Frau Göker flucht. Das kommt nicht oft vor. Frau Geschäftsführerin Göker der Stadtwerke Oberaltheim GmbH (SWO) gilt als geradezu übermenschlich beherrscht. Aber wenn man sechs Wochen Mutterschutz und ein entsetzliches Jahr ohne die unersetzliche, sozusagen gottgleiche Assistentin Annika Assmann fast überstanden hat, nur um im Januar zu erfahren, dass deren Elternzeit statt im März zu enden, nun bis August verlängert werden soll, kann man schon mal Ausdrücke gebrauchen, von denen Außenstehende nicht einmal geahnt hätten, dass Frau Göker sie kennt.
Anders als manche im Vorfeld unkten, liegt diese Verlängerung keineswegs an einer Persönlichkeitsveränderung von Frau Assmann. Ganz im Gegenteil: Frau Assmann langweilt sich zwischen PEKiP und endlosen Spaziergängen im Stadtpark von Oberaltheim demnächst zu Tode und brennt darauf, Sohn Charly endlich in der Kita Pusteblume unterzubringen. Doch die Pusteblume hat alle 70 Plätze restlos belegt. Erst ab August soll es einen Platz für Charly geben, wenn die großen Kinder eingeschult werden. Dabei hat Frau Assmann doch einen Kostenübernahmebescheid – vulgo Kitagutschein – ab März bekommen, denn am 1. März wird Charly eins.
„Das kann doch nicht sein!“, wütet Geschäftsführerin Göker gegen das Schicksal und berät sich lange mit Frau Justitiarin Berlach und Frau Assmann selbst. Schließlich fassen die drei Damen einen Plan: Frau Assmann stellt einen Antrag auf Zuweisung eines Kitaplatzes ab dem 1. März. Als die Ablehnung mangels freier Plätze kommt, legt sie unmittelbar Widerspruch ein und kündigt einen Eilantrag vorm Verwaltungsgericht (VG) an. Zur Begründung verweist sie – mit ein bisschen freundschaftlicher Unterstützung von Frau Berlach – auf § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, wo es heißt:
„Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege.“
Keineswegs heißt es hier, dass ein Kind ab dem 1. August nach dem ersten Geburtstag Anspruch auf einen Kitaplatz hat. Auch steht da nicht, dass dieser Anspruch nur dann bestehen würde, wenn es ausreichend Plätze vor Ort gibt. Ganz im Gegenteil gewährt der Gesetzgeber diesen Anspruch ohne Kapazitätsvorbehalt, wie u. a. das BVerfG unterstrichen hat (1 BvF 2/13, dort Rn. 43). Das bedeutet, dass es Sache der Behörden ist, die Plätze bereitzustellen. Deswegen hat auch kürzlich das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 22.03.2018 (OVG 6 S 2.18 und OVG 6 S 6.18) das Land Berlin verpflichtet, innerhalb von fünf Wochen Kitaplätze (oder gleichwertige Betreuungsplätze) in angemessener Entfernung von weniger als 30 Minuten nachzuweisen.
Das Jugendamt aber stellt sich tot. Nicht einmal, als Frau Assmann tatsächlich das VG Oberaltheim bemüht und einen Eilantrag stellt, kommt Bewegung in die Behörde. Man wolle, hört man hinter vorgehaltener Hand, niemanden dazu einladen, es Frau Assmann gleich zu tun. Erst, als das VG Oberaltheim tatsächlich einen Beschluss im Eilrechtsschutz erlässt und Charly den begehrten Platz ab dem 1. März zuspricht, erhält Frau Assmann kommentarlos einen Kitavertrag zugeschickt.
Und Frau Göker soll, wie man hört, in ihrem Büro eine Art kleinen Freudentanz aufgeführt haben.
Und in Berlin ist ja sogar der Spass dazugekommen, dass es einen wohnraumnahen Kitaplatz geben muss. Also nicht im finsteren Prenzlauer Berg, wenn mensch in Britz wohnt. Wollen wir hoffen, dass Frau Assmann das weiss und bei ner Stunde Fahrzeit dem Jugendamt auf die Finger haut. Auch wenn Oberaltheim sicher nicht Berlin ist :-D
Wohnraumnah ist so wichtig. Wer jeweils eine Stunden fährt, kann bei acht Std Betreuungszeit nur sechs Stunden arbeiten. Das fehlt dann finanziell, aber auch an Freizeit