Abfall­recht: Verant­wort­lichkeit des Zustandsstörers

Das Recht der Altlasten ist berüchtigt. Denn hier gibt es im öffent­lichen Recht eine Art verschul­dens­un­ab­hän­giger Haftung. Eigentum verpflichtet und das beinhaltet unter anderem, dass der Grund­stücks­ei­gen­tümer alleine aufgrund der Tatsache, dass von seinem Grund­stück eine Gefahr ausgeht, für deren Besei­tigung aufkommen muss. Das nennt man im verwal­tungs­s­recht­lichen Jargon die „Zustands­ver­ant­wort­lichkeit“ und der Betroffene einen sogenannten „Zustands­störer“. Die Beteuerung des Zustands­störers, er habe doch gar nichts getan, verhallt im Polizei- und Ordnungs­recht weitgehend ungehört.

Das unter­scheidet ihn zwar vom sogenannten Verhal­tens­störer. Denn der ist aufgrund seines Handelns für eine Gefahr verant­wortlich. Grund­sätzlich sind die Behörden gehalten, im Rahmen der Verhält­nis­mä­ßigkeit auch mit zu berück­sich­tigen, dass primär auf einen Verhal­tens­störer zugegriffen werden kann. Primär geht es jedoch darum, die Gefahr möglichst effektiv und schnell aus der Welt zu schaffen.

Der ganze Zusam­menhang wurde erst kürzlich wieder vom Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt beleuchtet. Genau­ge­nommen ging zwar nicht um eine boden­recht­liche Altlast, sondern um nicht-gefähr­liche Abfälle, die auf einem Grund­stück abgelagert worden waren. Angehäuft hatte sie der Betreiber einer Anlage zur Aufbe­reitung von nicht-gefähr­lichen Abfällen.

Der Eigen­tümer des Grund­stücks hatte die Abfälle also nicht selbst abgelagert, vielmehr hatte er nach eigenem Bekunden sogar wiederholt die Behörden auf bestehende Missstände hinge­wiesen: Gegenüber der immis­si­ons­schutz­recht­lichen Geneh­migung war die Menge an Abfällen über Jahre erheblich überschritten worden. Zuletzt lagerten 6.000 – 7.000 t bauge­werb­liche Kunst­stoff­ab­fälle auf dem Gelände.

Die zuständige Behörde gab nach Insolvenz der Anlagen­be­trei­berin der Grund­stücks­ei­gen­tü­merin per Ordnungs­ver­fügung gem. § 62 Kreis­lauf­wirt­schafts­gesetz (KrWG) auf, die auf dem ehema­ligen Betriebs­grund­stück der Insol­venz­schuld­nerin lagernden Abfälle zu beräumen und ordnungs­gemäß zu entsorgen. Dagegen wendet sie sich zunächst mit einer Klage vor dem Verwal­tungs­ge­richt (VG) Frankfurt (Oder), das ihr zunächst recht gab. Zwar sei eine Heran­ziehung der Klägerin nach den Grund­sätzen der Zustands­ver­ant­wort­lichkeit grund­sätzlich möglich. Die Behörde hätte jedoch versäumt zu prüfen, ob der Geschäfts­führer, der zuständige Betriebs­leiter sowie der Abfall­be­auf­tragte der Insol­venz­schuld­nerin als persönlich Verhal­tens­ver­ant­wort­liche verant­wortlich sein könnten. Das Oberver­wal­tungs­ge­richt Berlin-Brandenburg hatte nach der Berufung dagegen der Beklagten recht gegeben.

Die Beschwerde gegen die Nicht­zu­lassung der Revision blieb vor dem Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt ohne Erfolg (BVerwG, Beschluss vom 28.04.2022, Az 7 B 17.21). Denn zum Zeitpunkt der letzten Behör­den­ent­scheidung seien die persönlich für die Lagerung der Abfälle verant­wort­lichen Mitar­beiter der Insol­venz­schuld­nerin nicht mehr im Besitz der Abfälle gewesen. Voraus­setzung dafür wäre nämlich die tatsäch­liche Sachherr­schaft, also die Verfü­gungs­mög­lich­keiten über die Abfälle. Insofern verblieb nur die Klägerin als Verant­wort­liche. Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass es nicht reicht, im Abfall­recht selbst korrekt zu handeln. Vielmehr muss damit gerechnet werden, auch für Risiken einzu­stehen, die durch andere verur­sacht wurden (Olaf Dilling).

2022-06-10T14:24:38+02:0010. Juni 2022|Umwelt, Verwaltungsrecht|

Viele Unklar­heiten rund um § 24 EnSiG

Rund um den neuge­schaf­fenen § 24 Energie­si­che­rungs­gesetz (EnSiG) ergeben sich immer neue praktische Fragen. Klar ist jeden­falls, dass im Falle einer Einstellung der Gaslie­fe­rungen aus Russland die Bundes­netz­agentur außer­or­dent­liche Preis­an­pas­sungen erlauben kann, und zwar entlang der Liefer­kette vom Importeur bis zum Versorger des Letzt­ver­brau­chers. Dies soll verhindern, dass ein steiler Preis­an­stieg nach dem Stopp der russi­schen Gasim­porte zu unkon­trol­lier­baren Verwer­fungen führt. Statt dessen sollen alle Akteure die Preise in dem Maße erhöhen wie es maximal notwendig ist, um Ersatz zu beschaffen.

Doch auf viele Fragen hat die neue Norm keine Antwort. Klar dürfte noch sein, dass das Preis­an­pas­sungs­recht nicht für Verträge gilt, für die nicht die deutsche Rechts­ordnung anwendbar ist. Das betrifft im Handel mit Gas aber nicht wenige Unter­nehmen. Hier besteht also die reale Gefahr, dass Preise steigen, aber nicht weiter­ge­geben werden können. Relevant sind dann die vertrag­lichen Klauseln, bevor geprüft wird, ob § 313 BGB im Einzelfall greifen könnte.

Fragezeichen, Wissen, Frage, Unterzeichnen, Symbol

Auch dort, wo Unter­nehmen ihren Gaspreis im vollen beidsei­tigen Bewusstsein der Weltlage und ihrer möglichen Auswir­kungen auf die deutsche Energie­ver­sorgung fest vereinbart bzw. abgesi­chert haben, stellen sich Fragen. Muss nicht in diesen beson­deren Einzel­fällen, wo genau dieser Fall unter Kaufleuten geregelt wurde, die vertrag­liche Klausel dem gesetz­lichen „Normalfall“ vorgehen? Schließlich ergibt sich aus dem Vertrag klar, dass eben diese Risiko­ver­teilung – für die ja auch Geld geflossen ist – dem ausdrück­lichen Willen der Parteien entspricht. Und wenn dies nicht der Fall ist: Was wird aus der Vergütung? Die Norm selbst regelt dies nicht.

Vermutlich werden am Ende Gerichte entscheiden. Doch für viele Unter­nehmen sowohl als Käufer als auch als Verkäufer stellen die offenen Fragen an § 24 EnSiG weitere Unsicher­heits­fak­toren in einem ohnehin unsicheren Umfeld dar (Miriam Vollmer).

2022-06-09T22:41:55+02:009. Juni 2022|Energiepolitik, Gas, Vertrieb|

Der Wertersatz bei rechts­grund­loser Energielieferung

Die Lieferung von Energie gegen Entgelt wird rechtlich als eine Form des Kaufver­trages i.s.d. § 433 BGB behandelt. Der Energie­lie­ferant schuldet Energie und der Kunde die verein­barte Bezahlung. Was aber gilt, wenn Energie geliefert und verbraucht wird, obwohl gar kein (wirksamer) Vertrag besteht? Diese Situation mag eher selten sein im Energie­recht, sie kann aber eintreten – zum Beispiel wenn die Ersatz­ver­sorgung faktisch über die maximal gesetzlich vorge­sehene Dauer von 3 Monaten ausge­dehnt wird. Oder wenn der Abschluss des Energie­lie­fer­ver­trages Wirksam­keits­mängeln unter­liegt, eine Belie­ferung aber trotzdem statt­ge­funden hat.

In diesen Fällen besteht kein vertrag­licher Anspruch des Energie­ver­sorgers auf Bezahlung der Energie gegen den Kunden – gleichwohl ist diese damit nicht kostenfrei. Der Kunde schuldet dem Versorger in diesem Fall nämlich grund­sätzlich nach § 812 BGB die Herausgabe von allem, was dieser rechts­grundlos geleistet hat – nämlich die bezogene Energie. Da diese Energie vom Kunden aber verbraucht wurde und nicht stofflich zurück­ge­geben werden kann, muss der Kunde hierfür Wertersatz leisten (§ 818 Abs. 2 BGB). Aber wie ist dieser „Wert“ zu bestimmen?

Hierbei kommen verschiedene Ansätze der Wertermittlung in Betracht. Der Wert der Energie könnte einfach am vertrag­lichen Liefer­preis gemessen werden – also dem Preis der gegolten hätte, wenn die Lieferung auf einem Vertrag beruhen würde. Oder aber der Wertersatz könnte sich an den Kosten bemessen, die der Energie­ver­sorger seiner­seits aufbringen musste, die Energie dem Kunden bereit­zu­stellen. Oder aber der Wertersatz könnte daran gemessen werden, zu welchem Preis die vom Kunden verbrauchte Energie­menge zum Zeitpunkt des Erstat­tungs­an­spruches am Markt neu beschafft werden könnte. Man sieht, jeder dieser 3 Ansätze wird im Einzelfall zu einem anderen Wert führen.

Der BGH hatte zumindest in einer Entscheidung im Jahr 1992 den Wertersatz einer Energie­lie­ferung nach der Höhe eines vergleich­baren vertrag­lichen Tarif­preises bestimmt (BGH, Urteil vom 14. Januar 1992, VI ZR 18 6/91). Die Schlich­tungs­stelle Energie kam in einem ähnlichen Streitfall nach vielen Abwägungen zur Bestimmung des Werter­satzes zu dem „Gütevor­schlag“, der betroffene Versorger solle doch einfach komplett auf Wertersatz verzichten (Schlich­tungs­stelle Energie, 12.10.2021, 3485/21). So einfach kann man es sich natürlich auch machen.

(Christian Dümke)

2022-06-09T00:15:26+02:009. Juni 2022|Grundkurs Energie, Vertrieb|