020|Energiepolitik, Umwelt, Wärme|