Schmutz­was­ser­ge­bühren Brandenburg: OLG Brandenburg entscheidet über Schadensersatz

Die unend­liche Geschichte ist nichts dagegen: Seit DDR-Zeiten waren in Brandenburg Wasser­an­schlüsse einge­richtet worden. Nach der Verei­nigung hatten die Grund­stücks­ei­gen­tümer für diese Anschlüsse späte Rechnungen, genauer gesagt: Beitrags­be­scheide, präsen­tiert bekommen. Grundlage dieser Bescheide war die damals gültige Fassung des § 8 Abs. 7 Satz 2 des Kommu­nal­ab­ga­ben­ge­setzes für das Land Brandenburg (KAG). Hier hieß es, dass die Beitrags­pflicht entstünde, „sobald das Grund­stück an die Einrichtung oder Anlage angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkraft­treten der Satzung“.

Nachdem das OVG Berlin-Brandenburg 2000 (08.06.2000, 2 D 29/98.NE) annahm, die Beitrags­pflicht entstünde nicht erst nach Erlass einer recht­mä­ßigen, sondern bereits nach Erlass irgend­einer Satzung, sahen viele Gemeinden ihre Beiträge bedroht. Das Land änderte deswegen 2004 das KAG. Nunmehr sollte die Beitrags­pflicht erst nach Erlass einer recht­mä­ßigen Satzung entstehen.

Das BVerfG sah dies 2015 als verfas­sungs­widrig an. Die Regelung frustriere den Vertrau­ens­schutz in unzuläs­siger Weise. In der Folge bekamen viele Anschluss­nehmer, die gegen ihre Beitrags­be­scheide Wider­spruch eingelegt hatten, ihr Geld zurück. Doch nicht jeder Betroffene hat auch Wider­spruch eingelegt oder nach erfolg­losem Wider­spruchs­ver­fahren geklagt. Manche hatten dies als sinnlos angesehen, weil bis zu der Entscheidung des BVerfG stets geurteilt wurde, man müsse eben zahlen.

Unter Verweis darauf zogen einige Kläger vor Gericht und verlangten Schadens­ersatz. In Brandenburg gilt das Staats­haf­tungs­gesetz der DDR weiter. Zuständig sind – anders als bei Beitrags­be­scheiden – die Zivil­ge­richte. Sodann ergingen Urteile: Das LG Frankfurt/Oder und das LG Cottbus gaben ersten Klagen überra­schend statt. Um so gespannter warteten Betroffene, darunter insbe­sondere die mit poten­tiell hohen Forde­rungen konfron­tierten Gemeinden, auf die erste Positio­nierung des OLG Brandenburg. Dieses hat nun am Dienstag, dem 20.03.2018, mündlich verhandelt. Zwar existiert noch kein Urteil. Doch der erken­nende Senat hat bereits erkennen lassen, dass er die Klage abweisen will. Das Staats­haf­tungs­gesetz sehe Schadens­ersatz nur bei rechts­wid­rigem Handeln von Verwal­tungen, nicht vom Gesetz­geber, auf den hier das 2004 rechts­widrig ergangene Gesetz zurückgeht. Jedoch gilt es bereits jetzt als sicher, dass die unter­legene Partei den BGH anrufen wird.

Und die Moral dieser – langen – Geschichte? Immer Wider­spruch einlegen, wenn man unzufrieden ist. Wenn Muster­ver­fahren laufen, die Ruhend­stellung anregen. Ist irgendwo erst einmal Bestands­kraft einge­treten, wird es sehr, sehr, sehr schwer, wenn nicht unmöglich, den unerwünschten Bescheid wieder aus der Welt zu schaffen.

2018-03-21T10:50:59+01:0021. März 2018|Allgemein|

Mindest­preis und Schokolade

Ich biete Ihnen eine Wette an. Sie gehen auf eine beliebige Konferenz, die etwas mit Energie zu tun hat. In der Pause holen Sie sich einen Kaffee. Sie stellen sich an einen Tisch mit belie­bigen fremden Leuten, warten ab, bis der erste „CO2-Mindest­preis“ sagt und fragen einfach mal nach, wie der eigentlich so ganz genau aussehen soll. Nicht die Höhe, sondern der genaue Regelungs­me­cha­nismus. Ich wette eine Tafel bester italie­ni­scher Schokolade: Sie hören nichts. Oder nur so ganz allge­meine Ausfüh­rungen, die mit der Talfahrt der Emissi­ons­han­dels­kurse beginnen und im Ungefähren enden.

Wieso überhaupt ein Mindestpreis?

Präzise an den vermutlich ziemlich wolkigen Ausfüh­rungen ist vermutlich nur der Beginn. Tatsächlich sollte der Emissi­ons­handel zu CO2-Preisen führen, die höher sein sollten als der Preis für technische Minde­rungs­maß­nahmen. Zumindest einige Unter­nehmen sollten eher umbauen als Zerti­fikate kaufen. Nach ganz landläu­figer Meinung hat das aber nicht funktio­niert: Für die ungefähr 8 EUR, die ein Zerti­fikat heute kostet, kann in der EU keine Tonne CO2 einge­spart werden. Das DIW ging in einer Studie 2014 davon aus, dass bei 20 EUR/Zertifikat emissi­ons­armes Erdgas günstiger wäre als Stein­kohle, und bei 40 EUR/Zertifikat Erdgas die emissi­ons­in­tensive Braun­kohle verdrängen könnte.

Nun wird die Gesamt­menge an Zerti­fi­katen, die neu ausge­geben werden, immer geringer. Aber es sind noch so viele Zerti­fikate vorhanden, dass niemand ganz sicher sein kann, dass ein strammer Minde­rungspfad von künftig 2,2% p.a. und die Markt­sta­bi­li­täts­re­serve ausreichen, um die Kurse nach oben zu treiben. Deswegen ist seit einiger Zeit der Mindest­preis für CO2 in aller Munde. Er soll auch dann ein bestimmtes Preis­niveau gewähr­leisten, wenn das schiere Verhältnis von Angebot und Nachfrage das eigentlich nicht hergeben.

Lauter offene Fragen

Aber wie soll das aussehen? Die Zerti­fikate werden zumindest bis 2030 zum Teil kostenlos von der Deutschen Emissi­ons­han­dels­stelle (DEHSt) ausge­geben. Teilweise versteigert. Bei diesen Verstei­ge­rungen an der Leipziger Strom­börse kann man sich einen gesetzlich festge­legten Mindest­preis noch am ehesten vorstellen. Dies setzt aber voraus, dass für alle anderen Trans­ak­tionen zwischen Privaten auch ein Mindest­preis gelten würde. Aber gilt das dann für alle? Wie ginge man mit Preis­ef­fekten für Industrie und Verbraucher um? Wo würde das Geld landen? Auf alle diese Fragen gibt es in der allge­meinen Diskussion in Deutschland kaum Antworten, hier wird mehr über die Höhe der Preise speku­liert. Für Details wird allen­falls auf das britische Modell verwiesen.

Wie machen es die Briten?

Schaut man sich dieses britische Modell an, so ist man erstaunt. Es handelt sich nicht um eine Mindest­preis­an­ordnung im wörtlichen Sinne, sondern um eine Steuer. Genauer gesagt: Um einen Aufschlag auf die Energie­steuer CCL, die diffe­ren­ziert nach Energie­trägern erhoben wird. Die Steuer wird vom Verkäufer des fossilen Brenn­stoffs abgeführt, wenn er an Unter­nehmen verkauft, die den Brenn­stoff in einer strom­erzeu­genden Anlage (nicht: kleine KWK) einsetzen.

Dass dieser Steuer­auf­schlag CPSR einen Mindest­preis darstellt, ergibt sich aus der Festsetzung der Höhe. Das britische Finanz­mi­nis­terium setzt ihn zwei Jahre im Voraus auf eine Höhe fest, die die Differenz zwischen den erwar­teten CO2-Preisen und dem CO2-Preis, den das Finanz­mi­nis­terium für richtig hält, abbildet. Derzeit liegt der Zielpreis bei 18 GBP.

Was wird derzeit in Deutschland diskutiert?

Tatsächlich verschleiert das Buzzword vom „Mindest­preis“, dass es auch in Deutschland wohl um eine Steuer gehen wird, entweder auf fossile Brenn­stoffe, oder auf Emissi­ons­be­rech­ti­gungen oder auf die Emission selbst.

Die Steuer auf die Zerti­fikate favori­sieren die GRÜNEN, die einen entspre­chenden Geset­zes­entwurf bereits 2013 vorge­stellt hatten. Besteuert werden sollte der Verbrauch, außer, es handelt sich um kostenlos zugeteilte Zerti­fikate. Ganz ähnlich würde sich eine Steuer auf das von emissi­ons­han­dels­pflich­tigen Anlagen emittierte CO2 selbst auswirken. Auch hier würde auf die Berichte abgestellt, die jährlich einge­reicht werden, und die kostenlose Zuteilung als privi­le­giert abgezogen. Etwas anders würde sich eine Brenn­stoff­steuer auswirken. Hier könnte eine heute bestehende Ausnahme gestrichen und der Steuersatz für die Strom­erzeugung wie in UK einem Zielwert angepasst werden.

Handelt es sich bei der ganzen Diskussion um „Mindest­preise“ damit nur um eine verschämte Umschreibung einer neuen Steuer? Nicht ganz, wenn man der jüngst veröf­fent­lichten Studie des Freiburger Ökö-Instituts im Auftrag des WWF Glauben schenkt: Die Forscher begründen auf S. 22, wieso sie nicht auf Mindest­preise bei den – ja sowieso vorge­se­henen – Auktio­nie­rungen von Zerti­fi­katen setzen. Diese würden nämlich eine Änderung der Emissi­ons­han­dels­richt­linie erfordern.

Doch ist diese nicht gerade sowieso geändert und just am 19.03.2018 sozusagen taufrisch veröf­fent­licht worden? Wieso hat man nicht im Zuge der ohnehin recht tiefgrei­fenden Anpas­sungen auf ein Mindest­preis­modell gesetzt? Hier scheint eine Ausweich­be­wegung statt­ge­funden zu haben: Weil man auf EU-Ebene einen „echten“ Mindest­preis nicht durch­setzen konnte, will man nun in Deutschland oder gemeinsam mit anderen für Klimathemen aufge­schlos­senen Mitglied­staaten eine CO2-Steuer einführen, aber sie nicht so nennen. Wähler reagieren auf neue Umwelt­steuern nämlich ziemlich allergisch.

Steuern und Schokolade

Wenn also auf der nächsten Tagung jemand zu Ihnen kommt und Sie fragt, wie der CO2-Mindest­preis genau funktio­nieren soll, dann sagen Sie laut: Es handelt sich um eine Steuer. Oh, oder Sie sagen nichts, denken sich Ihren Teil und teilen sich mit dem Frager meine Tafel Schokolade.

2018-03-20T08:08:55+01:0019. März 2018|Emissionshandel, Industrie, Strom, Wärme|

OLG Frankfurt entscheidet zur Kundenanlage

Nicht jede Strom­leitung gehört zu einem Stromnetz. Es könnte sich auch um eine Kunden­anlage handeln. Dieser Unter­schied mag auf den ersten Blick akade­misch anmuten, aber von der Einordnung hängt eine Menge Geld und Aufwand ab: Strom­netze unter­liegen der Entgelt­re­gu­lierung und müssen ihre Netzent­gelte deswegen aufwändig kalku­lieren. Für Kunden­an­lagen gilt dies nicht.

Entspre­chend leiden­schaftlich wird um die Konturen des Begriffes gestritten. Eine Legal­de­fi­nition befindet sich in § 3 Nr. 24 EnWG:

„Kunden­an­lagen

Energie­an­lagen zur Abgabe von Energie,

a)
die sich auf einem räumlich zusam­men­ge­hö­renden Gebiet befinden,
b)
mit einem Energie­ver­sor­gungsnetz oder mit einer Erzeu­gungs­anlage verbunden sind,
c)
für die Sicher­stellung eines wirksamen und unver­fälschten Wettbe­werbs bei der Versorgung mit Elektri­zität und Gas unbedeutend sind und
d)
jedermann zum Zwecke der Belie­ferung der angeschlos­senen Letzt­ver­braucher im Wege der Durch­leitung unabhängig von der Wahl des Energie­lie­fe­ranten diskri­mi­nie­rungsfrei und unent­geltlich zur Verfügung gestellt werden,“
Wann eine für den Wettbewerb unbedeu­tende Versorgung statt­findet, ist natur­gemäß ausle­gungs­be­dürftig. Eine ausle­gende Entscheidung zu dieser noch recht neuen Norm hat vor wenigen Tagen das OLG Frankfurt getroffen (Az. 11 W 40/16). Ersten Presse­be­richten zufolge verlangt das OLG Frankfurt im Ergebnis nicht nur, dass der durch­lei­tende Lieferant kein Entgelt zahlen muss, wie der Wortlaut von § 3 Nr. 24 EnWG es mit der Formu­lierung „zum Zwecke“ nahelegt. Das OLG will offenbar, dass das Netz auch für die angeschlos­senen Verbraucher unent­geltlich genutzt werden kann. Dies wirft in Hinblick auf die korrekte Finan­zierung einer solchen Struktur erst einmal einige Rätsel auf, die die – noch nicht vorlie­genden – Entschei­dungs­gründe hoffentlich bald aufklären.
Zudem bejaht das OLG anscheinend eine Wettbe­werbs­ver­fäl­schung bei einer deutlich dreistel­ligen Anzahl von Anschlüssen. Mit dieser Einordnung weicht der Senat von der Einschätzung der Regulie­rungs­kammer Hessen ab. Diese hatte auf den Einzelfall abgestellt. § 3 Nr. 24 lit. c) EnWG legt dies auch nahe. Denn die Regelung erwähnt die schiere Größe der Struktur nicht einmal. Sondern fragt allein nach der wettbe­werb­lichen Bedeutung, die schließlich nicht absolut, sondern nur relativ beurteilt werden kann.
Insgesamt leuchtet die Entscheidung des OLG Frankfurt jeden­falls nicht auf den ersten Blick unmit­telbar ein. Um so gespannter werden nunmehr die Gründe erwartet. Mancher Betreiber von Versor­gungs­struk­turen hat aber bereits nach den wenigen schon bekannten Infor­ma­tionen Grund, über seine Strom­lei­tungen noch einmal gründlich nachzudenken.
2018-03-18T22:15:22+01:0018. März 2018|Strom|