Abschlusszwang der Wasserversorger
Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum in Mietshäusern Strom- und Gasrechnungen oft direkt vom Mieter gezahlt werden, Wasserrechnungen dagegen vom Vermieter? Nun, das kommt daher, dass nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) eine gesetzlich begründete Pflicht der Betreiber von Energieversorgungsnetzen besteht, jeden Letztverbraucher an ihr Netz anzuschließen. Eine vergleichbare gesetzliche Norm, die dem einzelnen Verbraucher einen Anspruch auf Anschluss an das Trinkwassernetz verschafft, gibt es bei der Wasserversorgung nicht. Kann der örtlich zuständige Wasserversorger also auch Hauseigentümern den Zugang zu Trinkwasser verweigern?
Nun, im Prinzip gehört zum Grundbestand der freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes immerhin die Vertragsfreiheit. Das heißt kurz gesagt, dass das „Ob, Wo, Wann, Wie und mit Wem“ eines Vertragsschlusses von jedem selbst entschieden werden kann. Also auch für die Wasserversorger? Nun gelten für den Bereich der (ehemals) staatlichen Daseinsvorsorge oft andere Regeln als für typische Marktgüter wie Brötchen oder Computer. Bei einem leitungsgebundenen Infrastrukturnetzwerk wie die Wasserversorgung handelt es sich schließlich um eine Art natürliches Monopol. Hier würde die Vertragsfreiheit in unregulierter Form den Wasserversorgern zu viel Marktmacht in die Hand geben.
Daher geht die Rechtsprechung auch ohne konkrete Grundlage im Gesetz und auch ohne entsprechende Regelung in der Verordnung über die Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV) von einem Abschlusszwang aus. Umstrittener ist, wie diese – auch „Kontrahierungszwang“ genannte – Verpflichtung der Versorger, Endkunden an die Wasserversorgung anzuschließen, rechtlich hergeleitet wird.
Zum Teil wird die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nach § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) als eine Art zivilrechtlicher Allzweckwaffe herangezogen. Nach anderer Auffassung begründet das natürliche Monopol des Leitungsnetzes eine marktbeherrschende Stellung, die gemäß §§ 19 ff. des Gesetzes gegen die Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) nicht ausgenützt werden darf, um einzelne Endverbraucher auszuschließen. Aber auch das Recht auf Gleichbehandlung gemäß Artikel 3 Grundgesetz (GG) kann bei öffentlichen Wasserversorgern für eine Anschlussverpflichtung herangezogen werden. Wenn ein Anschluss erst einmal besteht, ist das Wasserversorgungsunternehmen nach § 5 der AVBWasserV verpflichtet, Wasser im vereinbarten Umfang jederzeit am Ende der Anschlussleitung zur Verfügung zu stellen.
Im Ergebnis hat in Deutschland mit anderen Worten daher jeder Hauseigentümer einen Anspruch auf ausreichende Versorgung mit Trinkwasser (Olaf Dilling).