Kohle­aus­stieg: Wird die Stein­kohle grundlos schlechter behandelt als die Braunkohleverstromung?

Der Entwurf des Kohle­aus­stiegs­ge­setzes enttäuscht auf breiter Front. Von der Deutschen Umwelt­hilfe bis zum BDI bemängelt die Verbands­land­schaft aus jeweils ganz unter­schied­lichen Gründen das Ergebnis des Bund-Länder-Kompro­misses, der auch von den Festle­gungen der Kohle­kom­mission erheblich abweicht.

Auf einen auch juris­tisch relevanten Punkt weisen die kommu­nalen Unter­nehmen hin. Tatsächlich werden Braun­kohle – und Stein­koh­le­kraft­werke in dem Entwurf ganz anders behandelt: Die Betreiber der Braun­koh­le­kraft­werke erhalten hohe Entschä­digung in Milli­ar­denhöhe, und zwar über die gesamte Laufzeit des Kohlem­ora­to­riums bis 2038. Für die Stein­koh­le­kraft­werke gilt dagegen eine andere Regelung. Bis Ende 2026 soll es Entschä­di­gungen in noch nicht festste­henden Höhen geben. Vorge­sehen ist, dass die Betreiber an Ausschrei­bungen teilnehmen, und dieje­nigen Kapazi­täten still­gelegt werden, deren Betreiber die Still­legung für die geringste Entschä­digung vornehmen wollen. Es ist damit anzunehmen, dass die Still­legung einer Megawatt Stein­kohle den Staat deutlich günstiger kommt als die Still­legung derselben instal­lierte Leistung in einem Braun­koh­le­kraftwerk. Zudem soll es für Stein­koh­le­kraft­werke ab 2027 gar keine Entschä­digung mehr ergeben; ab dann sind ordnungs­recht­liche Still­le­gungen ohne korre­spon­die­rende Zahlung geplant.

Es ist aller­dings fraglich, ob diese Ungleich­be­handlung juris­tisch wirklich unbedenklich ist. Denn in dem im Rahmen des Kohle­aus­stiegs­ge­setzes entschei­denden Punkt unter­scheiden sich Stein­koh­le­kraft­werke und Braun­koh­le­kraft­werke nicht. Beide Kraft­werks­typen emittieren deutlich mehr Kohlen­dioxid als es dem politi­schen Ziel einer emissi­ons­armen Kraft­werks­wirt­schaft entspricht. Beide Kraft­werks­typen sollen aus dem deutschen Erzeu­gungs­port­folio deswegen bis 2038 ausscheiden. Es ist damit nicht ausge­schlossen, dass hier wegen der Gleichheit im entschei­denden Punkt der Gleich­heits­grundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grund­gesetz berührt wird. Mögli­cher­weise handelt es sich also um materiell Gleiches, dass trotzdem ungleich behandelt wird. Wenn die Braun­kohle deutlich mehr Geld für die Still­legung erhält, als die Stein­kohle, bedarf es also eines recht­fer­ti­genden Grundes.

Ein solcher Grund ist aller­dings auf den ersten Blick nicht erkennbar. Braun­koh­le­ver­stromung emittiert deutlich mehr als Stein­kohle bei der Erzeugung der selbe Menge Strom. Aber das ist kein Grund, die Still­legung von Braun­kohle besser zu  vergüten als die von Stein­kohle, eher im Gegenteil. Politisch mag es so sein, dass die ostdeut­schen Bundes­länder und ihre Minis­ter­prä­si­denten sensibler auf die Energie­wende reagieren als der Westen, wo die großen Stein­koh­le­blöcke stehen. Aber das ist für die unter­schied­liche Entschä­digung für den Ausstieg ein erkennbar sachfremder Grund, der die Ungleich­be­handlung kaum zu recht­fer­tigen vermag.

Aus der Verbands­land­schaft dringend bereits die Befürchtung, dass die europäische Kommission im Rahmen ihrer Beihil­fen­auf­sicht ohnehin den Plänen der Bundes­re­gierung, den Kohle­aus­stieg mit viel Geld zu erkaufen, einen Riegel vorschieben könnte. Mögli­cher­weise ist aber auch die Ungleich­be­handlung von Braun­kohle – und Stein­koh­le­kraft­werken ein Aspekt des Kohle­aus­stiegs, der unter Umständen zwar nicht zum Scheitern der Energie­wende, aber zumindest zum Scheitern des Kohle­aus­stiegs­ge­setzes vor dem Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt führen könnte (Miriam Vollmer).

2020-01-23T23:43:53+01:0023. Januar 2020|Energiepolitik, Strom|

Abschluss­zwang der Wasserversorger

Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum in Miets­häusern Strom- und Gasrech­nungen oft direkt vom Mieter gezahlt werden, Wasser­rech­nungen dagegen vom Vermieter? Nun, das kommt daher, dass nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Energie­wirt­schafts­gesetz (EnWG) eine gesetzlich begründete Pflicht der Betreiber von Energie­ver­sor­gungs­netzen besteht, jeden Letzt­ver­braucher an ihr Netz anzuschließen. Eine vergleichbare gesetz­liche Norm, die dem einzelnen Verbraucher einen Anspruch auf Anschluss an das Trink­was­sernetz verschafft, gibt es bei der Wasser­ver­sorgung nicht. Kann der örtlich zuständige Wasser­ver­sorger also auch Hausei­gen­tümern den Zugang zu Trink­wasser verweigern?

Nun, im Prinzip gehört zum Grund­be­stand der freiheitlich-demokra­ti­schen Grund­ordnung des Grund­ge­setzes immerhin die Vertrags­freiheit. Das heißt kurz gesagt, dass das „Ob, Wo, Wann, Wie und mit Wem“ eines Vertrags­schlusses von jedem selbst entschieden werden kann. Also auch für die Wasser­ver­sorger? Nun gelten für den Bereich der (ehemals) staat­lichen Daseins­vor­sorge oft andere Regeln als für typische Markt­güter wie Brötchen oder Computer. Bei einem leitungs­ge­bun­denen Infra­struk­tur­netzwerk wie die Wasser­ver­sorgung handelt es sich schließlich um eine Art natür­liches Monopol. Hier würde die Vertrags­freiheit in unregu­lierter Form den Wasser­ver­sorgern zu viel Markt­macht in die Hand geben.

Daher geht die Recht­spre­chung auch ohne konkrete Grundlage im Gesetz und auch ohne entspre­chende Regelung in der Verordnung über die Allge­meinen Bedin­gungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV) von einem Abschluss­zwang aus. Umstrit­tener ist, wie diese – auch „Kontra­hie­rungs­zwang“ genannte – Verpflichtung der Versorger, Endkunden an die Wasser­ver­sorgung anzuschließen, rechtlich herge­leitet wird.

Zum Teil wird die vorsätz­liche sitten­widrige Schädigung nach § 826 Bürger­liches Gesetzbuch (BGB) als eine Art zivil­recht­licher Allzweck­waffe heran­ge­zogen. Nach anderer Auffassung begründet das natür­liche Monopol des Leitungs­netzes eine markt­be­herr­schende Stellung, die gemäß §§ 19 ff. des Gesetzes gegen die Wettbe­werbs­be­schrän­kungen (GWB) nicht ausge­nützt werden darf, um einzelne Endver­braucher auszu­schließen. Aber auch das Recht auf Gleich­be­handlung gemäß Artikel 3 Grund­gesetz (GG) kann bei öffent­lichen Wasser­ver­sorgern für eine Anschluss­ver­pflichtung heran­ge­zogen werden. Wenn ein Anschluss erst einmal besteht, ist das Wasser­ver­sor­gungs­un­ter­nehmen nach § 5 der AVBWasserV verpflichtet, Wasser im verein­barten Umfang jederzeit am Ende der Anschluss­leitung zur Verfügung zu stellen.

Im Ergebnis hat in Deutschland mit anderen Worten daher jeder Hausei­gen­tümer einen Anspruch auf ausrei­chende Versorgung mit Trink­wasser (Olaf Dilling).

2020-01-22T21:01:13+01:0022. Januar 2020|Allgemein|

Vertrieb: Wer zahlt die Strom­rechnung nach der Trennung?

Eine inzwi­schen ältere Entscheidung des Bundes­ge­richts­hofsvom 24.04.2013 (VII ZR 159/12) beschäftigt sich mit der Frage, wie mit Ansprüchen aus Energie­lie­fer­ver­trägen nach Trennungen umzugehen ist.

In dem vom BGH entschie­denen Fall schloss ein Ehemann mit einem Unter­nehmen einen Strom­lie­fer­vertrag. Die Ehefrau unter­schrieb nicht. Als das Paar sich trennte, zog sie aus der Wohnung aus, der Mann blieb in der Wohnung und bezog weiter Strom, den er aller­dings nicht bezahlte. Der Versorger nahm daraufhin auch die Ehefrau für die offene Strom­rechnung in Anspruch, und zwar auch für die Zeit, in der sie gar nicht mehr in der Wohnung lebte.

Sie wehrt sich gegen diese Inanspruch­nahme, beantragte Prozess­kos­ten­hilfe, und in diesem Zuge erging der zitierten Beschluss. Das für die Ehefrau unerfreu­liche Ergebnis: Auch wenn sie ausge­zogen ist, ist sie wegen § 1357 Abs. 1 BGB weiterhin verpflichtet. Denn diese Regelung stellt ein Bedarfs­de­ckungs­ge­schäft im Sinne des § 1357 Abs. 1 BGB da. Zwar existiert mit § 1357 Abs. 3 BGB eine Regelung, die eine Enthaftung für Verpflich­tungen vorsieht, die in der Zeit des Getrennt­lebens entstehen. Der Strom­lie­fer­vertrag wurde aber schon vor der Trennung und dem Auszug geschlossen.

Was resul­tiert aus dieser kleinen Entscheidung für die Praxis? Viele Versorger haben einen Schuldner mehr, als sie glauben. Und wer sich trennt, sollte auch daran denken, solche älteren, laufenden Verpflich­tungen zu regeln (Miriam Vollmer).

2020-01-21T09:17:27+01:0021. Januar 2020|Gas, Strom, Vertrieb|