Open-Air im Naturschutzgebiet

Die freie Kultur­szene gehört wohl zu den größten Verlierern der Corona-Pandemie. Insofern gönnen wir es den Veran­staltern eines Poetry-Slams sehr, dass ihr Event – nach einem Eilbe­schluss des Verwal­tungs­ge­richts Münster – im Juli in einem Natur­schutz­gebiet im beschau­lichen Greven nördlich von Münster statt­finden darf. Bei dem Natur­schutz­gebiet handelt es sich um einen Teil der Emsaue, wobei der Fluss hier zwischen zwei Stadt­teilen von Greven hindurchfließt.

Letztlich erscheint es auch vertretbar, dass eine auf drei Stunden begrenzte Veran­staltung mit fünf Auftritten und ca. 100 Teilnehmern auf einem 2x2 m großen Podest in dem Gebiet stattfand. Nach Auffassung des Gerichts sei die geplante Veran­staltung nach den maßgeb­lichen natur­schutz­recht­lichen Bestim­mungen nicht verboten. Sie führe weder zu einer Zerstörung noch zu einer Beschä­digung des Natur­schutz­ge­biets. Damit trat es dem Vorbringen der Antrag­steller, zwei Natur­schutz­ver­bänden, entgegen, dass der Poetry-Slam keinen Bezug zu den Schutz­zielen der Emsaue habe, sondern  einen erheblich störenden Eingriff in ein Gebiet darstelle. Den Natur­schutz­ver­bänden ging es auch darum, dass die Veran­staltung ohne eine vorherige Befreiung nach dem Bundes­na­tur­schutz­gesetz erfolgen sollte. Hier hatten die Antrag­steller tatsächlich einen Punkt. Denn auch aus auf den ersten Blick scheinbar unpro­ble­ma­ti­schen Vorhaben können in Natur­schutz­ge­bieten Störungen resul­tieren (Olaf Dilling).

2020-08-18T15:28:09+02:0018. August 2020|Naturschutz|

Die aufge­schobene Triage

Von allem Justiz­per­sonal können sich Verfas­sungs­richter wohl am ehesten erlauben, Philo­sophen zu sein. Etwas über den Dingen zu schweben und sich Fragen hinzu­geben, die sich außerhalb des Alltäg­lichen stellen. So Fragen, in denen Wertkon­flikte unserer Gesell­schaft exempla­risch auf den Punkt gebracht werden. Bezüglich einer solchen Frage, nämlich der der sogenannten Triage, hat das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt vor ein paar Tagen einen Eilantrag abgelehnt, was nicht ausschließt, dass es sich später im Haupt­ver­fahren vertieft damit beschäftigt.

Den Eilantrag hatten mehrere kranke und behin­derte Menschen gestellt. Sie waren der Auffassung, dass die Triage, also eine Entscheidung über knappe medizi­nische Ressourcen im Katastro­phenfall, bzw. im Verfahren ganz konkret bezogen auf die Corona-Pandemie, zu regeln sei bevor der medizi­nische Notstand eintritt. Aller­dings lehnte das Gericht zum gegen­wär­tigen Zeitpunkt die Eilbe­dürf­tigkeit ab. Denn aktuell sei nicht abzusehen, dass ein Notstand in den Kranken­häusern unmit­telbar bevorstünde.

Tatsächlich geht es bei der Triage juris­tisch ans Einge­machte. Denn an sich lässt das Grund­gesetz nicht zu, dass Leben gegen Leben abgewogen wird. Auf der anderen Seite haben Ärzte einen eher pragma­ti­schen Ansatz und versuchen, mit den begrenzten Mitteln in Katastro­phen­si­tua­tionen möglichst viele Menschen­leben zu retten. So etwa in den Empfeh­lungen der Deutschen Inter­dis­zi­pli­nären Verei­nigung für Intensiv- und Notfall­me­dizin (DIVI). Das kann aber auch bedeuten, dass Fälle mit geringen Überle­bens­chancen nachrangig behandelt werden. Ebenso wie Fälle, die auch ohne ärztlichen Eingriff eine gute Chance haben zu überleben. Aus verfas­sungs­recht­licher Sicht nicht unpro­ble­ma­tisch, wenn es auf eine syste­ma­tische Diskri­mi­nierung Behin­derter oder Vorer­krankter hinaus­läuft. Insofern wird es noch spannend, wie das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt im Haupt­sa­che­ver­fahren entscheiden wird (Olaf Dilling).

2020-08-17T21:17:01+02:0017. August 2020|Allgemein|

Die ganzen Emissionen: Veröf­fent­li­chungs­pflichten von Unternehmen

Wie viel einzelne Anlagen emittieren, ist kein Geheimnis. Wenn die Anlage emissi­ons­han­dels­pflichtig ist, also im Regelfall größer als 20 MW, werden die Emissionen in der Anlagen­liste publi­ziert, die die Deutsche Emissi­ons­han­dels­stelle jedes Jahr veröf­fent­licht. Die für 2019 finden Sie beispiels­weise hier. Und damit man mit dem ganzen Zahlen­ma­terial auch etwas anfangen kann, veröf­fent­licht die Behörde auch den VET-Bericht mit umfas­senden Auswer­tungen, hier wiederum für 2019.

Doch selbst wenn man alle Anlagen­emis­sionen eines Unter­nehmens in der Liste zusam­men­zählt, kommt man nicht auf die gesamten Emissionen eines Unter­nehmens. Denn manche Verbren­nungs­vor­gänge sind nicht emissi­ons­han­dels­pflichtig, etwa in kleinen Anlagen, in Fahrzeugen, die Emissionen, die durch Reisen verur­sacht werden, oder schlicht die auf den Raumhei­zungs­bedarf für Verwaltung, Geschäfte oder Lager entfal­lenden Emissionen. Eine Veröf­fent­li­chungs­pflicht für alle Emissionen eines Unter­nehmens insgesamt existiert aber bisher nicht.

Teilweise ergibt sich eine Veröf­fent­li­chungs­pflicht zwar aus §§ 289b, 289c Handels­ge­setzbuch (HGB). Diese Regelungen setzen die CSR-Richt­linie um und verpflichten große, börsen­no­tierte Unter­nehmen mit mehr als 500 Mitar­beitern zur Veröf­fent­li­chung bestimmter Infor­ma­tionen, dazu gehören auch umwelt­be­zogene Infor­ma­tionen. Doch diese Pflicht erfasst nur verhält­nis­mäßig wenige Unter­nehmen zudem recht lückenhaft. Dabei ist das Forschungs­in­stitut DIW in einer Unter­su­chung aus 2019 zum Ergebnis gekommen, dass die verpflich­tende nicht­fi­nan­zielle Emissi­ons­aus­weisung zu Emissi­ons­ver­rin­ge­rungen führe.

Nun wird die CSR-Richt­linie aktuell überar­beitet. Von Februar bis Juni 2020 fand eine Konsul­tation statt, die in der Aufregung der Corona-Pandemie in der Außen­wirkung ein wenig unterging. Die Stellung­nahmen und eine Auswertung hat die Europäische Kommission publi­ziert. Wie das Auswer­tungs­do­kument zeigt, vermissen die Anwender vor allem gemeinsame Standards.

Wie geht es nun weiter? Die Kommission ist nun am Zug. Sie wird Ablei­tungen treffen, die letztlich in einer Anpassung der Richt­linie münden sollen. Generell ist zu erwarten, dass die Berichts­pflichten jeden­falls nicht weniger werden, schon weil der Abbau einmal erlas­sener Regelungen nicht dem üblichen Muster entspricht. Wer es genau wissen will, kann statt ständig auf der Seite nachzu­schauen übrigens auch ganz unten auf dieser Seite Notifi­ca­tions durch die Kommission abonnieren (Miriam Vollmer).

2020-08-14T08:14:15+02:0014. August 2020|Energiepolitik, Umwelt|