Die 43. BImSchV: Nach der Umsetzung ist vor der Umsetzung

Ohne dass dies außerhalb umwelt­recht­licher Fachforen besondere Aufmerk­samkeit erregt hätte, hat Anfang Juli der Bundesrat und zuvor schon Mitte Mai 2018 der Bundestag der 43. Bundes­im­mis­si­ons­schutz­ver­ordnung (BImSchV) zugestimmt. Sie wird damit demnächst, nach ihrer Verkündung durch das Bundes­kanz­leramt, in Kraft treten. Dann ist die Bundes­re­gierung ihrer Umset­zungs­pflicht für die neue EU-Richt­linie über die nationale Emissi­ons­re­duktion bestimmter Luftschad­stoffe (die neue NEC-Richt­linie (EU) 2016/2284) mit knapper Verspätung von wenigen Wochen vorerst auf formelle Weise nachge­kommen. 

Aller­dings ist diese Umsetzung, mit der die Inhalte der neuen NEC-Richt­linie in die Form einer Rechts­ver­ordnung gebracht wurden, tatsächlich eine eher vorläufige. Denn die Erledigung des eigent­lichen Auftrags, der mit der EU-Richt­linie aufgeben wurde, steht noch aus: Bei der neuen NEC-Richt­linie geht es, wie schon bei ihrer Vorgän­ger­richt­linie, um eine ambitio­nierte Reduktion bestimmter Luftschad­stoffe. Diese europäi­schen Reduk­ti­ons­pflichten der alten und neuen NEC-Richt­linie beruhen wiederum auf inter­na­tio­nalen Verbind­lich­keiten im Rahmen des Göteborg-Proto­kolls der Genfer Luftrein­hal­te­kon­vention. Betroffen sind namentlich Schwe­fel­dioxid, Stick­stoff­oxide, flüchtige organische Verbin­dungen, Ammoniak und – in der neuen NEC-Richt­linie, bzw. dem 2012 geänderten Göteborg-Protokoll dazuge­kommen – Feinstaub (PM2.5). Während Deutschland bei einem Teil der Schad­stoffe, insb. Schwe­fel­dioxid, und hinsichtlich bestimmter großer Punkt­quellen, wie große Kraft­werke oder Abfall­ver­bren­nungs­an­lagen, große Fortschritte beim Immis­si­ons­schutz verzeichnen konnte, läuft es in anderen Bereichen bekanntlich eher schleppend. 

Bei einigen Substanzen, etwa Stick­stoff­oxiden und Ammoniak, verliefen die Fortschritte sogar so schleppend, dass Deutschland darauf hinwirken musste, dass ihm auf inter­na­tio­naler und europäi­scher Ebene ein sogenanntes „Inventory Adjus­tment“ zugute­ge­halten wurde. Damit konnte Deutschland von einer Ausnah­me­re­gelung profi­tieren, die ausnahms­weise höhere Emissionen erlaubt, wenn die Erhöhung auf Umständen beruht, die von der Vertrags­partei weder vorher­ge­sehen noch beein­flusst werden konnte. Angepasst werden dabei nachträglich die Emissi­ons­in­ventare, die bei Verhandlung des Göteborg-Proto­kolls 1998/99 Grundlage der Festlegung von Emissi­ons­höchst­mengen waren. Die Rechts­folge ist, dass diese Erhöhungen für die Überschreitung der Höchst­mengen nicht berück­sichtigt werden. Ein Beispiel dafür sind Emissionen aus landwirt­schaft­lichen Nutzflächen oder der Lagerung von Gärresten der Bioen­er­gie­pro­duktion; ein anderes – fragli­cheres – Beispiel sind die zusätz­lichen Stick­stoffoxid-Emissionen aus dem Kraft­fahr­zeug­verkehr, die wegen der Verwendung von Abschalt­ein­rich­tungen über die eigentlich vorge­se­henen Euro-5- und Euro-6-Normen hinaus ausge­stoßen wurden. Die Frage, ob die Bundes­re­gierung und insbe­sondere das Verkehrs­mi­nis­terium diese Mehre­mis­sionen tatsächlich weder hat vorher­sehen, noch beein­flussen können, soll an dieser Stelle nicht vertieft werden; ihre Beant­wortung bleibt der geneigten Leser­schaft selbst überlassen. Trotz dieser Inven­tar­an­passung wurde die Höchst­menge für Ammoniak im Jahr 2015 überschritten, was Anfang 2017 zur Neufassung der Dünge­ver­ordnung führte. 

Die neuen, in die 43. BImSchV übernom­menen Regeln sind nun noch ambitio­nierter als die Verpflich­tungen, mit denen Deutschland sich bislang schon schwer getan hat: Vom Basisjahr 2005 ausgehend sollen die jährlichen menschen­ge­machten Emissionen folgen­der­maßen verringert werden: SO2 um 21 %, NOX um 39 %, NMVOC um 13 %, NH3 um 5 % und Feinstaub PM2,5 um 26 %. Von 2030 soll noch stärker reduziert werden, nämlich SO2 um 58 %, NOX um 65 %, NMVOC um 28 %, NH3 um 29 % und Feinstaub PM2,5 um 43 %.

Vor allem in der Landwirt­schaft und im Verkehr werden erheb­liche Anstren­gungen nötig sein, um die ehrgei­zigen Ziele für Stick­stoff­oxide und Ammoniak in Zukunft einzu­halten. Dies gilt nicht nur bezüglich des erhöhten Ausstoßes von Stick­oxiden durch Diesel­fahr­zeuge im Normal­be­trieb, eine Frage bei der inzwi­schen wohl sogar der Bundes­ver­kehrs­mi­nister und das Kraft­fahr­zeug­bun­desamt ihre Gutgläu­bigkeit verloren haben dürften. Auch in der Landwirt­schaft wird eine grund­sätz­li­chere Abkehr von einer Wirtschafts­weise nötig, die massiv in den Stick­stoff­kreislauf eingreift. Nicht zuletzt bleibt auch die Energie­wirt­schaft in der Verant­wortung, Lösungen zu entwi­ckeln und Alter­na­tiven zu finden, die den Ausstoß von Schad­stoffen stark reduzieren. 

2018-07-23T08:57:28+02:0022. Juli 2018|Umwelt|

Unzurei­chend unbundlet?

Kurz vor der Sommer­pause beschreitet die Europäische Kommission den Weg zum Europäi­schen Gerichtshof (EuGH): Die Bundes­re­publik Deutschland hätte das 3. Energie­paket von 2009 nicht richtig umgesetzt, werfen die Brüsseler Beamten den Deutschen vor. Konkret würde es an zwei Punkten haken: Erstens wäre die Bundes­netz­agentur (BNetzA) nicht unabhängig von der Politik. Zweitens hätte Deutschland unzurei­chend entflochten, also Netz und Vertrieb für Strom und Gas nicht richtig vonein­ander getrennt. Damit würde die deutsche Rechtslage hinter den Vorgaben der  Elektri­zi­täts­richt­linie (Richt­linie 2009/72/EG) und der Erdgas­richt­linie (Richt­linie 2009/73/EG) zurück­bleiben.

Der Konflikt schwelt bereits seit 2015. Zwischen­zeitlich hat die Bundes­re­publik sogar 2017 schon nachgelegt. Tatsächlich ist der Gang zu Gericht der letzte Schritt in einer Eskala­ti­ons­kaskade, wenn ein Mitglied­staat europäi­sches Recht einfach nicht beachtet oder – wie hier – meint, dass die Kommission etwas von ihm verlangt, was vom Gemein­schafts­recht schlicht nicht abgedeckt sei. Verliert Deutschland, muss nachge­bessert werden und es werden unter Umständen sehr hohe Strafen fällig.

Doch was ist dran an den Vorwürfen der Kommission? An der BNetzA bemängelt die Kommission, sie sei nicht unabhängig genug. Sie unter­stehe nämlich der Regierung, konkret dem Bundes­wirt­schafts­mi­nis­terium, und dieses habe ausge­sprochen detail­lierte Vorgaben in Form von Verord­nungen erlassen. Das ist – Freunde der Netzent­gelt­re­gu­lierung wissen das – unbestreitbar wahr. Aber weist das wirklich auf die Gefahr einer proble­ma­ti­schen politi­schen Einfluss­nahme hin? Oder entspricht die Aufhängung der BNetzA als Bundes­ober­be­hörde unter das Minis­terium und die Bindung an Verord­nungen, die die Exekutive gestützt auf Gesetze erlässt, schlicht dem tradierten deutschen Verwal­tungs­aufbau? Irgendwer muss doch die Rechts- und Fachauf­sicht ausüben und Verord­nungen erlassen. Mögli­cher­weise, dies wird der EuGH prüfen, hat die Kommission hier die ja nicht unerfolg­reiche deutsche Verwal­tungs­tra­dition schlicht verkannt.

In Hinblick auf das Unbundling ist die Lage noch etwas schwie­riger. Die KOM meint, dass Netz und Vertrieb vor allem in Hinblick auf perso­nelle Wechsel nicht klar genug geschieden seien. Die europäi­schen Regelungen würden in Deutschland so nicht ernst genommen, so dass faktisch Netz und Vertrieb doch nicht agieren würden wie zwei unter­schied­liche Unternehmen.

Unter uns: Oft geht das an der Wirklichkeit nicht so ganz vorbei. Doch abseits der reinen Lehre: Ist es nicht auch oft sinnvoll, dass die eine Hand aus täglicher Praxis weiß, was die andere tut? Ist es in den überschau­baren Struk­turen in den Regionen eigentlich überhaupt realis­tisch, es wäre anders? Vielleicht sollte man den Blick von den äußeren Formen der Entflechtung weg und hin zur Frage von Effizi­enzen richten. Und hier ist Deutschland gut in Schuss. Der Liefe­ran­ten­wechsel funktio­niert meist reibungslos. Die Regulierung der Netzent­gelte ist engma­schig. Und um den einzelnen Kunden konkur­riert eine Vielzahl von Energie­ver­sorgern. Dass trotzdem viele Kunden noch nie gewechselt haben, ist vielleicht am Ende auch einfach ein Zeichen dafür, dass sie so unzufrieden nicht sind.

2018-07-20T09:12:18+02:0020. Juli 2018|Allgemein, Strom|

Ladesäule =/= Tankstelle

Apropos bauliche Anlage: Inzwi­schen wissen wir ja, dass ein Hausboot eine – geneh­mi­gungs­be­dürftige – bauliche Anlage sein kann, aber nicht sein muss. Aber wussten Sie, dass es auch Leute gibt, die eine Elektro­la­de­säule für eine bauliche Anlagen halten? Ja, Sie haben richtig gelesen. So eine Anlage, an der man sein Elektroauto auflädt. Aber vielleicht hielt der Kläger in einem am 13.07.2018 vom Bayeri­schen Verwal­tungs­ge­richtshof (BayVGH) entschie­denen Fall die Ladesäule auch gar nicht wirklich für eine Art Tankstelle, für die es einer Bauge­neh­migung bedurft hätte, sondern es handelte sich lediglich um einen durchaus an den Haaren herbei­ge­zo­genen Vorwand. Aber lesen Sie selbst:

Parken in München ist, wie in vielen Innen­stadt­ge­bieten, bekanntlich nicht einfach. Ein Münchner war also extrem verstimmt, als er erfuhr, dass bei ihm vorm Haus vier Ladesäulen errichtet werden sollten. Die bis zu diesem Zeitpunkt für alle PKWs zugäng­lichen Parkplätze würden also verschwinden. Der Anwohner ohne E‑Auto zog deswegen vor Gericht und versuchte per Eilantrag die Instal­lation zu verhindern.

Für die Kreati­vität der Begründung muss man einem bayeri­schen, mir nicht bekannten Kollegen, gratu­lieren: Es handele sich – so der Vortrag – bei den Ladesäulen um Tankstellen. Und wie jede andere Tankstelle müssten auch für die Ladesäulen Bauge­neh­mi­gungen beantragt werden.

Doch schon das Verwal­tungs­ge­richt München, so wie nun auch der VGH, wollten dem nicht folgen. Es handele sich keineswegs um eine Tankstelle, sondern um eine Verkehrs­anlage, die der Sicherheit und Leich­tigkeit des Verkehrs diene, wie Art. 2 Nr. 3 des BayStrWG es voraus­setze, denn schließlich sei ohne Ladeinfra­struktur keine Elektro­mo­bi­lität möglich, und entspre­chend auch weder Leich­tigkeit noch Sicherheit des Verkehrs, denn beides sei gefährdet, wenn Elektro­wagen im fließenden Verkehr liegen­bleiben. Außerdem seien die Ladesäulen auch nicht besonders groß.

Der Münchner mit dem Ladesäu­len­problem muss sich also wohl ander­weitig einen Parkplatz suchen. Oder, noch besser: Er schafft sich einen Elektro­wagen an.

2018-07-21T04:24:45+02:0018. Juli 2018|Verkehr, Verwaltungsrecht|