Straßen­recht: Tiefer gelegt und auf Grund gelaufen

Beim Fahren an Autobahn­bau­stellen ist es für Autofahrer wichtig, die Breite des eigenen Autos zu kennen. Die Breite über alles, also mit Seiten­spiegeln, ergibt sich übrigens nicht aus dem Fahrzeug­brief, sondern muss notfalls mit dem Zollstock ausge­messen werden. Bis vor kurzem waren die Behelfs­spuren auf Autobahnen noch 2 m, inzwi­schen sind sie, etwas angepasst an die Realität heutiger Fahrzeug­größen, 2,10 m breit.

Spielzeug-Ferrari auf Gehwegplatten

Wer ein für den Straßen­verkehr zugelas­senes Kfz fährt, kann daher nicht erwarten, dass Straßen in jeder Hinsicht an das eigene Fahrzeug angepasst sind. Dies zeigt auch eine aktuelle Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts (OLG) Koblenz. Ein Autofahrer war mit seinem Ferrari durch die Altstadt von Cochem gefahren. Als er um falsch geparkte Kfz herum­kurvte, kam er in eine Art Regen­rinne und setzte auf dem daneben liegenden Gulli­deckel auf. Das lag nicht nur daran, dass dieser Gulli­deckel gegenüber der Straßen­ober­fläche erhaben war, sondern auch daran, dass der Ferrari bereits werkseitig tiefer gelegt war.

Die Kasko­ver­si­cherung wollte nun von der Stadt Cochem als Trägerin der Straßen­baulast den Schaden am Fahrzeug in Höhe von 60.000 Euro ersetzt bekommen. Zunächst hatte das zuständige Landge­richt die Klage abgewiesen und das OLG Koblenz nun einen Hinweis­be­schluss erlassen, auf den die Klägerin die Berufung zurück­ge­zogen hat.

Die Gerichte waren überein­stimmend der Auffassung, dass die Stadt als Träger der Straßen­baulast keine Verkehrs­si­che­rungs­pflicht verletzt habe. Durch die Benutzung des tiefer gelegten Fahrzeuges habe der Fahrzeug­halter die Gefahr selbst begründet. Er hätte dies insofern durch erhöhte Aufmerk­samkeit und Vorsicht kompen­sieren müssen. Die Stadt muss aufgrund ihrer Verkehrs­si­che­rungs­pflicht nicht mit erheb­lichen Kosten für die Allge­meinheit dafür Sorge tragen, dass die Straße für alle Fahrzeuge gefahrlos nutzbar sei. Dies gilt insbe­sondere wenn sie nicht für den Alltags­ge­brauch entwi­ckelt sind. Die Zulassung zum Straßen­verkehr beinhalte keine Zusicherung, alle öffent­lichen Straßen gefahrlos benutzen zu können (Olaf Dilling).

2022-03-28T18:32:32+02:0028. März 2022|Verkehr|

Änderung von Fernwär­me­preis­gleit­klauseln: Wer muss, der kann

EIne lange viel disku­tierte Rechts­frage für Fernwär­me­ver­sorger hat der Bundes­ge­richtshof (BGH) mit Urrteil vom 26. Januar 2022 – VIII ZR 175/19 – geklärt: Wenn sich die Kosten­struktur der Fernwärme verändert hat und deswegen die (an die Kosten­struktur gebundene) Fernwär­me­preis­gleit­klausel wegen der engen Voraus­set­zungen des § 24 Abs. 4 AVBFern­wärmeV unwirksam geworden ist, kann der Versorger diese einseitig ändern (so Rn. 29 der Entscheidung). 

Der BGH unter­streicht noch einmal, dass der Fernwär­me­ver­sorger an sich kein einsei­tiges Preis­be­stim­mungs­recht besitzt. Die vormals viel disku­tierte Ansicht, das Recht allge­meine Versor­gungs­be­din­gungen per Veröf­fent­li­chung zu ändern, umfasse auch die Preise, wird vom BGH also auch in Hinblick auf die bis zum letzten Herbst geltende AVBFern­wärmeV nicht geteilt.

Dieses einseitige Recht zur Änderung besteht aber nur unter engen Voraus­set­zungen: Geändert werden dürfen nur unwirksame Preis­gleit­klauseln. Das bedeutet im Umkehr­schluss: Ist eine Preis­gleit­klausel „nur“ ungünstig, würde das Unter­nehmen gern seine jeweils recht­mä­ßigen Verträge verein­heit­lichen oder das Preis­modell soll sich innerhalb des weiten Spiel­raums des Zuläs­sigen ändern, so ist eine einseitige Änderung damit nicht möglich. Natürlich muss die neue Klausel auch selbst den Voraus­set­zungen des § 24 Abs. 4 AVBFern­wärmeV genügen, um wirksam zu werden, und ordnungs­gemäß veröf­fent­licht werden.

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Wichtig: In den Rn. 75ff. stellt der BGH auch klar, dass die Ergänzung des § 24 Abs. 4 AVBFern­wärmeV im Jahre 2021 einer einsei­tigen Änderung einer bisher rechts­wid­rigen Preis­gleit­klausel nicht entge­gen­steht. Denn – so der Senat – dieser Zusatz verbiete nur den Kunden benach­tei­li­gende Änderungen. Entspre­chend kommt es in dem vom BGH entschie­denen Fall darauf an, ob die neue Klausel hält, deswegen wurde der Fall ans LG Lübeck zurückverwiesen.

Für die Praxis bedeutet das: Rechts­widrige und wegen Änderungen der Kosten­struktur rechts­widrig gewordene Fernwär­me­preis­gleich­klauseln müssen und dürfen einseitig geändert werden. Das ist eine gute Nachricht im Sinne von Rechts­si­cherheit und Pragma­tismus (Miriam Vollmer).

2022-03-25T20:23:38+01:0025. März 2022|Allgemein, Wärme|

Ungewollter Abfall­besitz

Die freiheit­liche Rechts­ordnung des Grund­ge­setzes räumt dem Willen der indivi­du­ellen Rechts­person eine zentrale Stellung ein. Ob im Vertrags­recht, im Sachen­recht, im Straf- und Ordnungs­wid­rig­kei­ten­recht und im Haftungs­recht: Entscheidend ist in diesen Rechts­ge­bieten grund­sätzlich der freie Wille, sei es beim Schließen von Verträgen, bei Verfügen über das Eigentum sowie bei den subjek­tiven Tatbe­ständen von Delikten, also bei Vorsatz und Fahrlässigkeit.

Im öffent­lichen Recht, und insbe­sondere im Umwelt- und Technik­recht, sieht es bisweilen anders aus. Hier gibt es zahlreiche Fälle von verschul­dens­un­ab­hän­giger Haftung. Oft ist das der Tatsache geschuldet, dass die Nutzer von Technik bisweilen unvor­her­sehbare Risiken für Dritte in Kauf nehmen und letztere daraus keinen Nachteil haben sollen.

Es gibt aber auch Fälle, in denen Einzelne mit verschul­dens­un­ab­hän­giger Haftung ein Opfer für die Allge­meinheit bringen. Ein Beispiel ist die Figur des Zustands­störers im Polizei- und Ordungs­recht. Ebenso wie der Verhal­tens­störer, der aufgrund seines Verhaltens für eine Gefahr verant­wortlich ist, kann auch der Zustands­störer von den Behörden als Adressat von Maßnahmen heran­ge­zogen werden, um eine Gefahr für die öffent­liche Sicherheit oder Ordnung abzuwenden.

Aller­dings ist er nicht für ein bewusstes Verhalten verant­wortlich, sondern oft schlicht deswegen, weil eine Gefahr in seinem Verant­wor­tungs­be­reich entsteht. Genauer gesagt geht beim Zustands­störer die Gefahr von einer Sache aus, über die er die tatsäch­liche Sachherr­schaft inne hat.

Ein Beispiel dazu, das die Entkopplung vom Willen des Besitzers der Sache besonders gut zeigt, findet sich in der Recht­spre­chung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts (BVerwG): In dem vom BVerwG entschie­denen Fall hat ein Bremer Landwirt mit regel­mä­ßigen Überschwem­mungen seiner an der Weser gelegenen Nutzflächen zu kämpfen. Damit nicht genug, führen diese Überschwem­mungen dazu, dass auf den von ihm genutzten Flächen immer wieder große Mengen von Treibgut liegen bleiben.

Der Landwirt ist nun der Auffassung, dass dieses Treibgut, das ihn bei der Bewirt­schaftung behindert und seine Erträge mindert, von der Stadt beseitigt werden soll. Die Stadt ist dagegen anderer Auffassung. Und das BVerwG hat ihr letztlich recht gegeben: Im Fall, der nach alter Rechtslage noch nach Kreis­lauf­wirt­schafts- und Abfall­gesetz (KrW-/AbfG) zu entscheiden war, begründet das BVerwG, warum der Landwirt nach §§ 3 Abs. 6 KrW-/AbfG (a.F.) als Besitzer des Treibguts einzu­stufen ist.

Anders als im bürger­lichen Recht sei für den Abfall­besitz lediglich die tatsäch­liche Sachherr­schaft entscheidend. Nicht dagegen käme es auf einen Besitz­be­grün­dungs­willen an. Mit anderen Worten kann Abfall eine Art aufge­drängten Besitz darstellen, für den der Landwirt auch dann haftet, wenn er nie etwas damit zu tun haben wollte. Die Folge ist, dass er gemäß § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG (a.F) zur Sammlung und Überlassung des Abfalls gegenüber dem öffentlich-recht­lichen Entsor­gungs­träger verpflichtet ist.

Die Haftung des Zustandstörers wird gerade in Fällen von Altlasten, bei denen der aktuelle Eigen­tümer für die Verfeh­lungen von Vorei­gen­tümern haften muss, nachvoll­zieh­ba­rer­weise oft als ungerecht empfunden. Daher muss die Inanspruch­nahme des Eigen­tümers nach der Recht­spre­chung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts (BVerfG) verhält­nis­mäßig und zumutbar sein. Insofern gibt es hier doch eine Korrektur, so dass es sich bei Altlasten oder aufge­drängtem Abfall­besitz lohnt, eine genauere Prüfung vorzu­nehmen (Olaf Dilling).

 

2022-03-24T23:58:16+01:0024. März 2022|Allgemein, Umwelt|