Block­chain I: Von Blogs zur Blockchain

Als ich Studentin war, gab es Zeitungen und Blogger. Zeitungen nahmen Blogger nicht ernst. Zeitungen waren die Öffent­lichkeit, Blogger waren Leute mit zuviel Zeit, die im Internet über ihre total egalen Privat­an­ge­le­gen­heiten schrieben. Ernst­hafte Leute mit Krawatten und Vorzim­merdame nahmen derlei Umtriebe gar nicht erst ernst.

Nun gut. Heute bin ich über 40 und zur re:publica 18 in der nächsten Woche erscheinen so um die 7.000 Leute (ich auch*). Die bekann­testen Blogger erreichen mehr Menschen als eine normale Zeitung, und für Leute, die heute so jung sind wie ich damals, sind Menschen Stars, die ihren Alltag für YouTube filmen. Die Zeitungen gibt es zwar noch. Aber von ihrem alten Selbst­be­wusstsein ist nicht viel übrig. Die Zeit ist nicht gänzlich über sie hinweg­ge­gangen, aber sie haben ihre Bedeutung als Flaschenhals und Mittelsmann zwischen Infor­mation, Unter­haltung und dem Bürger verloren. Es gibt keine klaren Grenzen mehr zwischen Sender und Empfänger. Wir alle sind je nach Gusto und Tagesform beides.

Disku­tiert die Energie­wirt­schaft über die Block­chain, muss ich an diese 20 Jahre alten Debatten denken. Wie die Zeitungen vor 20 Jahren glauben auch Energie­ver­sorger heute, dass sie nicht wegzu­denken wären. Zwar werden gegen­wärtig ständig irgendwo Vorträge über die Block­chain in der Energie­wirt­schaft gehalten, deren Fazit stets darin mündet, dass auch in Hinblick auf Strom Mittels­männer überflüssig seien. Statt dessen würden Unter­nehmer und Verbraucher gleich­zeitig Strom erzeugen, etwa über Solar­pa­neele auf dem Dach oder ein BHKW auf dem Betriebs­ge­lände. Und natürlich auch Strom verbrauchen. Der überschüssige Strom würde dann über die Block­chain, also ein dezen­trales System, das alle Trans­ak­tionen fälschungs­sicher dokumen­tiert, an andere Verbraucher verkauft. Weil die Block­chain für diese Trans­ak­tionen die Computer der Erzeuger und Verbraucher nutzt, wären Energie­ver­sorger schlag­artig überflüssig.

Sprich man nach diesen Vorträgen aller­dings beim Pausen­kaffee mit Energie­ver­sorgern, so wirken die insgesamt eher weniger alarmiert. Angesichts einer Techno­logie, die technisch bereits funktio­niert und nichts weniger als die eigene Abschaffung auslösen würde, ist diese Ruhe eigentlich nur mit Fanta­sie­lo­sigkeit zu erklären. Doch ebenso, wie Medien Ideen brauchen, wie sie in Zukunft bestehen sollen, sollte auch die Energie­wirt­schaft Modelle entwi­ckeln, welche Rolle sie künftig spielen könnte. Und wer das bezahlt.

Ob die Visionen einer stadt­werks­freien Zukunft wirklich eintreten, kann ich natur­gemäß ebenso wenig prognos­ti­zieren wie alle anderen Leute, auch wenn die vielleicht mit mehr Inbrunst so tun, als hätten sie eine Glaskugel im Keller. In den nächsten Tagen werde ich aber in einigen kurzen Texten Fragen ansprechen, die die Block­chain stellt, unter anderem: Was für Pilot­pro­jekte gibt es schon in Hinblick auf die Block­chain in der Energie­wirt­schaft? Welche Prozesse könnte sie unter­stützen oder übernehmen? Und wo kommen die heutigen Energie­ver­sorger in diesen Szenarien vor?

*Wenn Sie auch zur re:publica kommen, freue ich mich über einen Kaffee. Mailen Sie mir gern.