Je länger je lieber: Laufzeit von Contracting-Verträgen

Seien wir ehrlich: Die meisten Geschäfts­mo­delle, mit denen man in der Energie­wirt­schaft aktuell in die Zeitung kommt, rechnen sich nur sehr bedingt. Innovation wird vom Markt kaum honoriert. Tatsächlich leben die meisten Stadt­werke ganz solide von den Grund­ver­sor­gungs­kunden Gas und Strom, dem Netzbe­trieb und der Fernwärme, die damit weit wichtiger ist als ihr oft etwas spießiger Ruf. 

Neben der klassi­schen Versorgung aus zentralen Heizkraft­werken wächst in diesem Segment in den letzten Jahren die Bedeutung von Nahwär­me­lö­sungen, ganz modern Contracting genannt. Hier stellt der Wärme­ver­sorger dem Abnehmer eine Heizungs­anlage in den Keller und versorgt ihn aus dieser Anlage mit warmem Wasser und Raumwärme. Vorteil für den Abnehmer: Er muss keine Heizung finan­zieren und genießt in aller Regel ein Rundum-Sorglospaket.

Meistens wird in den Verträgen zwischen Erzeuger und Abnehmer der Wärme die Geltung der AVBFern­wärmeV vereinbart. Diese lässt in § 32 Abs. 1 AVBFern­wärmeV eine Vertrags­laufzeit von maximal zehn Jahren zu. Das ist zwar weit mehr, als bei anderen Dauer­schuld­ver­hält­nissen zulässig ist. Anders als bei einem Strom­lie­fer­vertrag oder einem Zeitungsabo ist das Contracting aber mit hohen Inves­ti­tionen verbunden. Kündigt der Abnehmer nach zehn Jahren, so steht der Fernwär­me­ver­sorger dumm da. Eine zehnjährige Heizungs­anlage lässt sich nicht ohne weiteres in den nächsten Keller schrauben. Und die aufwen­digen für die mit der Instal­lation verbun­denen baulichen Maßnahmen bekommt der Versorger auch nicht zurück. Es ist also in seinem natür­lichen Interesse, längere Laufzeiten zu vereinbaren.

Die AVBFern­wärmeV kennt aller­dings keine Ausnahme für solche Konstel­la­tionen. Ein Schlupfloch bietet das Regelwerk aber doch. § 1 Abs. 3 AVBFern­wärmeV bestimmt nämlich, dass der Vertrag auch zu abwei­chenden Bedin­gungen abgeschlossen werden kann, wenn der Versorger einen Vertrags­schluss zu den allge­meinen Bedin­gungen dieser Verordnung angeboten hat und der Kunde mit den Abwei­chungen ausdrücklich einver­standen ist. Der Kunde muss also ein Wahlrecht haben. Das OLG Köln (5 U 28/14) fordert in Anlehnung an das Recht der Allge­meinen Geschäfts­be­din­gungen damit, dass der Kunde die reale Möglichkeit erhalten muss, den Inhalt der Vertrags­be­din­gungen zu beeinflussen.

In dem vom OLG Köln entschie­denen Verfahren hatte der Versorger zwei Varianten angeboten, nämlich eine mit einer Laufzeit über zehn und eine andere über 15 Jahre. Bei längerer Laufzeit sollte ein 20% günsti­gerer Grund­preis gelten. Zwar verneinte der Senat im konkreten Fall eine echte Wahlmög­lichkeit wegen der perso­nellen Verstri­ckungen des Geschäfts­führers der Beklagten. An den 15 Jahren an sich hatte es aber nichts auszusetzen. 

Für die Praxis bedeutet das bis auf Weiteres: Will ein Versorger mehr als die ihm gesetzlich gewährten zehn Jahre Vertrags­laufzeit, so muss er dem Kunden eine längere Laufzeit beispiels­weise preislich schmackhaft machen. Er ist aber in jedem Fall verpflichtet, auch ein Angebot im Einklang mit § 32 Abs. 1 AVBFern­wärmeV anzubieten, also mit nur zehn Jahren. Dass beides angeboten wurde, ist in jedem Fall zu dokumen­tieren. Hierbei ist äußerste Vorsicht geboten. Wenn die Wahlfreiheit nämlich nicht nachweisbar besteht, so kann der Kunde jederzeit den Vertrag beenden.

2019-03-12T23:58:06+01:0012. März 2019|Wärme|

Insek­ten­schutz vs. „Insek­ten­schutz“

Bislang führt die Eingabe des Stich­wortes „Insek­ten­schutz“ bei Google bisher nur zu Werbung für Fliegen­gitter oder Insek­tizide. Das könnte sich bald schon ändern: Der Schutz vor Insekten soll durch den Schutz der Insekten ergänzt, manche meinen sogar ersetzt, werden. Allein in Bayern haben 1,7 Millionen Bürger im Rahmen eines Volks­be­gehrens einen Geset­zes­entwurf unter­stützt, dessen Ziel es ist, dem Arten­verlust, insbe­sondere dem Rückgang der Bienen und Schmet­ter­linge, entge­gen­zu­wirken. Inzwi­schen hat auch die Bundes­um­welt­mi­nis­terin Svenja Schulze (SPD) angekündigt, ein Gesetz zum Schutz der Insekten (Insek­ten­schutz­gesetz) zu planen.

Die Maßnahmen, die in dem Geset­zes­entwurf des bayeri­schen Volks­be­gehrens vorge­sehen sind, richten sich in erster Linie an die Landwirt­schaft. So wird z.B. eine Quote für den Ökolandbau gefordert, verbes­serter Schutz von Struk­tur­ele­menten wie Gehölzen, Gewässern, Natur­stein­mauern usw, ein Verbot des Umbruchs von Dauer­grünland oder des Einsatzes von Pesti­ziden in Natur­schutz­ge­bieten. Aber auch ein Verbot von insek­ten­schä­di­genden Beleuch­tungs­an­lagen (sog. Himmels­strahlern) gehört zu dem Maßnahmenkatalog.

Die bayerische Landes­ver­fassung sieht eine Art Volks­ge­setz­gebung vor, das heißt, dass Ergebnis eines erfolg­reichen Volks­be­gehrens nicht bloß ein Apell an den Landes­ge­setz­geber darstellt, sondern eine Geset­zes­in­itiative, die zunächst dem Landtag zur Abstimmung vorgelegt wird. Wenn der Landtag ablehnt, stimmt in einem weiteren Schritt, dem Volks­ent­scheid, innerhalb von drei Monaten die Wahlbe­völ­kerung über den Entwurf ab, wobei der Landtag einen Gegen­entwurf zur Abstimmung stellen kann. Der bayerische Minis­ter­prä­sident Söder hat bereits angekündigt, ein Gesetz zu machen, durch das sowohl die Natur als auch die Landwirt­schaft besser geschützt werden, als durch den bishe­rigen Geset­zes­entwurf. Wir sind schon gespannt, ob sich Insek­ten­schutz und „Insek­ten­schutz“ tatsächlich halbwegs konfliktfrei verein­baren lassen.

2019-03-12T12:34:13+01:0012. März 2019|Allgemein, Umwelt|

BGH zu singulär genutzten Betriebsmitteln

Bereits letzten Herbst hat der Bundes­ge­richtshof (BGH) eine zuvor heftig umstrittene Frage zur Auslegung des § 19 Abs. 3 Strom­netz­ent­gelt­ver­ordnung (StromNEV) geklärt (Beschl. v. 09.10.2018, EnVR 42/17 und EnVR 43/17). Diese Regelung ordnet an, dass der Netzkunde, der in seiner Anschluss­ebene sämtliche Betriebs­mittel allein nutzt, so gestellt wird, als sei er direkt an die nächst­höhere Netz-oder Umspann­ebene angeschlossen. Er zahlt dann nur das allge­meine Netzentgelt der vorge­la­gerten Netzebenen und die Kosten der von ihm indivi­duell genutzten Betriebsmittel. 

Die vorge­la­gerten Netzbe­treiber waren davon überzeugt, dass diese Sonder­re­gelung nur in Anspruch genommen werden kann, wenn über das singulär genutzte Betriebs­mittel, in dem Verfahren EnVR 42/17 konkret mehrere Hochspan­nungs­lei­tungen zur Verbindung des Vertei­ler­netzes mit dem vorge­la­gerten Netz, auch mittelbar keine weiteren Personen versorgt werden.

Die Bundes­netz­agentur (BNetzA) überzeugte das schon 2016 nicht. Hier hatte sich in Netznut­zerin des Verfahrens 42/17 nämlich 2014 beschwert, nachdem der vorge­la­gerte Netzbe­treiber ihr die Inanspruch­nahme der Sonder­re­gelung verwehrt hatte. Dieser war damit jedoch unzufrieden und wandte sich ans Oberlan­des­ge­richt (OLG) Düsseldorf. Dieses entschied 2017 (VI‑3 Kart 12/16) das die Bundes­netz­agentur § 19 Abs. 3 StromNEV richtig inter­pre­tiert hatte. Dem schloss sich dann auch der BGH an: In Rz. 13 der Entscheidung VR 42/17 betonte er in unmiss­ver­ständ­licher Klarheit, dass es allein darauf ankomme, dass an die betrof­fenen Betriebs­mittel keine weiteren Netznutzer direkt angeschlossen sind. Mittelbare Nutzungen bleiben unberück­sichtigt. Dies begründet der BGH mit Wortlaut und Syste­matik sowie Sinn und Zweck der Norm. Es gilt das trans­ak­ti­ons­un­ab­hängige Punkt­modell. Leitge­danke des BGH ist dabei die Vermeidung von Anreizen zum Bau von Direkt­lei­tungen. Es ist volks­wirt­schaftlich nämlich unerwünscht, dass Netznutzer die letzten Meter zwischen dem vorge­la­gerten Netz und der eigenen Entnah­me­stelle wirtschaftlich optimieren, indem sie sich direkt an die Umspannung hängen.

2019-03-11T09:51:53+01:0011. März 2019|Strom|