Emissionshandel: Umgang mit der Pandemie
Das Robert-Koch-Institut (rki) geht von einer bis zu zweijährigen Dauer der Corona-Pandemie aus, in deren Zuge sich voraussichtlich die meisten Deutschen irgendwann infizieren. Da der Virus hochansteckend ist, wird das absehbar auch ganze Mitarbeitergruppen betreffen, insbesondere, wenn sie eng zusammenarbeiten. Es kann also sein, dass von heute auf morgen ganze Teams in Quarantäne geschickt werden. Was bedeutet das für den Emissionshandel nach dem TEHG?
Bekanntlich kennt der Emissionshandel eine ganze Reihe von Pflichten, die den Verantwortlichen treffen, also den Anlagenbetreiber. Die Haupt- und Königspflicht befindet sich in § 7 Abs. 1 TEHG, die Pflicht zur Abgabe von Emissionsberechtigungen alljährlich zum 30. April für die Vorjahresemissionen. Der Bedeutung dieser für die Funktionalität des Instruments essentiellen Instituts trägt die außerordentlich scharfe Sanktionierung Rechnung: Nach § 30 Abs. 1 TEHG muss der Betreiber für jede Berechtigung, die nicht fristgerecht abgegeben wurde, mindestens 100 EUR zahlen. Bei einem mittelgroßen HKW, das im Jahr 150.000 t CO2 emittiert, werden also 15 Mio. EUR fällig.
Diese Strafzahlung kann nicht abgesenkt werden, es handelt sich also nicht um einen Höchstbetrag oder einen Rahmen. Die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) hat kein Ermessen. Zudem stehen Verspätung und Ausfall gleich. Die Strafzahlung ist auch nicht verschuldensabhängig. Leichte Fahrlässigkeit wird genauso behandelt wie der böswillige Versuch, sich den Lasten des TEHG zu entziehen. Das bedeutet: Auch in außergewöhnlichen Zeiten hat die Einhaltung der Abgabepflicht allerhöchste Priorität.
Die Abgabepflicht kennt nur eine Ausnahme: Bei höherer Gewalt muss nicht gezahlt werden. Liegt aber höhere Gewalt schon vor, wenn der zuständige Mitarbeiter des Anlagenbetreibers an Corona erkrankt? Schließlich versteht man unter höherer Gewalt Umstände, die auch durch die äußerst zumutbare Sorgfalt weder abgewendet noch unschädlich gemacht werden können.
Hier muss sich nun jedes Unternehmen hinterfragen. Hat es wirklich alles mit der höchsten zumutbaren Sorgfalt getan, um die Einhaltung der Abgabepflicht zu sichern? Ist gewährleistet, dass mehr als eine Person mit den Pflichten vertraut ist und eine gültige Signaturkarte hat und auch noch ins Büro kommt, wenn dies wegen äußerer Umstände schwierig wird, etwa, weil der ÖPNV nicht mehr stattfindet? Wenn mehrere Mitarbeiter zuständig ist, kann man diese über Dienstpläne separieren, so dass nicht Kollege Schulze quarantänebedingt ausfällt, wenn Kollege Müller erkrankt? Gibt es Verantwortungskaskaden, die etwa eine Einbeziehung Dritter ermöglichen? Kümmert sich jemand und stellt notfalls die technische Infrastruktur Kollege Schulze vor die Tür?
Viele Unternehmen müssen nun ihr Playbook Emissionshandel kurzfristig auf seine Robustheit hin hinterfragen. Dringend gefordert sind diejenigen, die sich bisher um die TEHG-Compliance noch gar nicht gekümmert haben (Miriam Vollmer).
Ergänzung: Zwischenzeitlich hat die DEHSt per E‑Mail informiert: Wenn nachweislich aufgrund COVID19 Pflichten nach dem TEHG verletzt würden, würde dies berücksichtigt werden. Es wird auf weitere Veröffentlichungen der EU bzw. der KOM verwiesen. Dies ist allerdings alles andere als ein Freibrief: Dass eine Epidemie höhere Gewalt darstellen kann, ist das eine. Aber Unternehmen müssen sich trotzdem fragen lassen, ob sie auch für diesen Fall alles Erdenkliche getan haben, um Abgabefehler auszuschließen.