Die Alarmstufe des Notfallplan Gas droht – was sind die Folgen?
Der Presse war heute zu entnehmen, dass die Regierung angeblich die Ausrufung der „Alarmstufe“ des Notfallplans Gas vorbereite.
UPDATE vom 23.06.2022: Die Alarmstufe wurde zwischenzeitlich ausgerufen.
Wir schauen uns an, was das bedeutet:
Wir hatten hier bereits schon einmal grundsätzlich erklärt, wie der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen zur Sicherung der Gasversorgung durch das Energiesicherungsgesetz und den Notfallplan Gas grundlegend ausgestaltet hat.
Voraussetzungen der Alarmstufe
Die aktuell im Raum stehende „Alarmstufe“ ist die zweite Stufe von insgesamt drei Krisenstufen des Notfallplans (Frühwarnstufe, Alarmstufe, Notfallstufe). Die Feststellung der Alarmstufe erfolgt durch das BMWi durch Bekanntgabe per Presseerklärung. Hierfür müssen folgende Indikatoren einzeln oder gemeinsam vorliegen:
- Nichtvorhandensein/Ausbleiben/gravierende Reduzierung von Gasströmen an wichtigen physischen Einspeise[1]punkten
- lang anhaltende sehr niedrige Speicherfüllstände
- Ausfall von wichtigen Aufkommensquellen
- längerer technischer Ausfall wesentlicher Infrastrukturen (z.B. Leitungen und/oder Verdichteranlagen) mit Möglichkeit einer Alternativversorgung
- extreme Wetterverhältnisse bei gleichzeitig sehr hoher Nachfrage
- hohe Gefahr langfristiger Unterversorgung
- Anforderung von Solidarität an Deutschland
Folgen der Alarmstufe
Die Feststellung der Alarmstufe hat zur Folge, dass unter Fortgeltung der europäischen Binnenmarktregeln die Gasversorgungsunternehmen weiter die Versorgung mit Erdgas gemäß § 53a EnWG sicherstellen müssen. Hierfür stehen ihnen spezielle marktbasierte Maßnahmen zur Verfügung, die unter Ziffer 7 des Notfallplans aufgeführt sind.
- Nutzung interner Regelenergie
- Optimierung von Lastflüssen
- Anforderung externer Regelenergie
- Abruf von externer lokaler und/oder netzpunktscharfer Regelenergie
- Verlagerung von Erdgasmengen in Zusammenarbeit mit Netzbetreibern in Deutschland sowie im benachbarten Ausland
- Lastflusszusagen
- Unterbrechungen auf vertraglicher Basis (unterbrechbare Verträge)
Gelingt es den einzelnen Netzbetreibern nicht, mithilfe dieser Maßnahmen, die Gefährdung oder Störung in ihrem jeweiligen Netz im Rahmen ihrer eigenen Systemverantwortung zu beseitigen, so sind sie im Rahmen der Zusammenarbeit nach § 16 Abs. 2 i.V.m § 15 Abs. 1 EnWG „berechtigt und verpflichtet, sämtliche Gaseinspeisungen, Gastransporte und Gasausspeisungen in ihren Netzen den Erfordernissen eines sicheren und zuverlässigen Betriebs der Netze anzupassen oder diese Anpassung zu verlangen“. Dabei sind „die betroffenen Betreiber von anderen Fernleitungs- und Gasverteilernetzen und Gashändler … soweit möglich vorab zu informieren“. Entsprechendes gilt nach § 16a EnWG auch für die VNB.
Fernleitungs- und Verteilernetzbetreiber ergreifen im Rahmen ihrer Systemverantwortung Maßnahmen gemäß §§ 16 und 16a EnWG. Die Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) – geben in Abstimmung mit den Marktgebietsverantwortlichen zeitnahe schriftliche Lageeinschätzungen, mindestens einmal täglich an das BMWi und Stromnetzbetreiber (ÜNB) tauschen notwendige Informationen aus und koordinieren soweit möglich ihre Maßnahmen untereinander mit der Maßgabe, ihre jeweiligen Netze so lange wie möglich stabil zu halten.
Es besteht die Verpflichtung der Gasversorgungsunternehmen zur umfassenden Unterstützung des BMWi bei der Lagebewertung und Mitwirkung im Krisenteam; die Marktgebietsverantwortlichen spielen aufgrund ihrer Kenntnis über die Versorgungssituation des Marktgebietes eine wichtige Rolle. Das BMWi unterrichtet unverzüglich die EU-KOM, insbesondere über geplante Maßnahmen (Art. 11 Abs. 2 SoS-VO).
Weiterhin steht den Gaslieferanten während der Alarmstufe auf allen Lieferstufen das „Superpreisanpassungsrecht“ nach § 24 Energiesicherungsgesetz zur Verfügung, sobald die Bundesnetzagentur nach § 24 Abs. 1 EnSiG „eine erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland festgestellt“ hat (wir erläutern dies hier).
Fazit
Die Alarmstufe verpflichtet somit zunächst die verantwortlichen Energieversorgungsunternehmen selbst, alle ihnen zur Verfügung stehenden mittel zur Sicherstellung der Energieversorgung zu ergreifen. Der Staat selber greift noch nicht in Liefervorgänge ein und es kommt auch nicht zur Unterbrechung der Versorgung, es sei denn es handelt sich um besondere Kunden mit entsprechender vertraglicher Vereinbarung.
Wann endet die Alarmstufe?
Das BMWi beendet die Alarmstufe bei Wegfall der Voraussetzungen durch Presseerklärung und unterrichtet unverzüglich die EU-KOM.
(Christian Dümke)