Das Infek­ti­ons­schutz­gesetz im Überblick

Kein Gesetz, in das man jeden Tag schaut. Um so mehr bietet die aktuelle Krise Anlass, sich mit dem Infek­ti­ons­schutz­gesetz (IfSG) zu beschäf­tigen. Das aktuell Wichtigste in aller Kürze:

Das Gesetz dient dem Schutz vor anste­ckenden Krank­heiten, § 1 IfSG. In normalen Zeiten kommt der Normal­bürger nur mit dem IfSG in Berührung, wenn er beruflich etwas mit Lebens­mitteln machen, ungeimpfte Kinder in die Kita bringen will oder erfährt, dass Krank­heiten wie etwa Mumps oder Röteln melde­pflichtig sind. Diese Melde­pflicht ist in § 6 IfSG geregelt, sie erfasst auch die vom Corona­virus verusachte COVID 19.

Das IfSG setzt in vielfacher Hinsicht auf Aufklärung und Vorbeugung, es enthält aber auch ausge­sprochen robuste Ermäch­ti­gungs­grund­lagen. Die verhängten Veran­stal­tungs­verbote und die Schlie­ßungen von Geschäften etwa beruhen auf den unter­schied­lichen Fällen des § 28 IfSG, der die zustän­digen Behörden zu diversen „notwen­digen Maßnahmen“ zur Seuchen­be­kämpfung ermächtigt, entweder in Form von Verwal­tungs­akten – wie Allge­mein­ver­fü­gungen – oder nach § 32 IfSG in Form von Rechts­ver­ord­nungen ermächtigt, wobei die Maßnahmen im Einzelnen natürlich verhält­nis­mäßig sein müssen. Es ist auch durchaus umstritten, wie weit die General­klausel des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG geht, und ob sie etwa auch die derzeit disku­tierte Ausgangs­sperre umfasst.

Das IfSG regelt in § 30 IfSG auch die Quarantäne. Diese ist nämlich keineswegs ein freund­licher Appell an die Vernunft des Infizierten oder Erkrankten. Das Abson­de­rungs­verbot kann nach § 30 Abs. 2 IfSG zwangs­weise durch­ge­setzt werden, ihm können Gegen­stände wegge­nommen werden, und man kann verfügen, dass er niemanden mehr trifft außer dem medizi­ni­schen Personal und dem Pfarrer. Nach § 31 IfSG kann man ihm auch bestimmte Berufe verbieten.

Solche Maßnahmen sind natürlich nicht nur persönlich ausge­sprochen belastend. Sie können auch wirtschaftlich unter Umständen ausge­sprochen schwer wiegen: Wird etwa der nette Weinhändler an der Ecke unter Quarantäne gestellt, ist er mögli­cher­weise schnell insolvent. Und trifft es ein ganzes Team, kommen auch größere Unter­nehmen schnell in Schwie­rig­keiten. Deswegen enthält der 12. Abschnitt des IfSG Entschä­di­gungs­regeln, die die tiefen Einschnitte ausgleichen sollen, v. a. § 56 IfSG. Danach sind Menschen, die wegen eines behörd­lichen Verbots nicht arbeiten dürfen, weil ein Tätig­keits­verbot oder eine Quaran­tän­ever­fügung ergangen sind, entschä­di­gungs­be­rechtigt. Sind sie angestellt, erhalten sie ihr Gehalt vom Arbeit­geber, der seiner­seits erstat­tungs­be­rechtigt ist, § 56 Abs. 5 IfSG. Bei Selbstän­digen können zusätzlich auch ansonsten ungedeckte Betriebs­aus­gaben erstattet werden. Pferdefuß an der Sache: Geld gibt’s hiernach nur für denje­nigen, der infiziert oder krank ist und deswegen von der Behörde aus dem Verkehr gezogen wurde. Wer gesund ist und sein Geschäft schließen muss oder dem schlicht die Aufträge ausgehen, erhält nach dem IfSG nichts. Inzwi­schen hat die Politik aller­dings angekündigt, auch in solchen Fällen zu helfen.

Wenn Sie hierzu oder in allen anderen recht­lichen Fragen des Energie‑, Umwelt- und Infra­struk­tur­rechts Unter­stützung benötigen: Wir erhalten unseren Bürobe­trieb in unseren Kanzlei­räumen natürlich aufrecht. Wir bitten Sie aber, sich telefo­nisch (030 403 643 62 0) oder per E‑Mail an uns zu wenden.

2020-03-18T23:07:39+01:0018. März 2020|Verwaltungsrecht|

Eltern­bei­träge bei geschlos­senen Kitas

Die zum Schutz vor der schnellen Verbreitung der Corona-Pandemie inzwi­schen verhängten Maßnahmen mögen erfor­derlich sein. Sie verlangen von einzelnen Betrof­fenen oder sogar ganzen Branchen aber oft ziemlich viel ab. Manche Gaststät­ten­be­treiber oder Künstler haben auf einen Schlag bis auf weiteres fast alle Einkünfte verloren. Zugleich macht berufs­tä­tigen Eltern die Betreuung der Kinder zu schaffen. Wenn deswegen das Einkommen sinkt, heißt das dennoch nicht zwingend, dass wenigstens die Betreu­ungs­kosten wegfallen.

Denn mit den Eltern­bei­trägen, die außerhalb Berlins in vielen Bundes­ländern in öffent­lichen Kinder­ta­ges­stätten geleistet werden müssen, ist das so eine Sache. Es handelt sich nämlich nicht direkt um eine Gegen­leistung für tatsächlich erbrachte Betreu­ungs­dienste. Vielmehr werden sie nach § 90 SGB VIII als pauscha­li­sierter Kosten­beitrag angesehen. Der Kosten­beitrag aller Eltern deckt dabei bei weitem nicht die tatsäch­lichen Perso­nal­kosten. Viele kommunale Beitrags­sat­zungen stellen daher klar, dass zumindest bei vorüber­ge­henden Schlie­ßungen die Beiträge nicht zurück­er­stattet werden. Bislang ist das vor allem bei Kita-Streiks thema­ti­siert worden. Die Recht­spre­chung hält diese Satzungen grund­sätzlich für rechtmäßig.

So etwa das Verwal­tungs­ge­richt (VG) Neustadt an der Weinstraße mit Urteil vom 14.07.2016: Auch während einer vorüber­ge­henden streik­be­dingten Schließung einer Kita soll der Kosten­beitrag daher ein vorteils­ge­rechtes Äquivalent für die weiter fortbe­stehende Vorhaltung des Kita-Platzes darstellen. Diese Regelung soll auch nicht gegen das Äquiva­lenz­prinzip des Abgaben­rechts verstoßen. Kita-Beiträge seien Beiträge „sui generis“ (eine Verle­gen­heits­formel mit der Juristen gemeinhin etwas bezeichnen, dass sich nicht in bekannte Kategorien einordnen lässt). Sie seien nur begrenzt dem abgaben­recht­lichen Äquiva­lenz­prinzip unter­worfen. Aller­dings darf auch ein solcher Beitrag nicht im groben Missver­hältnis zur erbrachten Leistung stehen.

Demnach kommt es wohl darauf an, wie lange die Kitas letztlich geschlossen sein werden. Bei einer mehrmo­na­tigen Schließung könnten die Gerichte mögli­cher­weise auch anders entscheiden und den Eltern ihre Beiträge erstatten. Und dass es Konflikte gegen dürfte zeichnet sich schon ab. So haben Eltern in NRW bereits eine Online-Petition gestartet. Inzwi­schen haben etliche Kommunen und Länder aber auch schon angekündigt, dass sie eine Regelung finden wollen, dass Eltern, die finan­ziell und organi­sa­to­risch doppelt belastet sind, nicht auf den gesamten Kosten sitzen bleiben (Olaf Dilling).

2020-03-17T20:13:07+01:0017. März 2020|Verwaltungsrecht|

Fernwärme: Der Fluch der Ölpreisbindung

In den letzten Tagen erlebt der Ölpreis bedingt durch die Corona­krise eine Talfahrt sonder­gleichen. Am heutigen Montag notiert der Ölpreis pro Barrel Brent auf 32,27 $, 46,3% der Einjah­res­no­tierung. Dies wird sich zeitver­setzt natürlich auch auf die direkt oder indirekt ölpreis­in­de­xierten Energie­preise auswirken.

Unschädlich ist dies dort, wo die eigene Kosten­struktur mit den den Letzt­ver­brau­chern in Rechnung gestellten Preisen mitschwingt. Zum Problem kann der rapide Sturz des Ölpreises aber bei der Fernwärme werden:

Für Preis­gleit­klauseln in der Fernwärme gilt § 24 Abs. 4 AVBFern­wärmeV. Dessen S. 1 lautet:

Preis­än­de­rungs­klauseln dürfen nur so ausge­staltet sein, daß sie sowohl die Kosten­ent­wicklung bei Erzeugung und Bereit­stellung der Fernwärme durch das Unter­nehmen als auch die jewei­ligen Verhält­nisse auf dem Wärme­markt angemessen berücksichtigen.“

Neben den eigenen Kosten des Versorgers muss die Formel also auch den Wärme­markt abbilden, und zwar nicht den für Fernwärme, sondern alle Möglich­keiten, wie man Räume heizt. Die jüngere Recht­spre­chung legt es nahe, dass die eigenen Kosten und die Wärme­markt­ent­wicklung ungefähr gleich gewichtet werden; markt­üblich sind 60/40, man sieht auch 70/30. Das Markt­element ist also für die Entwicklung der Preise und damit für die Einnah­me­si­tuation der Unter­nehmen wichtig.

Tradi­tionell haben viele Unter­nehmen den Markt­index an den Ölpreis gebunden. Eine erste Erschüt­terung hat diese Praxis bereits durch die Entscheidung Bundes­ge­richtshof (BGH) vom 19. Juli 2017 (VIII ZR 268/15) erfahren. Hier hat der BGH der zweiten Instanz vorm Landge­richt (LG) Würzburg entge­gen­ge­halten, er habe die Praxis, den Markt durch nur einen Brenn­stoff abzubilden, keineswegs für unpro­ble­ma­tisch erklärt. Dies sei zunehmend kritisch zu betrachten und im Einzelfall zu prüfen (und damit auch für das versor­gende Unter­nehmen meist aufwändig darzu­legen). Rechtlich ist es damit nicht mehr empfeh­lenswert, das Markt­element durch leichtes Heizöl abzubilden. Mögli­cher­weise ist die Praxis rechtswidrig.

Die Ölpreis­ent­wicklung der letzten Wochen macht deutlich, dass diese Praxis auch wirtschaftlich schwierig ist. Denn wenn die eigene Preis­ent­wicklung nicht oder nur sehr teilweise ölpreis­ab­hängig ist, aber das Markt­element den Preis zur Verbrau­cher­seite hin nach unten regelt, verschlechtert sich die wirtschaft­liche Lage der Unter­nehmen ohne Not. Hier lohnt es sich, über eine Überar­beitung der Preis­klausel nachzu­denken, wenn nicht sogar in diesem Zuge die Preise und das Preis­system insgesamt neu zu kalku­lieren, um nicht nur die Preis­ent­wicklung nach unten wie nach oben abzuflachen und Spitzen zu vermeiden. Sondern auch die eigene Ergeb­nis­ent­wicklung vor so unvor­her­seh­baren Entwick­lungen wie aktuell zumindest ein Stück zu sichern (Miriam Vollmer)

2020-03-16T11:05:17+01:0016. März 2020|Wärme|