Was steht in der Klimaklage?

Gestern kündigte die Klima­ak­ti­vistin Luisa Neubauer mit einigen anderen ebenfalls recht jungen Leuten an, beim Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt eine Klima­klage einzu­reichen. Inzwi­schen hat die Verfah­rens­be­voll­mäch­tigte, die Anwältin Dr. Roda Verheyen aus Hamburg, eine Zusam­men­fassung veröf­fent­licht, aus der hervorgeht, was es mit der Klage auf sich hat:

Es handelt sich um eine Verfas­sungs­be­schwerde. Sie richtet sich gegen das Bundes-Klima­schutz­gesetz vom 12.12.2019 (KSG).

Die Beschwer­de­führer behaupten, das KSG verletze sie in ihrem Grund­recht auf Leben und körper­liche Unver­sehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) und der Garantie der Menschen­würde aus Art. 1 GG. Dabei tragen die Beschwer­de­führer vor, dass die erwähnten Grund­rechte im Lichte von Art. 2 (Recht auf Leben) und 8 (Privat­sphäre und Famili­en­leben) EMRK auszu­legen seien.

Der Rückgriff auf die EMRK ist angesichts der Ähnlichkeit dieser Grund­rechte mit den deutschen Grund­rechten auf den ersten Blick überra­schend. Hier ist der Hinweis aber logisch: Schließlich hat sich die nieder­län­dische Stiftung URGENDA kürzlich letzt­in­stanzlich mit genau diesem Argument durch­ge­setzt und die Nieder­lande zu anspruchs­vol­leren Klima­schutz­maß­nahmen verpflichtet.

Der Argumen­ta­ti­onspfad der Beschwerde ist schlicht: Der Klima­wandel mit seinen katastro­phalen Folgen würde die jungen Beschwer­de­führer in den vorge­nannten Grund­rechten verletzen. Deswegen – hier greift die Beschwerde wohl auf die Schutz­norm­lehre zurück – müsste der Staat Gesetze erlassen, die so beschaffen wären, dass das Ziel von nur 1,5° C Erder­wärmung eintreten würde.

Warum meinen wir, dass die Verfas­sungs­be­schwerde trotzdem keinen Erfolg haben wird? Zum einen hat der Gesetz­geber einen erheb­lichen Gestal­tungs­spielraum, der nicht gerichtlich überprüfbar ist. Überspitzt gesagt: Es ist das Recht des Souveräns, schlechte Gesetze zu erlassen. Zum anderen ist das 1,5° C Ziel nicht verbindlich. Es soll nur „möglichst“ erreicht werden, ist also eine Kann-Norm. Zum dritten meinen die Beshwer­de­führer, dass die Emissi­ons­min­de­rungen, die sie von der Bundes­re­gierung verlangen, in Deutschland erreicht werden sollen. Dafür gibt es aber keinen recht­lichen Grund, denn die EU-Lasten­teilung lässt es ausdrücklich zu, Minde­rungen im Ausland zuzukaufen. Da es auch natur­wis­sen­schaftlich gleich­gültig ist, wo sie erreicht werden, dürfte es schwer werden, das BVerfG von einem recht­lichen Gebot der Minderung im eigenen Land zu überzeugen. Schließlich ist die Beschwer­de­füh­rer­ver­tre­terin nicht ganz überra­schend mit genau diesem Argument schon vorm VG Berlin gescheitert.

Ist die Klima­klage also ein Rohrkre­pierer? Vermutlich nicht: Die Öffent­lichkeit spricht drüber. Und immer mehr Menschen sind der Überzeugung, es müsste mehr passieren. Diese Überzeugung kann an der Wahlurne ausschlag­gebend sein und indirekt Druck auf die Politik ausüben, so dass die Beschwer­de­führer am Ende vielleicht in Karlsruhe verlieren, aber politisch doch gewinnen. Zumindest ein bisschen (Miriam Vollmer).