Prüfungs­recht: Eilrechts­schutz des Polizeianwärters

Die Rede von „rechts­freien Räumen“ macht immer mal wieder in unter­schied­lichen Zusam­men­hängen die Runde. Oft ist das mit Vorsicht zu genießen. Zum Beispiel bei Äußerungen im Internet: Hier gibt es letztlich doch auch lokale Bezüge zu Rechts­ord­nungen. Irgendwo sitzt jemand am Rechner und schreibt oder liest eine Belei­digung. Irgendwo steht der Server des sozialen Netzwerk, auf dem die Belei­digung veröf­fent­licht wurde. Schwierig ist es aller­dings, diese lokalen Bezüge zu sortieren.

Bis in die 1970er Jahre gab es in Deutschland aber tatsächlich so etwas wie „rechts­freie Räume“. Gemeint sind Organi­sa­tionen, in denen Grund­rechte nur einge­schränkt gelten und deren interne Entschei­dungen nicht gerichtlich überprüfbar waren. Die Rede ist dabei  nicht von mafiösen Struk­turen, sondern von der Binnen­or­ga­ni­sation des Staates und staat­licher Anstalten, neben der Verwaltung also Gefäng­nisse, Schulen, Hochschulen und die Bundeswehr. Die Mitglieder dieser Einrich­tungen wurden lange Zeit sozusagen als Teil des Staates angesehen, so dass sie sich auf Grund­rechte allen­falls einge­schränkt berufen konnten. Inzwi­schen sieht die Verwal­tungs­ge­richts­barkeit das anders. Die entschei­dende Wende kam mit einer Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts, nach der auch Straf­ge­fangene ein Recht haben, sich über die Zustände in der JVA öffentlich zu beschweren.

Aber manchmal gibt es immer noch Auffas­sungen, die daran erinnern. So sollte es nach einer Entscheidung des Oberver­wal­tungs­ge­richts (OVG) Sachsen für Polizei­an­wärter keinen Eilrechts­schutz geben. In dem Fall war ein Polizei­an­wärter wegen einer endgültig nicht bestan­denen Prüfung aus dem Beamten­ver­hältnis ausge­schieden. Nach Auffassung des OVG sei ein Eilrechts­schutz in diesem Zusam­menhang nicht zulässig. Es hatte den Polizei­an­wärter auf das Verfahren in der Haupt­sache verwiesen. Obwohl es selbst tiefgrei­fende Bedenken gegen die Prüfungs­ent­scheidung hatte, gab es als Begründung zum einen an, dass eine einst­weilige Anordnung die Haupt­sache vorweg­nehmen würde. Zum anderen sei der Status des Polizei­be­amten mit dem daraus resul­tie­renden recht­lichen Schwe­be­zu­stand unver­einbar. Das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt gab nun in einem Beschluss der Verfas­sungs­be­schwerde des Polizei­an­wärters statt und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das OVG zurück.

Wir finden, für die Polizis­ten­aus­bildung ist das eine wichtige Lektion. Denn die Polizei­hoch­schulen sollen Bürger in Uniform erziehen, die sich rechts­staat­lichen und demokra­ti­schen Grund­sätzen verpflichtet fühlen. Dafür müssen sich die Hochschulen an eben diesen Grund­sätzen messen lassen (Olaf Dilling).

2020-06-24T17:27:32+02:0024. Juni 2020|Verwaltungsrecht|

VGH Mannheim zur Vollstre­ckung gegenüber Behörden

Wie geht man damit um, wenn Behörden rechts­kräftige Urteile nicht befolgen? Mit dieser Frage beschäf­tigte sich bereits der VGH München. Nun hat auch der VGH Mannheim mit Beschluss vom 14.05.2020 letzt­in­stanzlich über die Frage entschieden, wie man mit dem Umstand umgeht, dass die Stadt Stuttgart rechts­kräftig dazu verur­teilt wurde, im Luftrein­hal­teplan ein Verkehrs­verbot für Diesel-5-Fahrzeuge im Stadt­gebiet Stuttgart verbindlich vorzu­sehen, aber dem nicht nachkommt.

Die Deutsche Umwelt­hilfe (DUH), Klägerin im Ausgangs­ver­fahren, hatte zum wieder­holten Male einen Vollstre­ckungs­antrag beim VG Stuttgart beantragt. Auf die ersten Vollstre­ckungs­an­träge hin war nichts geschehen. Denn anders als in der Zivil­pro­zess­ordnung, wo es drastische Mittel und Wege gibt, einen zur Leistung verur­teilten Schuldner zur Leistung zu bewegen, sieht es im öffent­lichen Recht anders aus, wenn es um Behörden geht, weil der Gesetz­geber davon ausging, dass sanftes Stupsen per Zwangsgeld ausreicht. Pikant: Zwangs­gelder fließen in die Landes­kasse, das Land hatte bislang also nicht einmal einen wirtschaft­lichen Nachteil.

Dass damit einem wider­spens­tigen Land Baden-Württemberg nicht beizu­kommen war, erwies sich durch Zeitablauf. Das VG Stuttgart erließ deswegen im Wieder­ho­lungsfall zuletzt nicht mehr nur das wirkungslose Zwangsgeld zugunsten der Landes­kasse. Aber konnte sich auch nicht dazu durch­ringen, Zwangshaft gegen den Minis­ter­prä­si­denten oder Regie­rungs­prä­si­denten anzuordnen oder ein Zwangsgeld zu verhängen, das direkt an die DUH zu zahlen wäre. Statt dessen ordnete es an, dass das Land 25.000 EUR an die Kinder­krebs­hilfe zahlen soll. Das besondere daran: Eine solche Maßnahme ist in der VwGO gar nicht vorge­sehen, sondern nur in der hier an sich gar nicht einschlä­gigen ZPO (VG Stuttgart, Beschluss vom 21.01.2020 – 17 K 5255/19, wir berich­teten).

Gegen diesen Beschluss gingen sowohl DUH als auch das Land vor. Im Beschwer­de­ver­fahren vorm VGH Mannheim (Beschl. v. 14.05.2020, 10 S 461/20) blieben nun beide Beschwerden erfolglos.

Abseits der Frage, ob der Stutt­garter Luftrein­hal­teplan immer noch nicht ausreicht und wie man dies nachweist, brachte das Land vor, dass die VwGO eben keine Zwangs­voll­stre­ckungs­maß­nahmen wie die ZPO vorsieht. Dies sieht das Gericht anders. Das verwal­tungs­voll­stre­ckungs­recht­liche Zwangsgeld sei zwar analog anwendbar, aber nicht absolut abschließend, wenn es um Leistungs­klagen geht. Das milde, nur symbo­lische Zwangs­mittel der VwGO beruhe auf dem Gedanken, dass der Staat nur sanften Druck braucht, um zu reagieren, aber wenn sich das Gegenteil erweist, sei es verfas­sungs- wie europa­rechtlich geboten, dass es eine effektive Zangs­voll­stre­ckung gibt.

Aber auch die DUH setzte sich nicht durch mit ihrem Wunsch nach Zwangshaft oder Zahlungen von Zwangs­gelder an sich selbst. Der Senat führte insbe­sondere aus, dass Minis­ter­prä­sident und Regie­rungs­prä­sident überhaupt nicht allein entscheiden könnten, zudem griffe ein solches Zwangs­mittel tief in die eigent­liche Regie­rungs­tä­tigkeit ein. Was Zwangsgeld angeht, meint der VGH, gebe es keinen Grund, an die DUH zu zahlen, entscheidend sei nur, dass das Geld nicht an das Land zurückfließe.

Insgesamt lässt sich festhalten: Es kommt Bewegung in die Zwangs­voll­stre­ckung gegen die öffent­liche Hand. Die Gerichte werden erfin­de­risch, wenn Behörden ihre Entschei­dungen unter­laufen. Für Private, Unter­nehmen, Verbände wie Verbraucher, ist das eine gute Nachricht (Miriam Vollmer).

2020-06-24T00:54:22+02:0024. Juni 2020|Umwelt, Verkehr, Verwaltungsrecht|