Herr Valk ruft an

Herr Valk ist nieder­ge­schlagen. Dabei dachte er diesmal, nun hätte er es endgültig raus: Vor wenigen Monaten war die Stadt­werke Oberal­theim GmbH (SWO) ja schon einmal abgemahnt worden, als er als Vertriebs­leiter nur ein paar wahllos aus dem Telefonbuch heraus­ge­griffene Leute aus Unter­al­theim angerufen und über die günstigen Tarife der SWO gegenüber der Konkurrenz, der Stadt­werke Unter­al­theim GmbH (SWU), aufge­klärt hatte. Das war über einige Wochen mit nicht geringem Erfolg sogar recht gut gelaufen. Aber als er dann verse­hentlich den Kraft­werks­leiter der Konkurrenz an der Strippe hatte: Da war es dann aus.

Frau Göker hatte kopfschüt­telnd eine straf­be­wehrte Unter­las­sungs­er­klärung abgegeben. Für jeden Anruf ohne Einwil­ligung sollte die SWO als Schuld­nerin nun eine von der SWU als Gläubi­gerin zu bestim­mende, gerichtlich überprüfbare Vertrags­strafe zahlen. Solche Vertrags­stra­fen­be­stim­mungen nennt man „Hamburger Brauch“.

Hoch und heilig hatte Valk versprochen, so etwas nie wieder zu tun.

Indes: Es nagte an seiner Vertriebs­lei­ter­seele. Zu erfolg­reich waren die Anrufe gewesen. Und als dann noch die SWU überpro­por­tional die Preise erhöhte … Kurz und gut. Vor zwei Wochen griff Valk wieder zum Telefon. Aber diesmal nicht ohne Einwil­ligung, schließlich sollte ihm ein so dummer Fehler nur einmal passieren. Statt­dessen fragte er nun mehr direkt zum Beginn jedes Telefonat: „Sind Sie einver­standen, ein kurzes Infoge­spräch über ihren Strom­tarif zu führen?“ Fast jeder hatte einge­willigt. Aber Unter­al­theim ist ein kleiner Ort, und die Leute sprechen mitein­ander. Und so flatterte schon nach wenigen Tagen Frau Göker eine Vertrags­stra­fen­for­derung auf den Tisch. 20.000 € will die SWU nun haben.

Aber ich habe doch Einwil­li­gungen eingeholt.“, ächzte Valk, als Frau Göker wie der rächende Engel Gottes wieder einmal vor seinem Schreib­tisch erschien. In ihrem Gefolge Justi­ziarin Frau Birte Berlach.

Eine unzumutbare Beläs­tigung ist stets anzunehmen bei Werbung mit einem Telefon­anruf gegenüber einem Verbraucher ohne dessen vorherige ausdrück­liche Einwil­ligung“, zitierte Frau Berlach aus § 7 Abs. 2 UWG.

Ist 20k nicht ganz schön viel?“, jammerte Falk, und Frau Göker sah Frau Berlach fragend an. In der Tat: Im Wettbe­werbs­sachen mit normaler wirtschaft­licher Bedeutung liegt die Spanne einer ausrei­chenden Vertrags­strafe norma­ler­weise eher zwischen 2500 € und 10.000 €. Um auf 20.000 €, also weit über dem Niveau des von der Recht­spre­chung im Rahmen einer Billig­keits­prüfung nach § 315 BGB heraus­ge­bil­deten Rahmens zu gehen, braucht es schon einige Argumente.

Solche Umstände hatte die SWU aber gar nicht dargelegt. Auf die Klage der SWO hin blieb es deswegen nicht bei den aufge­ru­fenen 10.000 €. Auf einen richter­lichem Hinweis einigten sich die Parteien auf eine Zahlung von 2.500 €, und Herr Valk schwor diesmal beim Leben seiner Großmutter, nie wieder etwas Vergleich­bares zu tun.

Das Valks Großmutter seit zehn Jahren auf dem Friedhof von Oberal­theim lag, musste ja niemand wissen

Von |2018-08-23T21:21:40+02:0023. August 2018|Strom, Wettbewerbsrecht|

Den Stier bei den Hörnern

Man muss zugeben, dass die Stadt­werke Oberal­theim GmbH (SWO) in den letzten Monaten im benach­barten Unter­al­theim ganz gute Geschäfte gemacht haben. Aber das – so die Geschäfts­leitung der Stadt­werke Unter­al­theim GmbH (SWU) ist jetzt alles Vergan­genheit, denn die SWU hat eine Werbe­agentur mit einer Offensive beauf­tragt, und nun wird das Blatt sich wenden.

Die SWU müsste ein Stadtwerk zum Anfassen werden, hatte die Werbefrau dem Geschäfts­führer Dr. Kunze erzählt. In wochen­langen Sitzungen hatte sie mit ihm und den anderen Mitgliedern der Geschäfts­leitung eine Strategie entwi­ckelt, ausgehend von Identät und Werten der Energie­ver­sorgung in Unter­al­theim, und schließlich war ein Maskottchen dabei heraus­ge­kommen. Eine dicke Kuh. Nein, viel besser: Ein Stier. Es gibt nämlich ein Kuhhorn im Unter­halt­heimer Wappen.

Dr. Kunze rief einen Kinder­stier­mal­wett­bewerb aus. Seine Vertriebs­lei­terin entwi­ckelte mit der Agentur ein Produkt namens „Stier­strom“, der als „kraftvoll“ beworben wurde. Auf allen Prospekten und Plakaten prangten auf einmal Stiere, es gab lustige Wortspiele mit Stieren, und tatsächlich gingen die Abschlüsse erst einmal hoch. Dann aber kam der Samstag, Markttag in Unter­al­theim, und auf dem Markt stand Vertriebs­leiter Valk, Abgesandter des bösen Feindes SWO, an einem riesigen Grill.

An dem Drehspieß drehte sich ein knusprig brauner Ochse, hinter dem Grill prangte ein Plakat „Schlachttag! Hier drehen sich die besten Preise!“, und als Dr. Kunze den fettig grinsenden Valk Ochsen­fetzen verteilen sah, hätte nicht viel gefehlt, und er hätte höchst­selbst zum Bratspieß gegriffen. Statt dessen rief er den Anwalt des Hauses an.

Dieser verschickte noch am selben Tage eine Abmahnung. Hier liege ein Fall der wettbe­werbs­wid­rigen verglei­chenden Werbung nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 und 5 UWG vor, denn die SWO hätte den guten Ruf des Strom­pro­dukts der SWU beein­trächtigt und außerdem die SWU in Gestalt des Stieres verun­glimpft. Wieder einmal fordert die SWU auch diesmal, dass nun bitte endlich Schluss sein muss: Im Wieder­ho­lungsfall fordert die SWU eine Vertrags­strafe von 25.000 EUR.

Sechs Stunden später ist der Ochs am Spieß alle, der Stand abgeräumt und die Antwort da. Die Anwältin der SWO sieht keinen Rechts­verstoß. Hier liege lediglich eine ironische, humor­volle Anspielung vor, keineswegs eine ernst­hafte Herab­setzung. Schließlich hätte Valk nie behauptet, sein Strom sei besser als der der SWU, oder es bestünden quali­tative Unter­schiede zwischen beiden Unter­nehmen. So etwas sei erlaubt, schreibt die Anwältin, weist auf eine Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs (BGH) hin, der seinerzeit eine verglei­chende Werbung der taz als erlaubt angesehen hatte. Um des lieben Friedens willen würde die SWO sich gleichwohl verpflichten, nie wieder auf dem Markt­platz von Unter­al­theim Ochsen­fetzen zu verschenken. Zwar würden weder die Abmahn­kosten ersetzt, auch keine Vertrags­strafe vereinbart, aber immerhin: Die SWU war’s zufrieden.

Bis zum nächsten Samstag. Da stand nämlich Valk erneut auf dem Markt­platz. Hinter ihm ein Bild des Ochs am Spieß und die große Aufschrift:

Wir dürfen Sie hier nicht mehr einladen. Aber Strom liefern dürfen wir Ihnen immer noch.“

Von |2018-07-23T22:58:20+02:0024. Juli 2018|Allgemein, Wettbewerbsrecht|

Die beiden Busse: Irrefüh­render Preis­ver­gleich durch Unterlassen

Frau Geschäfts­füh­rerin Göker seufzt. Vertriebs­leiter Valk mag ja erfolg­reich sein. Der Strom­verkauf der Stadt­werke Oberal­theim GmbH (SWO) brummt. Aber vielleicht sind seine Methoden doch etwas robust? Die vierte Abmahnung in einem Jahr! Und dabei ist jetzt erst Ende Juni. Dabei war klar, dass die sozusagen verfein­deten Stadt­werke Unter­al­theim GmbH (SWU) sich provo­ziert fühlen musste, als Valk zwei Busse mit großfor­ma­tigen Werbe­bannern bekleben und den ganzen Tag durch Unter­al­theim fahren ließ, auf denen stand

Nicht nur besser, sondern billiger!“

Und dann eine Preis­ge­gen­über­stellung, bei der – so die Abmahnung der SWU – dem teuren Grund­ver­sor­gungs­tarif der SWU wettbe­werbs­widrig wegen § 5a Abs. 2, Abs. 3 Nr. 4 UWG ein drastisch günsti­gerer Sonder­ver­trags­tarif der SWO gegenüber gestellt wurde, ohne explizit zu erwähnen, dass der SWO-Tarif mit einer einjäh­rigen Mindest­laufzeit verbunden ist, wohin­gegen Kunden den Grund­ver­sor­gungs­vertrag der SWU mit der gesetzlich festge­legten zweiwö­chigen Kündi­gungs­frist beenden können und die SWU auch einen Tarif anbietet, der zwar immer noch teurer ist als der der SWO, aber immerhin nicht so atembe­raubend teuer wie ihr Grund­ver­sor­gungs­vertrag. 

Würde Valk wenigstens nicht so schrecklich feixen! 1.300 EUR soll die SWO an den Anwalt der SWU zahlen, das ist nicht die Welt, aber auch kein Pappen­stiel, und außerdem soll sich die SWO dazu verpflichten, den angeblich irrefüh­renden Preis­ver­gleich ohne Klarstellung, dass die Kündi­gungs­fristen so unter­schiedlich sind und die SWU noch weitere günstigere Tarife hat, zu unter­lassen. 20.000 EUR Vertrags­strafe soll die SWO jedesmal an die SWU zahlen, wenn sie hiergegen verstößt. 

Das Geld für die Buswerbung gibt mir auch niemand zurück!“, schimpft Frau Göker Herrn Valk aus, der – nicht unähnlich Frau Gökers frechem Jüngsten – versonnen aus dem Fenster schaut und unver­zeih­li­cher­weise grinst. 

Frist­ablauf für die Abgabe der von der SWU einge­for­derten Unter­las­sungs­er­klärung ist noch heute 18.00 Uhr, und so segnet Frau Göker ihren Schöpfer, als um 15.00 Uhr endlich die Anwältin des Hauses zurückruft, auch wenn sie auch nicht mehr tun kann, als die Abmahnung als im Grunde berechtigt zu bezeichnen, Kontakt zur Gegen­seite aufzu­nehmen, die Unter­las­sungs­er­klärung etwas einzu­grenzen und statt einer starren Vertrags­strafe eine nach sogenanntem Hamburger Brauch anzubieten, bei dem also die Vertrags­strafe im Falle erneuter Verstöße von einer Seite verschul­dens­ab­hängig festgelegt und von der anderen zur gericht­lichen Überprüfung gestellt werden kann. „Da kann ihr Mandant die Buswerbung ja gleich wieder abreissen.“, kommen­tiert der Anwalt der SWU die Ankün­digung der Anwältin, die modifi­zierte Unter­las­sungs­er­klärung würde sogleich verschickt. 

Um 17:30 Uhr gibt Frau Göker die Unter­las­sungs­er­klärung in der vorab­ge­stimmten Form ab. Um 18.00 Uhr reisst Valk keinewegs die Buswerbung ab, sondern beklebt eigen­händig beide Busse am Rande der Werbe­banner mit leuchtend gelben Aufklebern, auf denen steht: 

Ein Jahr fest!*“

und ein klein­ge­druckter Zusatz, auf dem steht, dass der Vertrag eine einjährige Mindest­laufzeit hat und dass die SWU auch noch andere Tarife hat, die mögli­cher­weise günstiger als ihr Grund­ver­sor­gungs­tarif sein könnten. Um 18:15 Uhr machen sich die Busse wieder auf nach Unteraltheim.

Und um 18:30 Uhr erscheint Lokal­re­porter Repnik bei der SWO, dem Frau Göker ein paar Hinter­grund­in­for­ma­tionen darüber gibt, dass die SWU offenbar so verzweifelt über die – nur allzu verständ­liche – Abwan­derung ihrer Kunden ist, dass sie sich nur mit Abmah­nungen der wirtschaftlich überle­genen Konkurrenz erwehren könne. Ganz im Vertrauen zeigt Frau Göker Herrn Repnik sogar die aktuelle Abmahnung, weist mehrfach darauf hin, was ein Kunde alles sparen könne, wenn er aus der Grund­ver­sorgung der SWU zur SWO wechselt, und lässt sich mit den Worten „So etwas habe ich nicht nötig!“, in der Zeitung zitieren. Mit dem Schicksal und Herrn Valk versöhnt weist Frau Göker die 1.300 EUR um 19:30 Uhr an und schließt um 20.00 Uhr das Büroge­bäude ab. 

Um 23.00 Uhr fragt sich Frau Göker beim Zähne­putzen aller­dings, woher Herr Valk eigentlich so plötzlich die Aufkleber hatte. 

Von |2018-06-28T12:25:09+02:0027. Juni 2018|Wettbewerbsrecht|

Und sie bewegt sich doch

Frau Göker flucht. Das kommt nicht oft vor. Frau Geschäfts­füh­rerin Göker der Stadt­werke Oberal­theim GmbH (SWO) gilt als geradezu übermenschlich beherrscht. Aber wenn man sechs Wochen Mutter­schutz und ein entsetz­liches Jahr ohne die unersetz­liche, sozusagen gottgleiche Assis­tentin Annika Assmann fast überstanden hat, nur um im Januar zu erfahren, dass deren Elternzeit statt im März zu enden, nun bis August verlängert werden soll, kann man schon mal Ausdrücke gebrauchen, von denen Außen­ste­hende nicht einmal geahnt hätten, dass Frau Göker sie kennt.

Anders als manche im Vorfeld unkten, liegt diese Verlän­gerung keineswegs an einer Persön­lich­keits­ver­än­derung von Frau Assmann. Ganz im Gegenteil: Frau Assmann langweilt sich zwischen PEKiP und endlosen Spazier­gängen im Stadtpark von Oberal­theim demnächst zu Tode und brennt darauf, Sohn Charly endlich in der Kita Puste­blume unter­zu­bringen. Doch die Puste­blume hat alle 70 Plätze restlos belegt. Erst ab August soll es einen Platz für Charly geben, wenn die großen Kinder einge­schult werden. Dabei hat Frau Assmann doch einen Kosten­über­nah­me­be­scheid – vulgo Kitagut­schein – ab März bekommen, denn am 1. März wird Charly eins.

Das kann doch nicht sein!“, wütet Geschäfts­füh­rerin Göker gegen das Schicksal und berät sich lange mit Frau Justi­tiarin Berlach und Frau Assmann selbst. Schließlich fassen die drei Damen einen Plan: Frau Assmann stellt einen Antrag auf Zuweisung eines Kitaplatzes ab dem 1. März. Als die Ablehnung mangels freier Plätze kommt, legt sie unmit­telbar Wider­spruch ein und kündigt einen Eilantrag vorm Verwal­tungs­ge­richt (VG) an. Zur Begründung verweist sie – mit ein bisschen freund­schaft­licher Unter­stützung von Frau Berlach – auf § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, wo es heißt:

Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebens­jahres Anspruch auf frühkind­liche Förderung in einer Tages­ein­richtung oder in Kindertagespflege.“

Keineswegs heißt es hier, dass ein Kind ab dem 1. August nach dem ersten Geburtstag Anspruch auf einen Kitaplatz hat. Auch steht da nicht, dass dieser Anspruch nur dann bestehen würde, wenn es ausrei­chend Plätze vor Ort gibt. Ganz im Gegenteil gewährt der Gesetz­geber diesen Anspruch ohne Kapazi­täts­vor­behalt, wie u. a. das BVerfG unter­strichen hat (1 BvF 2/13, dort Rn. 43). Das bedeutet, dass es Sache der Behörden ist, die Plätze bereit­zu­stellen. Deswegen hat auch kürzlich das Oberver­wal­tungs­ge­richt (OVG) Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 22.03.2018 (OVG 6 S 2.18 und OVG 6 S 6.18) das Land Berlin verpflichtet, innerhalb von fünf Wochen Kitaplätze (oder gleich­wertige Betreu­ungs­plätze) in angemes­sener Entfernung von weniger als 30 Minuten nachzuweisen.

Das Jugendamt aber stellt sich tot. Nicht einmal, als Frau Assmann tatsächlich das VG Oberal­theim bemüht und einen Eilantrag stellt, kommt Bewegung in die Behörde. Man wolle, hört man hinter vorge­hal­tener Hand, niemanden dazu einladen, es Frau Assmann gleich zu tun. Erst, als das VG Oberal­theim tatsächlich einen Beschluss im Eilrechts­schutz erlässt und Charly den begehrten Platz ab dem 1. März zuspricht, erhält Frau Assmann kommen­tarlos einen Kitavertrag zugeschickt.

Und Frau Göker soll, wie man hört, in ihrem Büro eine Art kleinen Freudentanz aufge­führt haben.

Von |2018-06-11T08:25:56+02:0010. Juni 2018|Verwaltungsrecht|

Mitge­gangen, mitgefangen

Herrn Valk bleibt auch nichts erspart. Da fleht, bittet und bettelt man als mit allen Wassern der Moderne gewaschener Vertriebs­leiter bei der Geschäfts­füh­rerin Frau Göker monatelang, dass ein Unter­nehmen wie die Stadt­werke Oberal­theim GmbH (SWO) im Kampf um gerade jüngere Kunden sich auch bei facebook präsen­tieren muss. Da gibt man Geld aus für eine Agentur, die Herrn Valk und seine Mitar­bei­terin schult, wie man als Stadtwerk Social Media richtig anpackt. Und dann, drei Wochen vor der geplanten Einrichtung des SWO-Accounts beim kalifor­ni­schen Giganten ist Schluss. Einfach Schluss. Und schuld ist der Europäische Gerichtshof (EuGH).

Der EuGH sitzt zwar in Luxemburg. Aber Herr Valk schimpft trotzdem ausgiebig auf die „Brüsseler Beamten“, die keine Ahnung haben, wie hart der Kampf um den Kunden in der Fläche gerade im Strom­ver­trieb geworden ist. Einfach so die Betreiber von facebook-Fanpages für eine verant­wort­liche Stelle im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Richt­linie 95/46, in Deutschland umgesetzt durch den § 3 Abs. 7 des alten Bundes­da­ten­schutz­ge­setzes (BDSG), zu erklären. Weil facebook auf die Computer derje­nigen, die die Fanpage besuchen, Cookies setze, kleine Programme also, die Infor­ma­tionen sammeln und an facebook weiter­leiten. Diese Infor­ma­tionen nutzt facebook, um perso­na­li­siert zu werben. Aber auch die SWO hätte sie genutzt, indem sie demogra­phische Auswer­tungen der Besucher der Fanpage bekommen hätte.

Als Verwender perso­na­li­sierter Daten hätte die SWO einen Haufen daten­schutz­recht­licher Verpflich­tungen erfüllen müssen. Denn einfach abstellen kann man die Daten­sam­melei durch facebook als Betreiber einer Fanpage bisher leider nicht. Diese Verpflich­tungen wie etwa Auskunft über die Daten­spei­cherung und ‑verwendung ebenso wie die Löschung der Daten hätte Herr Valk aber gar nicht erfüllen können. Schließlich verrät facebook den Betreibern nicht, was für Daten erhoben werden und was mit ihnen geschieht.

Der EuGH wird ja kaum in Oberal­theim schnüffeln.“, hatte Valk noch versucht, Justi­tiarin Berlach auf seine Seite zu ziehen. Diese aber war fest geblieben: Schließlich drohen nicht nur Unter­sa­gungs­ver­fü­gungen von Daten­schutz­be­hörden wie in dem im Vorla­ge­ver­fahren vorm EuGH entschie­denen Fall. Auch Bußgelder könnten verhängt werden. Und nicht zuletzt ist es ungeklärt, jeden­falls auch nicht sicher auszu­schließen, dass Konkur­renten wegen solchen Daten­schutz­ver­stößen abmahnen könnten. Wartet die Stadt­werke Unter­al­theim GmbH denn nicht etwa schon gierig auf den kleinsten Fehler der SWO?

Am Ende muss Valk seufzend seine schönen Pläne fürs Erste begraben. „Teilen Sie mir bitte umgehend mit, wenn facebook sich bewegt!, schreibt er tief bekümmert an die Social Media Agentur, die ihn beraten hatte.

Jetzt wartet er. Auf ein facebook-Tool. Auf ein Wort des Europäi­schen Gesetz­gebers über die Übertrag­barkeit auf die neue Welt der DSGVO. Auf eine Recht­spre­chung des BVErwG, die dem ganzen die Spitze nimmt. Und er wartet ganz sicher nicht allein.

Von |2018-06-06T09:48:17+02:006. Juni 2018|Allgemein, Strom, Wettbewerbsrecht|

Kann denn Liebe Werbung sein?

Gut, Oberal­theim mag klein sein. Aber auch in Oberal­theim gibt es sozusagen Prominenz. Ein Schla­ger­sänger, ein Fernsehkoch, ein ehema­liger Fußball­profi und seit einigen Jahren bloggt die Frau des Zahnarztes Kathrin Bach höchst erfolg­reich über Freud und Leid der Mutter­schaft. Der Zahnarzt selbst kann es kaum glauben, aber ständig bekommt seine Frau Einla­dungen, Produkt­pakete mit Kinder­bü­chern und Snacks, und ab und zu gibt es sogar Geld.

Auch der Vertriebs­leiter der Stadt­werke Oberal­theim GmbH, Herr Valk, ist ein eifriger Leser des Blogs. Valk freut sich besonders als Lokal­pa­triot über die ausge­sprochen vorteil­haften Bilder seines Städt­chens, und so ist es ihm eine Freude, Frau Bach auf dem Wochen­markt einfach anzusprechen und zu den Stadt­werken einzuladen.

Herr Valk gibt alles. Er führt Kathrin Bach durch das Holzkraftwerk der Stadt­werke, macht Selfies mit Frau Bach auf dem Dach der Stadt­werke zwischen den Solar­pa­nelen. Er stellt ihr die Geschäfts­füh­rerin Frau Göker vor, er macht eine Spritztour mit Frau Bach und ihrem Jüngsten auf dem Müllwagen und dann lädt er sie in die Kantine ein. Als sie geht, hat sie für jedes ihrer vier Kinder ein Schwimmtier mit dem Stadt­werkslogo dabei und ein paar Marzi­pan­me­daillons mit dem Logo der SWO, die Weihnachten übrig geblieben sind. „Schreiben sie was Nettes!“, winkt er ihr empha­tisch hinterher.

Frau Bach hat es bei der SWO gefallen. Erneu­erbare Energien findet sie gut, und dass die SWO der Stadt und damit den Bürgern gehört statt irgend­welchen börsen­no­tierten Konzernen hebt sie in ihrem Blogtext einige Tage später auch besonders hervor. Sie lobt den günstigen Ökotarif, das Kunden­center, sogar das Essen in der Kantine und verlinkt die SWO in ihrem Posting gleich mehrfach. So schön wie auf ihren durch Insta­gram­filter verschö­nerten Bildern sahen im Übrigen weder das Holzkraftwerk noch Herr Valk jemals in echt aus.

In Oberal­theim und auch bei den Leserinnen des Blogs bundesweit kommt die Aktion gut an. Einige Tage später jedoch mahnt die Konkurrenz aus Unter­al­theim die SWO und Frau Bach ab. Ein Verstoß gegen § 5a Abs. 6 des Gesetzes gegen den unlau­teren Wettbewerb (UWG) liege vor, der lautet:

Unlauter handelt auch, wer den kommer­zi­ellen Zweck einer geschäft­lichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmit­telbar aus den Umständen ergibt, und das Nicht­kennt­lich­machen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäft­lichen Entscheidung zu veran­lassen, die er andern­falls nicht getroffen hätte.“

Ihr Blog sei doch keines­falls geschäftlich, schluchzt Kathrin Bach keine Stunde später in den Hörer. Dies trifft laut Stadt­werks­jus­ti­tiarin Berlach aller­dings mitnichten zu. Eine geschäft­liche Handlung liege gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vor, weil die positive Unter­neh­mens­dar­stellung eine klassische Maßnahme der Absatz­för­derung darstelle. Dass Frau Bach dafür kein Geld bekommen habe, ändere daran nichts. Entgegen einer weit verbrei­teten Meinung ist ein Honorar keine Voraus­setzung für eine geschäft­liche Handlung. Dies bestätigt auch der Blick in verwandte Materien, für die der Europäische Gerichtshof (EuGH) sogar einmal ausdrücklich festge­halten hat, dass Schleich­werbung auch vorliegen kann, wenn kein Entgelt fließt. Maßgeblich ist vielmehr stets die Perspektive des verstän­digen Durch­schnitts­ver­brau­chers, und der wird die Elogen auf die kommunale Energie­ver­sorgung auf Frau Bachs Blog recht eindeutig als Maßnahme der Absatz­för­derung und damit als geschäftlich verstehen. Zudem – Frau Justi­tiarin Berlach wirft Herrn Valk einen strengen Blick zu – sei Frau Bach ja auch nicht mit leeren Händen gegangen. Außerdem sei auch ein Vorteil wie eine Müllwa­gentour durchaus nicht nichts.

Als Herr Valk die Abmahn­kosten für Frau Bach* und die SWO überweist und die Verpflichtung unter­zeichnet, in Zukunft Werbung stets kennzeichnen zu lassen, insbe­sondere wenn sie so aussieht wie im Blog von Frau Bach, ist er trotzdem zufrieden. Schon Frau Bachs erster Text hat der SWO einige vor allem auswärtige Kunden einge­bracht und eine Welle der Sympathie. Auf den aufge­brachten zweiten Text über die Abmahnung der Stadt­werke Unter­al­theim GmbH (SWU) hin haben massen­weise erboste Fans von Frau Bachs Blog die Bewer­tungen der SWU im Internet massiv verschlechtert. Und einige Kunden sind sogar von der SWU zu Herrn Valk gewechselt, weil sie mit einem „Abmahn­verein“ nichts zu tun haben wollen.

Und als Frau Bach drei Monate später ihren begeis­terten Bericht vom Sommerfest der SWO mit den Worten überschreibt, sie habe keinen Pfennig Geld dafür bekommen, für die SWO werbe sie aber so schrecklich gern, freut sich Herr Valk reinen Herzens und vollkommen wettbewerbskonform.

 

*Weil die Frage aufkam: Nein, das muss die SWO nicht übernehmen. Das hat Herr Valk seiner Chefin Frau Göker aus den Rippen geleiert.

Von |2018-05-28T12:37:48+02:0028. Mai 2018|Wettbewerbsrecht|

Duell der Giganten: Zuläs­sigkeit verglei­chender Werbung

Bayern und Franken, Kölner und Düssel­dorfer: Alles nichts gegen das Verhältnis von Oberal­theim und Unter­al­theim. Bei den Lokal­derbys der örtlichen Fußball­vereine waren schon mehr als nur ein paar Zähne verloren und Beulen geschlagen worden. Und beim Kampf um Strom­kon­zes­sionen im Umland der beiden Klein­städte war es beiden Stadt­werken tausendmal lieber, die Konzession ging an irgend­welche daher­ge­laufene Dritte als an den jewei­ligen Feind. Entspre­chend groß war die Empörung bei der Stadtwerk Unter­al­theim GmbH, der SWU, als ausge­rechnet auf dem großen Wochen­markt in Unter­al­theim die Stadt­werke Oberal­theim GmbH, die SWO, einen Stand aufbaute und um Strom­kunden warb.

Garan­tiert günstiger!“ stand auf einem Banner. Auf den Flyern, die Vertriebs­leiter Valk und seine Mitar­beiter den Besuchern des Marktes in die Hand drückten, war ein Preis­ver­gleich abgedruckt, demzu­folge die SWO bei identi­schem Grund­preis die Strom­kunden 3 ct. günstiger beliefern würde als die SWU.

Sofern man bei der SWU auf den Lokal­pa­trio­tismus der Unter­al­t­heimer gesetzt hatte, hatte man sich verrechnet. Aus sicherer Entfernung mussten Geschäfts­führer Dr. Kunze und sein Vertriebs­leiter beobachten, wie Herr Valk einen Vertrag nach dem anderen abschloss. Direkt am nächsten Morgen saß der empörte Herr Dr. Kunze beim Anwalt des Hauses. Drei Stunden später ging die anwalt­liche Abmahnung bei der SWO ein.

Der Preis­ver­gleich der SWO, so behauptete der Anwalt der SWU, sei irreführend und deswegen unzulässig gem. § 5 Abs. 1 UWG.  Außerdem würden Äpfel und Birnen verglichen, was nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 UWG wettbe­werbs­widrig sei. Denn die SWO hätte ihren besten Tarif mit einer zweijäh­rigen Mindest­laufzeit mit dem Grund­ver­sor­gungs­tarif der SWU verglichen, den die Kunden jederzeit kündigen können. Auf diese unter­schied­lichen Vertrags­lauf­zeiten hatte die SWO nur in einem wirklich kleinen Stern­chen­vermerk hinge­wiesen. Hätte die SWO dagegen einen vergleich­baren Tarif gewählt, hätte der Abstand auch nur 1 ct. betragen. Die SWO wurde deswegen aufge­fordert, solche Äußerungen zu unter­lassen und sich im Falle einer Zuwider­handlung einer Vertrags­strafe zu unter­werfen. Außerdem verlangte der Anwalt Abmahn­kosten von rund 1.300 EUR.

Dass die freche Konkurrenz sich nicht einfach unter­werfen würde, war Geschäfts­führer Dr. Kunze eigentlich klar. Dass die SWO sich unter Berufung auf eine Entscheidung des OLG Frankfurt aus 2009 auf den Stand­punkt stellen würde, dass der verständige Verbraucher gar nicht erwarten würde, dass ein Preis­ver­gleich mit dem günstigsten Konkur­renz­tarif statt­finden würde, wunderte Dr. Kunze deswegen auch rein gar nicht. Das OLG Frankfurt hatte damals nämlich Vergleiche mit Grund­ver­sor­gungs­ta­rifen zumindest dann für nicht grund­sätzlich wettbe­werbs­widrig erklärt, wenn noch eine nennens­werte Anzahl an Kunden im Grund­ver­sor­gungs­tarif versorgt wurde (anders aber bei faktisch kaum mehr nachge­fragten Tarifen). Das war in Unter­al­theim nach wie vor der Fall.

Doch was in den Augen von Dr. Kunze an Frechheit quasi alles schlug: Zeitgleich mit dem Schreiben, mit dem die SWO mitteilte, dass sie sich der Abmahnung nicht unter­werfen würde, ging eine Gegen­ab­mahnung ein. Die SWO rügte einen Impres­sums­verstoß. Da es sich bei dem verletzten § 5 TMG um eine sogenannte Markt­ver­hal­tens­re­gelung handelt, die Konkur­renten deswegen abmahnen können, standen nun zwei Abmah­nungen im Raum.

Etwas derart Abgefeimtes hatte Dr. Kunze lange nicht erlebt. Er war deswegen auch kaum mehr überrascht, als wenig später Frau Göker, Geschäfts­füh­rerin der SWO, anrief. Man könne sich doch vergleichen, schlug sie leutselig vor, jeweils auf die Rechte aus den Abmah­nungen verzichten, und zukünftige Ausein­an­der­set­zungen rund um Preis­ver­gleiche und Impressum einfach bleiben lassen.

Dass man ihn mit dieser Vergleichs­abrede aufs Kreuz gelegt hatte, schwante Herrn Dr. Kunze spätestens, als er am nächsten Markttag erneut Herrn Valk hände­reibend seinen Stand mitsamt Preis­ver­gleichs­plakat aufbauen sah.

Von |2018-05-24T08:55:23+02:0024. Mai 2018|Strom, Wettbewerbsrecht|

Double Opt In: Rund um Newsletter

Herr Valk, Vertriebs­leiter der Stadt­werke Oberal­theim GmbH, ist verwirrt. Tag für Tag landen weitere E‑Mails in seinem Postfach. Überall soll er bestä­tigen, dass er auch nach dem 25.05.2018 Newsletter beziehen möchte. Was ihm nicht einleuchtet: Er hat doch schon allseits per Double Opt In in den Erhalt einge­willigt. Wozu nun noch einmal bestä­tigen, dass er die Newsletter auch wirklich haben möchte? Was ihn aber vor allem beschäftigt: Muss er etwa bis übermorgen auch noch alle Bezieher des Newsletters „Neues von der SWO“ anmailen, ob sie weiter die monat­lichen Neuig­keiten über das neue Schwimmbad, den Busfahrer des Monats und den Ausbau des Fernwär­me­netzes beziehen möchten?

Und noch eine weitere Frage beschäftigt Herrn Valk. Müssen Newsletter eigentlich immer über ein Double Opt In bestätigt werden? Oder kann er auch Kunden zu seiner Liste hinzu­fügen, wenn er persönlich mit ihnen gesprochen hat? Herr Valk feiert seit Kurzem große Vertriebs­er­folge mit einem Markt­stand im benach­barten Unter­al­theim. „Aber wenn die dann erst noch hin- und herklicken müssen, verliere ich die Hälfte wieder!“, gibt er zu bedenken.

Immerhin diese Sorge kann ich Herrn Valk nehmen. Es gibt kein Gesetz, in dem ein Double Opt In, also eine doppelte Bestä­tigung, nach der der Empfänger wirklich Newsletter empfangen möchte, vorge­schrieben wäre. Mit dem zweistu­figen Verfahren vermeidet man nur, dass unbefugte Dritte andere Leute zu Newslettern anmelden. Früher ging das nämlich: Es reichten E‑Mail-Adresse, Name und Vorname, und prompt erhielt ein zunehmend genervter Mensch, der niemals Neuig­keiten über Preis­kegeln und Hunde­zucht bestellt hatte, Massen an E‑Mails. Erhält aber der wirkliche Inhaber des E‑Mailaccounts eine Mail mit einem Link, dann kann zumindest nur derjenige Anmel­dungen vornehmen, der Zugang zu dem E‑Mailaccount hat.

Steht aber Herr Valk höchst­per­sönlich auf dem Markt in Unter­al­theim am Stand der SWO, so ist die Lage eine andere. Wer vor Ort seine E‑Mailadresse mit Name und Vorname auf einem Bestell­for­mular hinter­lässt und unter­schreibt, könnte theore­tisch natürlich auch sich als jemand anders ausgeben. Aber wenn Herr Valk sich per Unter­schrift bestä­tigen lässt, dass der Besteller auch der Berech­tigte ist, so dürfte das reichen.

Auch in Hinblick auf die DSGVO kann Entwarnung gegeben werden. Erst kürzlich hat der Bundes­ge­richtshof (BGH) bestätigt, dass Einwil­li­gungen nicht einfach verfallen. Und strengere Regelungen für die Einwil­ligung als zuvor gelten nach der DSGVO auch nicht. Ganz im Gegenteil erklärt der Erwägungs­grund 171 der DSGVO, dass dann, wenn die bestehende Einwil­ligung den Anfor­de­rungen der DSGVO genügt, die Verar­beitung auch in Zukunft zulässig sein soll. Einschrän­kungen gibt es nur für recht überschaubare Fälle, zum Beispiel Minder­jährige unter 16. En Detail hat der sog. Düssel­dorfer Kreis, ein Zusam­men­schluss der Aufsichts­be­hörden für den Daten­schutz im nicht-öffent­lichen Bereich, dies 2016 einmal zusam­men­ge­fasst. Mit anderen Worten: Wenn die Einwil­li­gungen in den Bezug von Neuem aus der SWO dem bishe­rigen Standard entsprachen, muss Herr Valk keine neue Einwil­ligung erbitten.

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Von |2018-05-23T22:21:22+02:0023. Mai 2018|Wettbewerbsrecht|

Irgendwas mit Blockchain

In die Nachrichten schaffen es meistens nur die politi­schen Formate oder wenn Promi­nente auftreten. Aber die re:publica ist nicht nur ein großes Treffen der Netzge­meinde, sondern auch eine Tagung, bei der es ganz solide darum geht, was Technik kann und wie Wirtschaft und Gesell­schaft damit umgehen sollten. Waren vor einigen Jahren neue Unter­hal­tungs­formate ein großes Thema (nutzt eigentlich noch jemand Snapchat?), wird dieses Jahr viel von der Block­chain gesprochen. Die berührt nämlich bei vielen Besuchern dieser Konferenz einen Trigger­punkt: Peer-to-Peer-Struk­turen klingen so herrlich herrschaftsfrei.

Dass ich das anders sehe, habe ich schon letzte Woche ziemlich ausführlich darge­stellt. Im Gespräch mit mehreren anderen Besuchern der Konferenz hatte ich bisher auch keinen Grund, meine Meinung zu revidieren. Es mag nach einer bösar­tigen Unter­stellung klingen, aber vielleicht liegt die Begeis­terung für die Block­chain bei nicht so ganz wenigen Befür­wortern schlicht daran, dass nicht jeder so fürch­terlich viel über die Energie­wirt­schaft weiß.

In einem ganz zentralen Punkt herrscht offenbar weitge­hende Unkenntnis. Wieder und wieder hört man, die Block­chain mache es endlich möglich, dass ein Betreiber einer Solar­anlage seinen Strom seinem Nachbarn verkauft. Ich gucke dann immer so ein bisschen ratlos. Denn was soll ich dazu sagen? Das ist doch heute auch nicht verboten. Wer Strom anzubieten hat, kann sich bei der Bundes­netz­agentur melden und die Nachbar­schaft auf der Suche nach Kunden abklappern, wenn er lustig ist. Dass das heute niemand macht, liegt daran, dass es wirtschaft­li­chere Möglich­keiten gibt. Daran würde eine Block­chain aber überhaupt nichts ändern.

Überhaupt, die Block­chain als Peer-to-Peer-Struktur. Ich kann mir ohne Weiteres vorstellen, dass man per Block­chain Geld rund um den Globus und wieder zurück schicken kann. Weil da ja in Wirklichkeit nichts verschickt wird, nur Ansprüche werden jeweils anderen Leuten zugeordnet. Aber Strom ist etwas anderes als Buchgeld. Bei Strom habe ich immer einen natür­lichen Inter­mediär. Das ist das Stromnetz. Wer auf der re:publica herum­läuft, mag oft wenig mit der ganz physi­schen Welt aus Kupfer­kabeln zu tun haben, aber eine Peer-to-Peer-Struktur ist in Hinblick auf Strom schlicht nur in Hinblick auf eine Ebene möglich, nämlich in Hinblick auf den Kaufvertrag. Es gibt aber noch eine zweite Ebene, denn allein vom Abschluss eines Kaufver­trags fließt ja noch kein Strom. Der muss erst vom Erzeuger zum Verbraucher. Bei diesem Transport von Strom nützt die Block­chain rein gar nichts. Zwischen dem Erzeuger und dem Verbraucher liegt nämlich eine Netzstruktur, und die gehört einem Unter­nehmen. Dieses Unter­nehmen mischt immer mit.

Werde ich damit ohnehin auch mit Block­chain nur einen von zwei Inter­me­diären los, nämlich den Energie­ver­sorger, also den Verkäufer von Strom, stellt sich mir die Frage, was das überhaupt bringt. Stellen wir uns einen Moment unser kleines Stadtwerk in Oberal­theim vor. Heute bezieht Familie Schmitt ihren Strom bei den Stadt­werken. Morgen kauft sie direkt über eine Block­chain ihren Strom bei Bauer Groß und Solar­pa­nel­be­sit­zerin Peters. Total demokra­tisch, könnte man meinen. Endlich haben Schmitts die teuren Zwischen­händler ausge­schaltet. Die Stadt Oberal­theim verdient nur noch über die Netzge­sell­schaft an den Netzent­gelten. Aber hat – was sich viele von der Block­chain versprechen – damit nun wirklich mehr Graswur­zel­de­mo­kratie Einzug gehalten? Man muss kein Prophet sein, um schon heute zu prophe­zeien, dass nicht Familie Schmitt und ihre Nachbarn selbst ein Netzwerk einrichten, betreiben, warten und pflegen können. Vermutlich stehen die Anbieter solcher Lösungen schon vor der Tür. Hat man dann nicht ganz schlicht einen Inter­mediär gegen einen anderen ausge­tauscht? Schmitts sind nun vielleicht endlich die Stadt­werke los, dafür schlagen sie sich vielleicht mit Amazon herum. Darauf, dass die Reise eher in diese Richtung geht, würde ich eine Flasche Champagner verwetten. Erste Anzeichen für eine neue Zentra­li­sierung der angeblich so dezen­tralen Struktur gibt es übrigens schon heute. Erst vor wenigen Tagen las ich, dass das Modell­projekt EWF den ansonsten viel zu hohen Strom­ver­brauch der Block­chain durch … einen vertrau­ens­wür­digen Zentral­ver­walter senken will.

Da habe ich herzhaft gelacht.

Von |2018-05-04T00:09:57+02:004. Mai 2018|Digitales|

Herrn Abuschs Pyrrhussieg: Fernwär­me­preis­gleitung vorm Amtsgericht

Herr Abusch hat Blutdruck. Nicht nur, dass seine Klage auf Preis­senkung vorm Landge­richt Oberal­theim abgewiesen wurde. Nein, nur zwei Wochen nach Zustellung des Urteils erhöht die Stadt­werke Oberal­theim GmbH (SWO) in der aktuellen Quartals­rechnung „schon wieder“ die Preise. Die Preis­er­höhung ist zwar überschaubar, es geht nur um 8,15 EUR für drei Monate, aber Herrn Abusch geht es wie immer ums Prinzip.

Was Herrn Abusch besonders aufregt: Die SWO hätten es, wie er meint, nicht einmal für nötig befunden, ihm die Preis­er­höhung zu erklären. Erst auf der Rechnung für das erste Quartal 2018 hat Herr Abusch die Preis­er­höhung festge­stellt. Erzürnt schreibt er einen wütenden Protest­brief und wirft ihn noch am selben Abend bei der SWO ein.

Frau Birte Berlach, die Justi­tiarin, seufzt. Sie schreibt Herrn Abusch seit Jahren, dass die SWO ihm nicht bei jeder Preis­än­derung vorher einen Brief schreiben muss. Es reicht, dass die SWO die aktuellen Preise gem. § 24 Abs. 2 AVBFern­wärmeV in der Rechnung aufführt. Es ist – das schreibt sie auch nicht zum ersten Mal – auch nicht gerade überra­schend, dass die neuen Preise so aussehen, wie sie aussehen. Die Preis­formel, aus der sich Preis­an­pas­sungen ergeben, ist nämlich bekannt, die steht in dem Fernwär­me­lie­fer­vertrag, den Herr Abusch mit der SWO abgeschlossen hat. In dieser Formel gibt es in Einklang mit § 24 Abs. 4 AVBFern­wärmeV Variablen, die die Preis­ent­wicklung des Brenn­stoffs Erdgas und die Lohnent­wicklung als Bestand­teile des Kosten­ele­ments und der Zentral­hei­zungs­index als Markt­element abbilden. Alle Indizes sind beim Statis­ti­schen Bundesamt nachzu­lesen. Die Gewichtung zwischen Kosten- und Markt­element beträgt 50 % zu 40%. Nur 10% sind nicht indexiert. Aber gegen diese 10% kann nicht einmal Herr Abusch etwas haben, nimmt Frau Berlach an. Denn dieser sogenannte S‑Faktor, der Sozial­faktor, dämpft Preis­er­hö­hungen. Je nach Kassenlage wird er im Aufsichtsrat auf 0,8 oder 0,9 festgelegt.

Ganz wohl ist Frau Berlach trotzdem nicht, als sie Herrn Abusch schreibt, mit der Preis­gleit­klausel habe es alles seine Richtigkeit. Tatsächlich ist auf ihr erläu­terndes Schreiben erst einmal drei Monate Funkstille. Dann aber wird eine erneute Klage zugestellt: Herr Abusch verlangt die zuviel gezahlten 8,15 EUR zurück.

Drei Monate später trium­phiert Herr Abusch. Das Amtsge­richt gibt ihm recht. Am selben Tag erhält er die 8,15 EUR. Anwalts­kosten sind zwar nicht angefallen, aber die SWO muss die Gerichts­kosten tragen. Doch wenige Wochen gibt es ein böses Erwachen. Die SWO hebt zwar die bisher geltende Preis­klausel auf. Doch entgegen der Erwartung von Abusch bleibt es nicht bei den Preisen, die doch „so im Vertrag stehen“. Der Aufsichtsrat genehmigt auf Betreiben der Geschäfts­füh­rerin Frau Göker eine neue Preis­klausel. Die ähnelt der alten bis aufs Haar. Nur der S‑Faktor ist nicht mehr dabei, denn der hat dem Amtsrichter nicht gefallen. Er sei nicht trans­parent, gab das Gericht der SWO mit auf den Weg. Eine Abfederung der Preise zugunsten der Verbraucher wird es deswegen künftig zum Bedauern des Aufsichtsrats nicht mehr geben. Herr Abusch hat seine 8,15 EUR also teuer erkauft.

Von |2018-05-03T09:19:51+02:003. Mai 2018|Wärme|

Preis­kon­trolle in der Fernwärme

Herrn Abusch ist die Fernwärme in Oberal­theim zu teuer. Er schreibt seit Jahren an die Stadt­werke Oberal­theim, die SWO, eigentlich immer, wenn er eine Rechnung bekommt. Steigen die Preise, wird auch seine Tonlage schriller. Bisher hat er zwar immer gezahlt. Aber als eines Tages eine Klage auf dem Tisch der Justi­tiarin Birte Berlach liegt, ist auch niemand erstaunt.

Herr Abusch klagt zum einen* auf die Herab­setzung der Preise. Er weist darauf hin, dass die Fernwär­me­preise in Unter­al­theim deutlich unter denen in seiner Heimat­stadt liegen. Das trifft sogar zu. Aber ist das auch wirklich ein Argument?

Fakt ist jeden­falls: Für Fernwär­me­preise gibt es keine Preis­kon­trolle wie für die Gas- und Strom­preise in der Grund­ver­sorgung. Für diese hat der Gesetz­geber eine Preis­kon­trolle vorge­sehen, aber für die Fernwärme gilt das nicht. Warum das so ist, hat der Bundes­ge­richtshof (BGH) mit einem Urteil vom 17.12.2012 einmal recht grund­legend auseinandergenommen.

Natürlich bedeutet das nicht, dass die SWO bei ihrer Preis­ge­staltung nun völlig frei ist.  Es gilt das Kartell­recht. Dieses ist in Deutschland im GWB geregelt. Es gilt für markt­be­herr­schende Unter­nehmen. Ein markt­be­herr­schendes Unter­nehmen ist die SWO auf jeden Fall, denn schließlich bietet in Oberal­theim sonst niemand Fernwärme an. Wegen der bestehenden Fernwär­me­satzung, die einen Anschluss- und Benut­zungs­zwang enthält, gibt es – mit engen Einschrän­kungen – auch keine anderen Möglich­keiten, seine Wohnung zu heizen.

Herr Abusch fühlt sich von der SWO ausge­beutet. In der Tat verbietet das GWB den sogenannten „Ausbeu­tungs­miss­brauch“, also einen spezi­ellen Missbrauch einer markt­be­herr­schenden Stellung. Als Indiz für einen solchen Missbrauch führt Herr Abusch die Preise in Unter­al­theim an.

Frau Berlach und die Rechts­an­wältin der SWO seufzen. Sie haben Herrn Abusch im Laufe der Jahre schon mehrfach geschrieben, dass die Verhält­nisse in Unter­al­theim ganz andere sind. Schließlich gibt es dort eine große Raffi­nerie, die indus­trielle Abwärme sehr günstig an die Stadt­werke Unter­al­theim abgibt. Hätte auch die SWO eine so günstige Wärme­quelle, die Preise wären auch in Oberal­theim ganz andere.

Herr Abusch aber bleibt bei seiner Meinung. Wenn die SWO keine günstige Wärme­quelle hat, dann sei das eben deren Problem, meint er. Doch zum Glück sieht das Landge­richt Oberal­theim das anders: Bei einer Vergleichs­markt­be­trachtung sticht die SWO nicht negativ heraus. Schon ein Blick auf die Ergeb­nisse der letzten Sektor­un­ter­su­chung durch die Landes­kar­tell­be­hörde zeigt vielmehr, dass die SWO voll im Schnitt liegt. Auch der Blick auf die Preis­bil­dungs­fak­toren zeigt schon auf den ersten Blick, dass die SWO ihre markt­be­herr­schende Position nicht ausge­nutzt hat. Im Ergebnis – dies stellt die Anwältin der Stadt­werke in der mündlichen Verhandlung klar – ist ihre Marge sogar geringer als die der Stadt­werke Unter­al­theim. Herr Abusch hat also Pech: Er verliert den Prozess und muss auch noch die Kosten tragen.

*zum anderen verlangt Herr Abusch Geld zurück, weil er die Preis­an­pas­sungs­klausel für unwirksam hält. Zu diesem Antrag aber nächste Woche mehr.

 

Von |2018-04-27T12:20:29+02:0027. April 2018|Wärme|

Die Fotos vom Stadtwerksfest

Herr V., Vertriebs­leiter des örtlichen Stadt­werks in der Klein­stadt Oberal­theim, ist zufrieden. Das Sommerfest des Stadt­werks Oberal­theim (SWO) war ein voller Erfolg. Mehrere hundert Bürger waren der Einladung gefolgt. Die Bericht­erstattung in der Lokal­presse war mehr als günstig.

Herr V. und seine Kollegin haben den ganzen Tag fotogra­fiert: Frau Bürger­meis­terin B. zwischen den neuen Solar­kol­lek­toren auf dem Dach der Grund­schule. Ein paar sehr vergnügte Freun­dinnen bei der Ökorallye am Wasserwerk. Und viele Kinder, die auf der Hüpfburg vorm Haupt­ge­bäude begeistert herum­springen. Sogar ein bisschen Prominenz in Gestalt von Schla­gerstar S. wurde gesichtet, und von Herrn V. in lustiger Pose beim Bratwurst­essen verewigt.

Gern würde Herr V. die Bilder auf der Homepage des Stadt­werks und in der Kunden­zeit­schrift publi­zieren. Aber Einwil­li­gungen nach § 22 Kunst­ur­he­ber­gesetz (KUG) hat er leider nicht.

Bei der Bürger­meis­terin hilft ihm immerhin § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG. Sie ist eine Person der Zeitge­schichte, und da sie nicht privat, sondern in durchaus dienst­licher Funktion auf dem Dach der Schule herum­klet­terte, muss Herr V. nicht einmal lange darüber nachdenken, ob er das Foto verwenden darf. Aber wie sieht es bei den Frauen auf der Rallye und den sprin­genden Kindern aus? Herr V. ist sich unsicher. Dabei gefielen ihm diese Bilder besonders gut.

Ganz einfach zu handhaben ist diese Frage nicht. „Beiwerk“ einer Hüpfburg im Sinne § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG sind die Kinder nicht, denn es ging Herrn V. ja nicht um die Darstellung der Hüfburg oder der Festwiese an sich. Aller­dings erlaubt § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG die Veröf­fent­li­chung von Fotos ohne Einwil­ligung bei den Teilnehmern von Versamm­lungen, Aufzügen etc. Die Regelung ist auf die Teilnehmer von Demons­tra­tionen, Sport­ver­an­stal­tungen oder Karne­vals­umzüge gemünzt. Sie legiti­miert die einwil­li­gungslose Verwendung von Bildern von öffent­lichen Veran­stal­tungen, deren Teilnehmer von einem gemein­samen Willen getragen wurden. Trifft das auf die Kinder überhaupt zu? Zumindest, wenn es sich nicht um eine große, letztlich anonyme Menschen­menge handelt, sondern nur um eine Handvoll Kinder empfiehlt sich angesichts der bestehenden Zweifel auf jeden Fall eine Einwil­ligung durch die Erziehungsberechtigten.

Und wie sieht es mit einer besonders schönen Großauf­nahme einer auffallend attrak­tiven Kundin bei der Rallye aus, die ihm als Fotografen fröhlich zuprostet? An sich ist bei einer so eindeu­tigen Blick­fang­fo­to­grafie eine Einwil­ligung unumgänglich. Aber angesichts des Umstandes, dass Frau X. – wir kennen sie bereits – nicht nur mit dem Bild selbst augen­scheinlich einver­standen war, sondern auch wusste, dass Herr V. die Bilder als Vertriebs­leiter verwenden wollte, ist von einer zumindest konklu­denten Einwil­ligung wohl auszu­gehen, auch wenn solche Einwil­li­gungen angesichts der klaren Beweislast, wenn es doch einmal Ärger gibt, nie ganz unpro­ble­ma­tisch sind.

Wie aber sieht es mit dem Schla­ger­sänger S. aus? Herr S. ist sicherlich eine Person der Zeitge­schichte. Aber auch eine solche hat Anspruch auf eine Privat­sphäre, und bei der deswegen gebotenen Güter­ab­wägung spricht viel dafür, dass er sich nur dann beim unvor­teil­haften Bratwurst­essen scherzhaft im Kunden­ma­gazin abbilden lassen muss, wenn er das will. Aber Herr V. hat Glück: Sänger S. hat Humor.

Im nächsten Jahr will Vertriebs­leiter V. gleich Einwil­li­gungen einholen. Aber wie sollen die aussehen? Geht das per Aushang? Oder soll er Tickets ausgeben? Und wie gestaltet sich die Lage überhaupt, denn ab dem 25. Mai gilt ja die DGSVO. Dazu demnächst mehr.

Von |2018-04-27T12:53:07+02:0015. April 2018|Allgemein, Wettbewerbsrecht|

Werbung beim eigenen (Grundversorgungs-)Kunden

Die Lehramts­re­fe­ren­darin Frau X. ist Kundin der Stadt­werke Oberal­theim (SWO), seit sie vor einigen Monaten in ihre jetzige Wohnung einge­zogen ist. Unter­schrieben hat sie damals nichts, sondern nur kurz infor­miert, dass sie nun in der Wohnung wohnt. Sie bezieht Strom deswegen als Grund­ver­sor­gungs­kundin. Sie zahlt ihre Rechnungen prompt und vollständig, hat ihm auf ein Begrü­ßungs­schreiben hin sogar weitere persön­liche Daten zu ihrer Adresse ergänzt, eine ideale Kundin eigentlich, aber trotzdem ist Vertriebs­leiter V. nicht zufrieden. Kunden wie Frau X. – jung und gebildet – bleiben dem teuren Grund­ver­sor­gungs­tarif der SWO erfah­rungs­gemäß oft nicht treu. Er würde sie gern ansprechen, um ihr einen günstigen Sonder­kun­den­tarif anzubieten, vielleicht auch den Ökostrom­tarif für ökolo­gisch besonders bewusste Kunden. Aber darf er sie einfach anrufen?

Tatsächlich macht Herr V. sich begründete Sorgen. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG verbietet es nämlich, Verbraucher ohne ausdrück­liche Einwil­ligung anzurufen. Und ausdrücklich einge­willigt hat Frau X. in Anrufe der SWO ja nie. Dass sie Kundin der Stadt­werke ist, ändert daran im Übrigen nichts.

Darf Herr V. ihr einen Brief schreiben? § 7 UWG, der Frau X. vor unzumut­baren Beläs­ti­gungen schützt, erfasst Briefe nicht. Einen Brief zu erhalten und mögli­cher­weise wegzu­werfen ist ja auch weit weniger beläs­tigend als einen Anrufer abzuwimmeln. Aber neben dem UWG ist auch das BDSG zu berück­sich­tigen, der in Deutschland besonders gut entwi­ckelte Daten­schutz. Danach ist die Daten­ver­wendung an sich ohne Einwil­ligung unzulässig. Aber es gibt eine wichtige Ausnahme: Das Listen­pri­vileg. Dieses erlaubt die Verwendung von Daten ohne vorherige ausdrück­liche Einwil­ligung unter anderem auch dann, wenn – wie hier – ein Unter­nehmen sie zu eigenen Geschäfts­zwecken erhoben hat.

Die SWO schreiben Frau X. also einen Brief und bieten ihr günstige Tarife an. Aber gerade Werbe­schreiben landen oft ungelesen im Müll. Herr V. möchte lieber mailen. Er hat auch eine Mailadresse von Frau X. erhalten, weil sie sich einmal an die Stadt­werke gewandt hatte. Aber eine Einwil­ligung hat sie nicht. Und die Werbung per Mail ist nicht so hemds­är­melig zu handhaben wie die per Brief. Hier gilt vielmehr wieder § 7 UWG, der für E‑Mails eine Sonder­re­gelung enthält. Hier steht ausdrücklich, dass die Werbung bei Bestands­kunden per Mail für ähnliche Waren und Dienst­leis­tungen per Mail zulässig ist, solange kein Wider­spruch vorliegt. Schwierig jedoch: Wettbe­werbs­rechtlich ist Herr V. damit auf der sicheren Seite. Aber daten­schutz­rechtlich kann er sich für E‑Mails nicht auf das Listen­pri­vileg berufen, das ihm für Brief­werbung das Leben erleichtert. Er braucht eine Einwil­ligung, und die hat er nicht, nur weil er die E‑Mailadresse besitzt.

Aber Herr V. hat Glück. Das Städtchen Oberal­theim ist klein und Frau X. wohnt auf seinem Heimweg. Als er nach Hause fährt, sieht er sie auf ihrem Balkon. Er hält an und klingelt. Nun sollte man meinen, dass gerade für den Hausbesuch besonders enge Grenzen gelten würden, wenn schon für E‑Mails strenge Restrik­tionen gelten. Aber ganz im Gegenteil: Aus vermutlich histo­ri­schen Gründen ist dieser erlaubt, wenn er nicht gerade ausdrücklich unerwünscht ist. Frau X. macht also auf, Herr V. stellt sich ihr kurz vor, begrüßt sie noch einmal in der Grund­ver­sorgung und bietet er an, sie künftig als Sonder­kundin deutlich günstiger, wenn auch mit längere Kündi­gungs­frist zu versorgen. Frau X. unter­schreibt an Ort und Stelle und gibt bei Gelegenheit auch gleich eine Einwil­li­gungs­er­klärung ab für künftige günstige Angebote.

Von |2018-04-27T12:54:58+02:0022. März 2018|Datenschutz, Wettbewerbsrecht|

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