Corona: Rechtslage in Berlin (23.03.2020)
Nachdem der Regierende Bürgermeister Berlins sich über Tage vorwerfen lassen musste, dass Berlin nicht genug gegen die Corona-Pandemie tut, gilt seit heute (23.03.2020) eine ausgesprchen rigide Rechtslage nach der SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung (SARS-CoV-2-EinddmaßnV). Wir haben uns die taufrische Rechtslage angeschaut:
Was steht in der SARS-CoV-2-EinddmaßnV?
- Versammlungen und Zusammenkünfte sind mit wenigen Ausnahmen verboten. Wenn sie ausnahmsweise erlaubt sind (Bundestag, Beerdigungen, betriebsnotwendige Zusammenkünfte etc.), müssen die Teilnehmer in einer Liste erfasst werden, § 1 SARS-CoV-2-EinddmaßnV.
- Die §§ 2 bis 4 SARS-CoV-2-EinddmaßnV setzen dem öffentlichen Leben Berlins praktisch ein Ende. Von Bars über Fitnesstudios, von Möbelhäusern über Theater bis Shisha Bars ist quasi alles geschlossen. Geöffnet sind Supermärkte, Apotheken, Drogerien, Buchhandlungen, Handwerk, Waschsalons und einige Versorgungsbetriebe mehr, die in § 3a Abs. 2 SARS-CoV-2-EinddmaßnV aufgezählt sind. Irritierend ist hier, dass Wochenmärkte und Bau- und Gartenmärkte geöffnet bleiben dürfen, aber offenbar sieht der Senat hier Notwendigkeiten für die Aufrechterhaltung des Alltagslebens. Restaurants und Imbisse dürfen nur noch Take away und Lieferdienste anbieten, keinen Service mehr am Tisch.
- Die Krankenhäuser konzentrieren sich die Behandlung von COVID19, § 5. Besuche in Krankenhäusern und Pflegeheimen sind nur noch in ganz wenigen Ausnahemfällen erlaubt, v. a. zugunsten Schwerstkranker und Kinder. Immerhin darf man eine Vertrauensperson – zB den Vater – zur Geburt mitnehmen, § 6.
- Behindertenwerkstätten werden geschlossen, Ausnahmen gibt es für Versorgungseinrichtungen zugunsten der Menschen mit Behinderungen, § 7a.
- Schulen und Kitas sind geschlossen. Es können Prüfungen abgenommen werden, wenn ein Mindestabstand von 1,5 m gewahrt ist. Es gibt Notbetreuungen für die Kinder von Eltern, die unbedingt arbeiten müssen wie Ärzte oder Busfahrer oder andere Jobs, ohne die das öffentliche Leben zusammenbricht, § 8. Auch der Lehr- und Wissenschaftsbetrieb ruht, § 10 – § 13.
- Die Berliner müssen in ihrer Wohnung (nicht: Wohnanlage/Mehrfamilienhaus!) bleiben. Das Verlassen der Wohnung ist nur erlaubt, wenn es einem der in § 14 Abs. 3 SARS-CoV-2-EinddmaßnV aufgezählten Zwecke dient. Man darf danach zB arbeiten gehen. Man darf einkaufen gehen. Oder im Freien Sport treiben oder spazieren gehen, aber nur mit Menschen, mit denen man zusammenlebt, oder maximal einer anderen Person. In jedem Fall hat man 1,5 m Abstand zu halten.
Anders als in anderen Bundesländern sind Besuche in Privatwohnungen stark eingeschränkt! Man darf Ehe- und Lebenspartner besuchen, sein Sorge- und Umgansgrecht wahrnehmen, oder alte und kranke Menschen besuhen (ob das immer sinnvoll ist, muss sich jeder Betroffene fragen).
- Normalerweise muss man in Deutschland kein Ausweispapier dabei haben. Seit heute ist das aber Pflicht, § 17 SARS-CoV-2-EinddmaßnV.
- Die Ausgangssperre und Ausweispflicht gilt bis zum 5. April, die anderen Vorschriften bis zum 19. April.
Ist die SARS-CoV-2-EinddmaßnV rechtmäßig?
Es spricht Einiges dafür, dass die SARS-CoV-2-EinddmaßnV juristisch auf wackeligen Füßen steht. So ist schon fraglich, ob die Ermächtigungsgrundlage im Infektionsschutzgesetz (IfSG) ausreicht. Auch über die Verhältnismäßigkeit im Einzelfall lässt sich mit offenem Ausgang trefflich streiten.
Nun sind rechtswidrige Rechtsverordnungen nichtig, also unbeachtlich. Doch angesichts der drohenden Strafen kann man niemandem empfehlen, es darauf ankommen zu lassen. Dies wirft die Frage nach gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten auf. Berlin kennt keine Normenkontrolle nach § 47 VwGO. Deswegen wäre an eine Feststellungsklage zu denken. Angesichts der Dauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren wäre effizienter Rechtsschutz ohnehin nur im Eilverfahren denkbar, wenn auch angesichts der aktuellen Lage eher überraschend.
Wass passiert bei Verstößen?
Nach § 73 Abs. 1a Nr. 6 i. V. m. Abs. 2 IfSG können Bußgelder bis zu 25.000 EUR verhängt werden. Nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 IfSG kann bei Vorsatz eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe verhängt werden, bei Fahrlässigkeit nach Abs. 4 bis zu einem Jahr oder Geldstrafe (Miriam Vollmer).
Sie haben Fragen zur Berliner Rechtslage oder zu anderen Bundesländern? Melden Sie sich, gern per E‑Mail oder Telefon. Wir unterbreiten Ihnen kurzfristig ein Angebot.