Schön­wet­ter­fö­de­ra­lismus?

In den letzten Tagen überschlug sich die Presse geradezu mit Kritik am Födera­lismus: die Zeit schrieb eher moderat vom „Födera­lismus im Krisen­modus“, die Tages­schau von einem „Stresstest“ bis hin zu alarmis­ti­schen Tönen im konser­va­tiven Magazin Cicero, wonach „Födera­lismus … tödlich sein“ könne. Das Argument ist dann regel­mäßig, dass in Deutschland aufgrund des Födera­lismus einheitlich durch­ge­setzte Maßnahmen nicht möglich seien. Schließung aller Schulen, Kitasper­rungen oder der Verbot von kultu­rellen Veran­stal­tungen ab einer bestimmten Größe beispielsweise.

Födera­lismus sei ja ganz nett, so quasi im Sinne einer folklo­ris­ti­schen Veran­staltung, aber sobald es ernst werde, müsse durch­re­giert werden. Gerne wird dann auf Länder verwiesen, in denen ein vorbild­liches Krisen­ma­nagement betrieben würde. Aller­dings sind nicht alle dieser Länder gleicher­maßen vorbildlich, was die Durch­setzung von Demokratie und Rechts­staat­lichkeit angeht. Und tatsächlich geht es beim Födera­lismus ja auch um Demokratie auf regio­naler, bürger­naher Ebene. Und um ein in Art. 20 Abs. 1 Grund­gesetz als Struk­tur­prinzip der Verfassung verbrieftes Recht.

Gerade was das deutsch­land­weite Krisen­ma­nagement angeht, zählt es gerade zu den Stärken des Födera­lismus, diffe­ren­zierte Antworten auf verschiedene Problem­lagen vor Ort geben zu können. Denn im Kreis Heinsberg in NRW sieht die Lage ganz anders aus als in Vorpommern oder Thüringen. Warum ist es dann zwingend, die selben Maßnahmen zu ergreifen?

Viele der vorge­schla­genen Maßnahmen sind ja auch aus Sicht von Virologen ohnehin nicht unumstritten. Etwa ob Kita-Schlie­ßungen nicht dazu führen, dass Kranken­haus­per­sonal durch Betreuung der eigenen Kinder gebunden wird. Insofern ermög­licht der Födera­lismus, mit den unter­schied­lichen Strategien Erfah­rungen zu sammeln.

Was aber tatsächlich gerade im föderalen System wichtig ist: Dass das große Ganze nicht aus dem Blick gerät und die verschie­denen Ebenen gut koordi­niert bleiben. Insofern haben die Konfe­renzen der Minis­ter­prä­si­denten und Fachmi­nister in den letzten Tagen bereits Einiges erreicht. Die viel beklagte Phase der Lähmung und Unent­schlos­senheit scheint nun jeden­falls vorüber zu sein (Olaf Dilling).

2020-03-13T12:18:12+01:0013. März 2020|Allgemein|

Corona, KiTa, Quarantäne

Nicht dass Arbeits- und Sozial­recht unsere Kernex­pertise betreffen würde. Aber da es nun ohnehin gerade in aller Munde ist, fragen auch wir uns: Wie wirken sich Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Corona-Pandemie eigentlich auf unser Berufs­leben und die Kinder­be­treuung aus? Um zumindest skizzenhaft dazu einige Antworten zu geben:

Bei eigener Krankheit gibt es für den Arbeit­nehmer bekanntlich einen Anspruch auf Lohnfort­zahlung nach § 3 Entgelt­fort­zah­lungs­gesetz. Bei Krankheit des Kindes besteht für einen kürzeren Zeitraum ein Anspruch auf Krankengeld nach § 45 SGB V, soweit keine andere Betreu­ungs­mög­lichkeit besteht.

Bei einer vom Gesund­heitsamt gemäß § 28 Abs. 1, 30 Abs. 1 Satz 2 Infek­ti­ons­schutz­gesetz (IfSG) angeord­neten Quarantäne, die auf einem bloßen Verdacht beruht, z.B. weil jemand Kontakt mit einem Infizierten hatte, sieht es – zumindest für den Arbeit­geber – anders aus. Denn dann tritt bei Arbeits­un­fä­higkeit der Staat in die Pflicht: Dann gibt es gemäß § 56 IfSG eine Entschä­digung in Geld. Dies gilt auch für Selbständige. Dies ist schon deshalb sinnvoll, weil ansonsten noch weniger Bereit­schaft bestände, Quaran­tä­ne­maß­nahmen Folge zu leisten.

Wenn KiTas schließen sollten, dürfen Sie, bzw. Ihre Angestellten dann also wegen Krankheit zu Hause bleiben? In diesem Fall ist einiges unklar, aber der Anspruch auf Krankengeld setzt explizit Krankheit des Kindes voraus. In Frage kommt evtl eine Fortzahlung nach § 616 BGB wegen vorüber­ge­hender Verhin­derung. Grund­sätzlich müssen sich Arbeit­nehmer ohnehin erst einmal um eine alter­native Betreuung kümmern. Nicht in allen Varianten führt dies dann zur gewünschten Eindämmung der Infektion, gerade, wenn Eltern sich dann selbst organi­sieren müssen oder die Großeltern einge­schaltet werden. Nicht zuletzt deshalb beurteilen manche Gesund­heits­experten die Effek­ti­vität von KiTa- und Schul­schlie­ßungen skeptisch (Olaf Dilling).

2020-03-12T12:10:01+01:0012. März 2020|Allgemein, Verwaltungsrecht|

EEG: Studie des UBA zu auslau­fender PV

Es gibt was zu Feiern: Das Erneu­erbare-Energien-Gesetz (EEG) wurde vor kurzem 20. Auch wenn der Ausbau zuletzt hinter den Erwar­tungen zurück­blieb, handelt es sich um ein auch im EU-Vergleich kraft­volles Instrument, um eine emissi­ons­in­tensive Kraft­werks­wirt­schaft zu transformieren.

Der 20. Geburtstag des EEG ist aber nicht irgendeine beliebige Wegmarke. Denn das EEG fördert seit seinen Anfängen Anlagen, die erneu­erbare Quellen für die Strom­erzeugung nutzen, für maximal 20 Jahre. Während heute nach und nach versucht wird, marktnah zu fördern, v. a. über Ausschrei­bungen, war dies in den Kinder­jahren des Instru­ments noch nicht möglich. Die Techno­logie war neu, sie war teuer, und entspre­chend inves­tierten Vorha­ben­träger nur, wenn man ihnen für 20 Jahre eine hohe Förderung pro kWh garantierte.

Nun neigt sich die Förder­dauer der ersten Anlagen dem Ende zu. Damit stellt sich die Frage, was dann aus den Anlagen wird. Es wäre ökono­misch wie ökolo­gisch nicht sinnvoll, sie still­zu­legen, sie sollten also auch weiterhin wirtschaftlich attraktiv betrieben werden können. Wie dies bei den oft kleinen Photo­vol­ta­ik­an­lagen aussehen könnte, die schon bald aus der Förderung fallen, hat das Umwelt­bun­desamt (UBA) u. a. durch die Stiftung Umwelt­ener­gie­recht unter­suchen lassen. Die Studie datiert vom Februar 2020. 

Die Verfasser arbeiten im ersten Schritt heraus, dass auch nach 20 Jahren der Einspei­se­vorrang gilt, der Strom muss also physi­ka­lisch vom Netzbe­treiber abgenommen werden. Da es sich nach 20 Jahren nur noch um eine „sonstige Direkt­ver­marktung“ gem. § 21a EEG 2017 handelt, ist dies aber nicht mit einer kaufmän­ni­schen Abnah­me­pflicht verbunden, mit anderen Worten: Die Erzeuger müssen einen anderen Käufer finden. Finden sie niemanden, speisen aber trotzdem ein, so kann der Netzbe­treiber Unter­lassung geltend machen, wenn ein Schaden entstanden sein sollte (unnötige Ausgaben für Regel­en­ergie?), hat er u. U. einen Anspruch auf Ersatz durch den Solaranlagenbetreiber.

Die Studie legt überzeugend dar, dass es wirtschaftlich nicht attraktiv ist, den Strom direkt und ungefördert zu vermarkten. Denkbar wäre es, den Strom selbst zu nutzen und Überschüsse abzuregeln. Ökolo­gisch sinnvoll wäre das nicht, schließlich soll mehr und nicht weniger EE-Strom erzeugt werden. Die Studie disku­tiert daher unter­schied­liche Möglich­keiten, wie der Weiter­be­trieb wirtschaftlich attrak­tiver gestaltet werden, u. a. die faktische Fortführung der Garan­tie­ver­gütung, eine Markt­wert­durch­leitung, ggfls. abzüglich entstan­dener Kosten. Es wird dabei aber auch proble­ma­ti­siert, dass die Anlagen schon über 20 Jahre gefördert worden sind und zudem attraktive Möglich­keiten über eine faktische Ausweitung dieser Garan­tie­ver­gütung Direkt­ver­mark­tungs­mo­dellen den Boden entziehen würde.

Die Studie empfiehlt im Fazit, Anlagen kleiner 100 kW über eine Durch­leitung des Markt­werts abzüglich einer Pauschale für Vermark­tungs­kosten zu fördern. Dies sei mit dem gemein­schafts­recht­lichen Rahmen vereinbar. Da das EEG ohnehin (auch) dieses Jahr geändert werden soll, wäre hier Raum für eine solche Regelung, die angesichts der insgesamt kleinen Erzeu­gungs­mengen die Letzt­ver­braucher wenig belasten sollte (Miriam Vollmer).

2020-03-11T14:07:59+01:0011. März 2020|Energiepolitik, Erneuerbare Energien, Strom|