Das Energierecht ist schon seit vielen Jahren von einer geradezu furchterregenden Dynamik. Alles ändert sich ständig. Eine Konstante inmitten des Sturms stellt bislang aber die Grundversorgung dar: Umstritten war zwar viele Jahre, wie man in der Grundversorgung die Preise der Kostenentwicklung wirksam anpasst, aber nicht umstritten war die grundsätzliche Konstruktion: Wer in einem Netzgebiet die meisten Haushaltskunden versorgt, ist der Grundversorger und jeder, der keinen Sonderkundenvertrag hat, wird von ihm beliefert. Dies ergibt sich aus § 36 EnWG. Die Details dieses ganz besonderen Lieferverhältnisses stehen in der StromGVV und der GasGVV.
Zwar fordern Behörden regelmäßig Verbraucher auf, doch nun endlich die Grundversorgung zu verlassen. Indes werden auch heute, mehr als 20 Jahre nach der Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte, immer noch viele Verbraucher grundversorgt. Ob es sich durchweg um Kunden handelt, die nicht wissen, dass man auch günstiger Strom oder Gas beziehen kann? Dies mag es geben, aber angesichts der schieren Präsenz der Werbung von Energieversorgern ist es naheliegender, dass es sich vielfach schlicht um Kunden handelt, in deren Augen die Vorzüge der Grundversorgung den oft höheren Preis rechtfertigen.
Die höheren Preise und die damit verbundene Debatte um „Energiearmut“ hat die Frierich-Ebert-Stiftung (FES) aber bereits 2019 zum Anlass genommen, eine Studie herauszugeben, ob die Grundversorgung nicht anders organisiert werden könnte. Dabei wollen die Autoren Jahn/Ecke die Grundversorgung nicht grundsätzlich abschaffen. Es soll auch weiter ein Versorgungsverhältnis geben, wenn ein Verbraucher keinen Vertrag abschließt oder sein Versorger ausfällt, etwa durch Insolvenz.
Die Autoren diskutieren, ob dem Problem der erhöhten Preise in der Grundversorgung möglicherweise durch eine Preiskontrolle beizukommen wäre, verwerfen dies aber. Statt dessen schlagen sie – wie wissenschaftlich bereits vor gut zehn Jahren einmal ohne Widerhall in der Praxis diskutiert – Ausschreibungen vor, die als marktnäheres Instrument den Vorteil des Wettbewerbs mit den Vorteilen einer erhöhten Systemeffizienz vereinen sollen. Kriterien sollten die günstigsten Verbraucherpreise sein, die Autoren schlagen aber auch vor, weitere, energiewendebezogene Ziele einzubeziehen. Ob das Instrument geeignet sei, sollen Tests in Musterregionen erweisen.
Was ist von dem Vorschlag zu halten? Bisher hat die Politik das Gutachten nicht aufgegriffen. Doch bedeutet das wirklich, dass die Politik den Vorschlag aus inhaltlichen Gründen nicht gutheißt? Möglicherweise sind die Ministerien aktuell nur zu beschäftigt, neben den Herausforderungen der Pandemie auch für Energiewirtschaft und energieintensive Industrie den Kohleausstieg, das neue EEG und die letzten Ausläufer des Atomausstiegs zu regeln. Es bleibt damit abzuwarten, wie eine nächste Bundesregierung die Sache sieht. Zu hoffen ist dabei, dass die durchaus gemischten Erfahrungen mit wettbewerblichen Instrumenten bei einer Neuregelung auch der Grundversorgung nicht vergessen würden. Denn Ausschreibungen mögen – wenn es gut läuft – zu marktnahen Ergebnissen führen, der oft steinige Weg bis zum Zuschlag ist oft alles andere als „marktnah“, oft bürokratisch und fast nie ohne umfangreiche Hilfestellungen möglich, wenn man etwa an Netzkonzessionsvergabe denkt. Und ob die Grundversorgungstarife wirklich niedriger wären, würde ausgeschrieben, steht in den Sternen, denn so attraktiv ist ein Produkt, bei dem man sich den Kunden und die Vertragsbedingungen nicht aussuchen kann, dann am Ende oft auch nicht (Miriam Vollmer).
Hinterlasse einen Kommentar