Der EuGH entscheidet über slowakische Emissionshandelssteuer … aus 2011
Der Fall selbst ist schnell erzählt: Der Emissionshandel ist bekanntlich in einzelne Handelsperioden unterteilt. Die Handelsperiode, um die es hier ging, begann 2008 und endete 2012.
Damals sah die Emissionshandelsrichtlinie 2003/87/EU (EHRL) eine weitgehend kostenlose Zuteilung von Emissionsberechtigungen vor. Nur 10% der Zertifikate durften gem. des damals geltenden Art. 10 der EHRL versteigert werden. Der Minderungsanreiz für die teilnehmenden Anlagenbetreiber bestand darin, dass die zugeteilten Zertifikate, die jeweils 1 t CO2 legitimierten, einen Sollzustand abbildeten. Wer damit auskam, musste also nichts zukaufen, ersparte so zusätzliche Ausgaben und konnte vielleicht sogar noch Überschüsse veräußern.
Die so erwirtschafteten Gewinne flossen den Anlagenbetreibern zu. Dies jedoch missfiel der Slowakei: Sie besteuerte die Gewinne aus den Veräußerungen, aber auch den ungenutzten Bestand deswegen mit 80%.
Gegen diese Steuer zog das Unternehmen PPC Power vor Gericht und trug u. a. vor, dass die Zuteilung gerade nicht zu 90% kostenlos ist, wenn als Überschüsse so hoch besteuert werden, dass ein Unternehmen dann doch für mehr als 10% seiner Zuteilung Geld ausgeben muss. PPC sollte im konkreten Fall 300.000 EUR allein für das zweite Halbjahr 2011 abführen.
Der angerufene Gerichtshof legte die Frage der Gemeinschaftsrechtskonformität dem EuGH vor. Dieser entschied am 12.04.2018, dass die Steuer in der Tat gemeinschaftsrechtswidrig war. Denn sie laufe den Zielen der Richtlinie zuwider, die ja gerade darauf abzielte, finanzielle Anreize für Minderungsmaßnahmen zu schaffen. Wenn ein Unternehmen aber nur 20% dieser Gewinne oder des Vermögenszuflusses in Form von Zertifikaten überhaupt behalten durfte, löse sich der Vorteil in wenig mehr als nichts auf. PPC Power muss den Steuerbescheid über 300.000 EUR für das zweite und dritte Quartal 2011 also nicht bezahlen.
Doch obwohl dieses Verfahren mit einem Obsiegen des Klägers endet, zeigt es deutlich ein grundsätzliches Problem der gerichtlichen Aufarbeitung des Emissionshandels. Schon im Normalfall sind die langen Verfahrensdauern im Verwaltungsrecht ein Mandanten oft schwer vermittelbares Übel. Durch die Vergemeinschaftung vieler Materien müssen zudem oft auch noch die Gemeinschaftsgerichte angerufen werden. Dieses Verfahren zeigt: Das dauert oft viele Jahre.
Die Periodenbezogenheit des Emissionshandels führt damit zwangsläufig dazu, dass über die Rechtmäßigkeit vieler Maßnahmen erst entschieden wird, wenn sie längst nicht mehr aktuell sind. In Hinblick auf Zuteilungen kommt noch erschwerend dazu, dass unerfüllte Ansprüche auf Mehrzuteilung nach derzeitigem Stand der deutschen Rechtsprechung am Ende einer Handelsperiode ersatzlos untergehen. Doch selbst wenn es – wie hier – um Steuern geht, ist der praktische Ertrag der langen und aufwändigen Prozesse oft gering. Denn seit 2011 hat sich nicht nur das slowakische Recht geändert. Die EHRL wurde mehrfach grundlegend umgestaltet. Viele Entscheidungen, so auch diese, haben zum Zeitpunkt endgültiger Entscheidungen deswegen fast nur noch rechtshistorischen Wert. Das verkürzt faktisch den Rechtsschutzanspruch der Betroffenen und nimmt dem Gesetzgeber die Möglichkeit, den Regelungsbestand auch anhand von Rechtsprechung organisch weiterzuentwickeln.