Wie geht man damit um, wenn Behörden rechtskräftige Urteile nicht befolgen? Mit dieser Frage beschäftigte sich bereits der VGH München. Nun hat auch der VGH Mannheim mit Beschluss vom 14.05.2020 letztinstanzlich über die Frage entschieden, wie man mit dem Umstand umgeht, dass die Stadt Stuttgart rechtskräftig dazu verurteilt wurde, im Luftreinhalteplan ein Verkehrsverbot für Diesel-5-Fahrzeuge im Stadtgebiet Stuttgart verbindlich vorzusehen, aber dem nicht nachkommt.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), Klägerin im Ausgangsverfahren, hatte zum wiederholten Male einen Vollstreckungsantrag beim VG Stuttgart beantragt. Auf die ersten Vollstreckungsanträge hin war nichts geschehen. Denn anders als in der Zivilprozessordnung, wo es drastische Mittel und Wege gibt, einen zur Leistung verurteilten Schuldner zur Leistung zu bewegen, sieht es im öffentlichen Recht anders aus, wenn es um Behörden geht, weil der Gesetzgeber davon ausging, dass sanftes Stupsen per Zwangsgeld ausreicht. Pikant: Zwangsgelder fließen in die Landeskasse, das Land hatte bislang also nicht einmal einen wirtschaftlichen Nachteil.
Dass damit einem widerspenstigen Land Baden-Württemberg nicht beizukommen war, erwies sich durch Zeitablauf. Das VG Stuttgart erließ deswegen im Wiederholungsfall zuletzt nicht mehr nur das wirkungslose Zwangsgeld zugunsten der Landeskasse. Aber konnte sich auch nicht dazu durchringen, Zwangshaft gegen den Ministerpräsidenten oder Regierungspräsidenten anzuordnen oder ein Zwangsgeld zu verhängen, das direkt an die DUH zu zahlen wäre. Statt dessen ordnete es an, dass das Land 25.000 EUR an die Kinderkrebshilfe zahlen soll. Das besondere daran: Eine solche Maßnahme ist in der VwGO gar nicht vorgesehen, sondern nur in der hier an sich gar nicht einschlägigen ZPO (VG Stuttgart, Beschluss vom 21.01.2020 – 17 K 5255/19, wir berichteten).
Gegen diesen Beschluss gingen sowohl DUH als auch das Land vor. Im Beschwerdeverfahren vorm VGH Mannheim (Beschl. v. 14.05.2020, 10 S 461/20) blieben nun beide Beschwerden erfolglos.
Abseits der Frage, ob der Stuttgarter Luftreinhalteplan immer noch nicht ausreicht und wie man dies nachweist, brachte das Land vor, dass die VwGO eben keine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wie die ZPO vorsieht. Dies sieht das Gericht anders. Das verwaltungsvollstreckungsrechtliche Zwangsgeld sei zwar analog anwendbar, aber nicht absolut abschließend, wenn es um Leistungsklagen geht. Das milde, nur symbolische Zwangsmittel der VwGO beruhe auf dem Gedanken, dass der Staat nur sanften Druck braucht, um zu reagieren, aber wenn sich das Gegenteil erweist, sei es verfassungs- wie europarechtlich geboten, dass es eine effektive Zangsvollstreckung gibt.
Aber auch die DUH setzte sich nicht durch mit ihrem Wunsch nach Zwangshaft oder Zahlungen von Zwangsgelder an sich selbst. Der Senat führte insbesondere aus, dass Ministerpräsident und Regierungspräsident überhaupt nicht allein entscheiden könnten, zudem griffe ein solches Zwangsmittel tief in die eigentliche Regierungstätigkeit ein. Was Zwangsgeld angeht, meint der VGH, gebe es keinen Grund, an die DUH zu zahlen, entscheidend sei nur, dass das Geld nicht an das Land zurückfließe.
Insgesamt lässt sich festhalten: Es kommt Bewegung in die Zwangsvollstreckung gegen die öffentliche Hand. Die Gerichte werden erfinderisch, wenn Behörden ihre Entscheidungen unterlaufen. Für Private, Unternehmen, Verbände wie Verbraucher, ist das eine gute Nachricht (Miriam Vollmer).
Hinterlasse einen Kommentar