Düngeverordnung: Umweltrecht im Zeichen der Coronakrise
Heute sollte eigentlich der Umweltausschuss des Bundesrats über die Düngeverordnung beraten. Wie wir bereits berichteten, hatte die Bundesregierung der Kommission Ende letzten Jahres einen Entwurf vorgelegt. Und dieser Entwurf hat tatsächlich in Brüssel Gnade gefunden. Nachdem der Europäische Gerichtshof zuvor auf Betreiben der Kommission immer wieder Mängel in der deutschen Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie gefunden hatte.
Diese Mängel betrafen insbesondere die Landwirtschaft als den Hauptverursacher der Nährstoffeinträge in die Gewässer. Daher stand die Novelle der Düngeverordnung im Zentrum der Umsetzung. In ihr waren unter anderem strengere Regeln für das Düngen in Hanglagen und für Gewässerrandstreifen vorgesehen. Außerdem eine Deckelung der Gesamtmenge an Nitrat pro Hektar. Die Landwirte befürchten Ertragseinbußen und zusätzliche Bürokratie. Nicht zuletzt wegen der Reform der Düngeverordnung hatten in den letzten Monaten immer wieder Landwirte mit Traktoren in deutschen Innenstädten demonstriert.
Auf der anderen Seite drohen tägliche Strafzahlungen in sechsstelliger Höhe an die EU, die auf Deutschland zukommen könnten. Außerdem Grenzwertüberschreitungen beim Nitrat in weiten Teilen Deutschlands, die auch zu einer Erhöhung der Trinkwasserkosten führen. Nicht zuletzt trägt die Düngung über das Freisetzen von Lachgas indirekt auch im erheblichen Maß zum Klimawandel bei.
Angesichts dieser starken politischen Interessen auf beiden Seiten ist es kein Wunder, dass die Reform politisch heftig umstritten ist, und die Länder zahlreiche Änderungsvorschläge einbringen wollen. Auch wenn sowohl Landwirte als auch Klimaschützer zur Zeit allein schon angesichts der aktuellen Einschränkungen des Versammlungsrechts nicht mehr den öffentlichen Raum und die aktuelle Diskussion beherrschen.
Am Montag sollte schon der Landwirtschaftsausschuss des Bundesrats über den Entwurf beraten haben. Angesichts der akuten Ansteckungsgefahr hat der Bundesrat jedoch alle Sitzungen ausgesetzt. Sowohl der Landwirtschaftsausschuss als auch der Umweltausschuss entscheiden über die Vorlage daher im Umfrageverfahren.
Dies ist nach § 43 der Geschäftsordnung des Bundesrates (GO-BR) eigentlich nur dann vorgesehen, wenn der Vorsitzende die mündliche Beratung einer Vorlage für entbehrlich hält. Auf Antrag eines Landes könnte eine Sitzung zwar im Prinzip erzwungen werden. Allerdings ist das angesichts der aktuellen Pandemie nicht zu erwarten. Auch wenn es sicherlich mehr als genug politischen Sprengstoff für mündliche Beratungen gäbe.
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende des Bundestages Dürr hat mittlerweile vorgeschlagen, wegen der Coronakrise die Düngeverordnung zugunsten der Landwirtschaft auszusetzen. So richtig überzeugend ist das insofern nicht, als wegen der dann zu erwartenden Strafzahlungen die ohnehin angeschlagenen Wirtschaft vermutlich stärker leiden würde. Und auch auf Dauer dürfte sich ein nachhaltiger Umgang mit Boden, Grundwasser und Klima für die Bürger auszahlen (Olaf Dilling).