Kurz vor der Sommerpause beschreitet die Europäische Kommission den Weg zum Europäischen Gerichtshof (EuGH): Die Bundesrepublik Deutschland hätte das 3. Energiepaket von 2009 nicht richtig umgesetzt, werfen die Brüsseler Beamten den Deutschen vor. Konkret würde es an zwei Punkten haken: Erstens wäre die Bundesnetzagentur (BNetzA) nicht unabhängig von der Politik. Zweitens hätte Deutschland unzureichend entflochten, also Netz und Vertrieb für Strom und Gas nicht richtig voneinander getrennt. Damit würde die deutsche Rechtslage hinter den Vorgaben der Elektrizitätsrichtlinie (Richtlinie 2009/72/EG) und der Erdgasrichtlinie (Richtlinie 2009/73/EG) zurückbleiben.
Der Konflikt schwelt bereits seit 2015. Zwischenzeitlich hat die Bundesrepublik sogar 2017 schon nachgelegt. Tatsächlich ist der Gang zu Gericht der letzte Schritt in einer Eskalationskaskade, wenn ein Mitgliedstaat europäisches Recht einfach nicht beachtet oder – wie hier – meint, dass die Kommission etwas von ihm verlangt, was vom Gemeinschaftsrecht schlicht nicht abgedeckt sei. Verliert Deutschland, muss nachgebessert werden und es werden unter Umständen sehr hohe Strafen fällig.
Doch was ist dran an den Vorwürfen der Kommission? An der BNetzA bemängelt die Kommission, sie sei nicht unabhängig genug. Sie unterstehe nämlich der Regierung, konkret dem Bundeswirtschaftsministerium, und dieses habe ausgesprochen detaillierte Vorgaben in Form von Verordnungen erlassen. Das ist – Freunde der Netzentgeltregulierung wissen das – unbestreitbar wahr. Aber weist das wirklich auf die Gefahr einer problematischen politischen Einflussnahme hin? Oder entspricht die Aufhängung der BNetzA als Bundesoberbehörde unter das Ministerium und die Bindung an Verordnungen, die die Exekutive gestützt auf Gesetze erlässt, schlicht dem tradierten deutschen Verwaltungsaufbau? Irgendwer muss doch die Rechts- und Fachaufsicht ausüben und Verordnungen erlassen. Möglicherweise, dies wird der EuGH prüfen, hat die Kommission hier die ja nicht unerfolgreiche deutsche Verwaltungstradition schlicht verkannt.
In Hinblick auf das Unbundling ist die Lage noch etwas schwieriger. Die KOM meint, dass Netz und Vertrieb vor allem in Hinblick auf personelle Wechsel nicht klar genug geschieden seien. Die europäischen Regelungen würden in Deutschland so nicht ernst genommen, so dass faktisch Netz und Vertrieb doch nicht agieren würden wie zwei unterschiedliche Unternehmen.
Unter uns: Oft geht das an der Wirklichkeit nicht so ganz vorbei. Doch abseits der reinen Lehre: Ist es nicht auch oft sinnvoll, dass die eine Hand aus täglicher Praxis weiß, was die andere tut? Ist es in den überschaubaren Strukturen in den Regionen eigentlich überhaupt realistisch, es wäre anders? Vielleicht sollte man den Blick von den äußeren Formen der Entflechtung weg und hin zur Frage von Effizienzen richten. Und hier ist Deutschland gut in Schuss. Der Lieferantenwechsel funktioniert meist reibungslos. Die Regulierung der Netzentgelte ist engmaschig. Und um den einzelnen Kunden konkurriert eine Vielzahl von Energieversorgern. Dass trotzdem viele Kunden noch nie gewechselt haben, ist vielleicht am Ende auch einfach ein Zeichen dafür, dass sie so unzufrieden nicht sind.
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