Vertrieb: Verjährung der Forde­rungen aus 2016 zum 31.12.2019

Bevor am Neujahrs­morgen die hoffentlich „Goldenen Zwanziger“ dieses Jahrhun­derts beginnen, haben viele Vertriebe noch etwas zu erledigen: Zum 31.12.2019 verjähren Forde­rungen, die im Jahr 2016 fällig geworden sind.

Was Strom, Wärme und Gas betrifft, gilt dabei Folgendes: Meistens – wenn auch nicht immer – ist gesetzlich oder vertraglich eine kalen­der­jähr­liche Abrechnung vereinbart. Unter­jährig werden nur Abschläge gezahlt, die endgültige Verbrauchs­ab­rechnung wird nach Ende des jewei­ligen Jahres ermittelt und in Rechnung gestellt. Erst damit wird der Anspruch fällig, denn fällig sind nur Forde­rungen, die schon geltend gemacht wurden. Laut § 17 StromGVV (Paral­lel­re­ge­lungen existieren für Gas, Fernwärme und Wasser) tritt die Fälligkeit von Verbrauchs­ab­rech­nungen frühestens zwei Wochen nach Rechnungs­stellung ein. Das bedeutet: Wenn der Energie­kunde seine Jahres­ab­rechnung für das Jahr 2015 im Jahr 2016 erhalten hat, wurde sie 2016 fällig.

Für diese Forde­rungen gilt die Verjäh­rungs­frist des § 195 BGB. Sie verjähren also in drei Jahren, und zwar nicht ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit, sondern gem. § 199 BGB ab dem Ende des Jahres, in dem die Fälligkeit einge­treten ist. Praktisch bedeutet das: Wenn ein Kunde seine Jahres­ver­brauchs­ab­rechnung für das Jahr 2015 irgendwann im Jahr 2016 erhalten hat, verjährt diese Forderung mit Ablauf des 31.12.2019. Sollte der Kunde  – aus welchen Gründen auch immer – 2016 eine Abrechnung erhalten haben, die sich auf einen noch früheren Zeitraum bezieht, so ändert dies nichts am Verjäh­rungs­zeit­punkt. Der Energie­ver­brauch des Jahres 2016 dagegen verjährt erst zum 31.12.2020, wenn er erst 2017 abgerechnet worden ist.

Was hat der Vertrieb also jetzt noch auf dem Zettel? Die Verjährung wird durch die Klage­er­hebung oder die Beantragung eines Mahnbe­scheides gehemmt. Alter­nativ könnte auch der Schuldner auf die Einrede der Verjährung verzichten. Unter­nehmen sollten also jetzt ihre offenen Forde­rungen durch­sehen. Ist die Verjährung erst einmal einge­treten, bleibt nur in Einzel­fällen die Möglichkeit, über Aufrechnung und die Geltend­ma­chung eines Zurück­be­hal­tungs­rechts nach § 215 BGB doch noch auf indirektem Wege eine Vergütung zu erhalten (Miriam Vollmer).

Wenn Sie vor Jahresende noch aktiv werden möchten, um die Verjährung zu verhindern, melden Sie sich bitte bei uns; wir kommen mit einem Angebot auf Sie zu.

2019-12-04T08:36:09+01:004. Dezember 2019|Gas, Strom, Vertrieb, Wärme|

Verkehrs­recht: Die „schmale“ Fahrbahn in enger Auslegung

Einparken ist bekanntlich oft mit Hinder­nissen verbunden. Glücklich, wer über eine eigene Garage verfügt, sollte man meinen. In dem Fall, den über den wir heute berichten, war es anders, denn in ihm geht es um den Eigen­tümer eines Hauses mit Garage, dessen steile Einfahrt direkt auf eine Straße mündet, auf deren gegen­über­lie­gender Straßen­seite regel­mäßig Autos parkten. Und an diesen Autos war kein Vorbei­kommen, jeden­falls sah der Eigen­tümer das so. Daher stellte er bei der zustän­digen Behörde einen Antrag auf Erlass eines Parkverbots nach § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO, denn nach dieser Vorschrift ist das Parken „vor Grund­stücksein- und ‑ausfahrten, auf schmalen Fahrbahnen auch ihnen gegenüber“ unzulässig. Nach einem Ortstermin entschied die Behörde, dass die Straße nicht schmal genug sei und lehnte den Antrag ab.

Daraufhin erhob der Garagen­ei­gen­tümer Klage vor dem Verwal­tungs­ge­richt Karlsruhe. Auch hier hatte der Kläger kein Glück: Die Straße sei mit 5,50 m nicht schmal, wobei der diesseitige Gehsteigs für das Rangieren noch drauf­ge­schlagen werden müsse. Bei frühzei­tigem Einschlagen des Lenkrades und – bei für einen durch­schnittlich geübten Fahrer – zweima­ligem Rangieren sei seine Garage trotz gegenüber parkender Autos erreichbar.

Das wollte der Kläger nicht auf sich sitzen lassen und ging in die nächste Instanz. Der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg wies die Berufung mit der Begründung zurück, dass aus § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO ohnehin kein Anspruch folgen könne. Denn die Norm sei unbestimmt, da sich durch Auslegung schlechthin nicht ermitteln lasse, wie breit eine „schmale Fahrbahn“ sei. Daher verstoße sie gegen die Anfor­de­rungen an die Bestimmtheit von Rechts­normen, die sich aus dem Rechts­staats­gebot ergäbe, sie sei insofern verfas­sungs­widrig und damit nichtig.

Das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) hat schließlich in seiner Entscheidung zumindest die Ehre des Gesetz­gebers wieder herge­stellt – und zwar mit schul­mä­ßiger Ausle­gungs­me­thodik: Zwar lasse sich weder aus dem Wortlaut selbst, noch aus den Gesetz­ge­bungs­ma­te­rialien, noch aus dem Regelungs­zu­sam­menhang herleiten, wie breit eine schmale Fahrbahn genau sei. Wohl aber ergäbe sich aus dem Sinn und Zweck der Norm, dass es darauf ankommt, ob der Berech­tigte die Grund­stücksein- und ‑ausfahrt noch unter einem mäßigen Rangieren benutzen kann. Falls dies bei gegenüber parkenden Kraft­fahr­zeugen nicht mehr der Fall ist, läge eine schmale Fahrbahn vor. Insofern hat das BVerwG am Ende zwar nicht viel anderes gesagt, als die Behörde. Aber auf dem Weg dahin gab es einiges zu lernen:

Z.B. dass Normen auch dann bestimmt sind, wenn sie sich nach ihrem Sinn und Zweck konkre­ti­sieren lassen. Oder, dass das Verbot auf schmalen Straßen gegenüber Einfahrten zu parken grund­sätzlich auch dem Eigen­tümer der Einfahrt einen indivi­du­ellen Anspruch verschafft – nur eben nicht, wenn es gar keine schmale Fahrbahn ist (Olaf Dilling).

2019-12-03T17:33:04+01:003. Dezember 2019|Verkehr, Verwaltungsrecht|

VwGO: BVerwG zur Klage­be­fugnis (BVerwG, Urt. v. 28.11.2019 – 7 C 2.18)

Erst kürzlich wollte die CDU das Klage­recht der Umwelt­ver­bände einschränken. Warum eigentlich, wird sich mancher gedacht haben. Wenn nicht die Verbände klagen, dann findet sich eben ein einzelner Nachbar, der die Autobahn, den Tagebau oder das Windrad so unerträglich findet, dass er dagegen zu Gericht zieht. Die brandneue Entscheidung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts (BVerwG) vom 28.11.2019 (7 C 2.18) zeigt aber einmal mehr, wie wichtig (oder lästig) das Klage­recht der Verbände ist.

Worum geht’s? Eine Anwoh­nerin des Frank­furter Flughafens klagte gegen den Lärmak­ti­onsplan für denselben. Er wider­spreche der Umgebungs­lärm­richt­linie der EU (Richt­linie 2002/49/EG). Zudem hätte sie einen immis­si­ons­schutz­rechtlich begrün­deten Anspruch gem. § 47 Abs. 6 BImSchG gemäß § 47d Abs. 6 BImSchG auf einen ermes­sens­feh­ler­freien Luftaktionsplan.

Schon der VGH Kassel (9 C 873/15.T) sah die Klage indes nicht als zulässig an. Denn eine Klage ist nach § 42 Abs. 2 VwGO an sich nur zulässig, wenn der Kläger klage­befugt ist, was voraus­setzt, dass eine Norm verletzt sein könnte, die zumindest auch seinen Inter­essen dient. Eine solche Norm sah der VGH Kassel nicht. Die Regelungen dienten der Bestands­er­fassung, es handele sich eben nicht um Plange­neh­mi­gungen o. ä. Dem schloss sich das BVerwG nun an: Die Regelungen über Larmak­ti­ons­pläne sind nicht drittschützend.

Auf das Vorliegen von Dritt­schutz kommt es nicht an, wenn ein Umwelt­verband klagt. Dies führt der VGH Kassel in Rdnr. 46 seiner vom BVerwG bestä­tigten Entscheidung, wo es heisst:

Denn bei Erhebung einer Klage nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 UmwRG gegen eine der in § 1 UmwRG aufge­führten Entschei­dungen bzw. gegen den Erlass dort benannter Pläne wird auf das Erfor­dernis der Geltend­ma­chung einer Verletzung in eigenen Rechten nur bei nach § 2 Abs. 1 UmwRG anerkannten inlän­di­schen oder auslän­di­schen Verei­ni­gungen verzichtet.“

Mit anderen Worten: Betroffene können die Einhaltung von nicht dritt­schüt­zenden Normen nicht einklagen. Das können nur Umwelt­ver­bände. Klar, dass über ein so weitge­hendes Klage­recht nicht jeder begeistert ist. Auf natio­naler Ebene ist da aber wohl nichts zu machen: Die frühere Fassung des Umwelt­rechts­be­helfs­ge­setzes (UmwRG), die auch Umwelt­ver­bände auf die Durch­setzung dritt­schüt­zender Normen beschränkte, wurde vom EuGH als europa­rechts­widrig angesehen (EuGH, Urt. v. 12. Mai 2011, Rs.  C‑115/09). (Miriam Vollmer)

2019-12-02T20:18:02+01:002. Dezember 2019|Immissionsschutzrecht, Umwelt, Verwaltungsrecht|