Herr V., Vertriebsleiter des örtlichen Stadtwerks in der Kleinstadt Oberaltheim, ist zufrieden. Das Sommerfest des Stadtwerks Oberaltheim (SWO) war ein voller Erfolg. Mehrere hundert Bürger waren der Einladung gefolgt. Die Berichterstattung in der Lokalpresse war mehr als günstig.
Herr V. und seine Kollegin haben den ganzen Tag fotografiert: Frau Bürgermeisterin B. zwischen den neuen Solarkollektoren auf dem Dach der Grundschule. Ein paar sehr vergnügte Freundinnen bei der Ökorallye am Wasserwerk. Und viele Kinder, die auf der Hüpfburg vorm Hauptgebäude begeistert herumspringen. Sogar ein bisschen Prominenz in Gestalt von Schlagerstar S. wurde gesichtet, und von Herrn V. in lustiger Pose beim Bratwurstessen verewigt.
Gern würde Herr V. die Bilder auf der Homepage des Stadtwerks und in der Kundenzeitschrift publizieren. Aber Einwilligungen nach § 22 Kunsturhebergesetz (KUG) hat er leider nicht.
Bei der Bürgermeisterin hilft ihm immerhin § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG. Sie ist eine Person der Zeitgeschichte, und da sie nicht privat, sondern in durchaus dienstlicher Funktion auf dem Dach der Schule herumkletterte, muss Herr V. nicht einmal lange darüber nachdenken, ob er das Foto verwenden darf. Aber wie sieht es bei den Frauen auf der Rallye und den springenden Kindern aus? Herr V. ist sich unsicher. Dabei gefielen ihm diese Bilder besonders gut.
Ganz einfach zu handhaben ist diese Frage nicht. „Beiwerk“ einer Hüpfburg im Sinne § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG sind die Kinder nicht, denn es ging Herrn V. ja nicht um die Darstellung der Hüfburg oder der Festwiese an sich. Allerdings erlaubt § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG die Veröffentlichung von Fotos ohne Einwilligung bei den Teilnehmern von Versammlungen, Aufzügen etc. Die Regelung ist auf die Teilnehmer von Demonstrationen, Sportveranstaltungen oder Karnevalsumzüge gemünzt. Sie legitimiert die einwilligungslose Verwendung von Bildern von öffentlichen Veranstaltungen, deren Teilnehmer von einem gemeinsamen Willen getragen wurden. Trifft das auf die Kinder überhaupt zu? Zumindest, wenn es sich nicht um eine große, letztlich anonyme Menschenmenge handelt, sondern nur um eine Handvoll Kinder empfiehlt sich angesichts der bestehenden Zweifel auf jeden Fall eine Einwilligung durch die Erziehungsberechtigten.
Und wie sieht es mit einer besonders schönen Großaufnahme einer auffallend attraktiven Kundin bei der Rallye aus, die ihm als Fotografen fröhlich zuprostet? An sich ist bei einer so eindeutigen Blickfangfotografie eine Einwilligung unumgänglich. Aber angesichts des Umstandes, dass Frau X. – wir kennen sie bereits – nicht nur mit dem Bild selbst augenscheinlich einverstanden war, sondern auch wusste, dass Herr V. die Bilder als Vertriebsleiter verwenden wollte, ist von einer zumindest konkludenten Einwilligung wohl auszugehen, auch wenn solche Einwilligungen angesichts der klaren Beweislast, wenn es doch einmal Ärger gibt, nie ganz unproblematisch sind.
Wie aber sieht es mit dem Schlagersänger S. aus? Herr S. ist sicherlich eine Person der Zeitgeschichte. Aber auch eine solche hat Anspruch auf eine Privatsphäre, und bei der deswegen gebotenen Güterabwägung spricht viel dafür, dass er sich nur dann beim unvorteilhaften Bratwurstessen scherzhaft im Kundenmagazin abbilden lassen muss, wenn er das will. Aber Herr V. hat Glück: Sänger S. hat Humor.
Im nächsten Jahr will Vertriebsleiter V. gleich Einwilligungen einholen. Aber wie sollen die aussehen? Geht das per Aushang? Oder soll er Tickets ausgeben? Und wie gestaltet sich die Lage überhaupt, denn ab dem 25. Mai gilt ja die DGSVO. Dazu demnächst mehr.
[…] Sache mit den Bildern vom Stadtfest sehr eindringlich […]