Risiko im Onlin­ever­trieb: Der falsche Kunde

Vor ein kaum auflös­bares Problem stellt der Bundes­ge­richtshof (BGH) Unter­nehmen im Onlin­ever­trieb mit einer Entscheidung vom 6. Juni 2019 (BGH I ZR 216/17):

Tatsächlich hatte sich hier – dies blieb offen – wohl ein Identi­täts­dieb­stahl zugetragen. Solche Fälle, in denen jemand für einen nichts ahnenden Dritten Waren oder Dienst­leis­tungen bestellt, gibt es immer wieder, vom Schul­jun­gen­streich mit der Pizza­be­stellung für den ungeliebten Lehrer bis hin zu schwerer Kriminalität.

Der angeb­liche Kunde zahlte natürlich nicht, wurde gemahnt, Inkas­so­dienst­leister und ein Anwalt traten auf den Plan, bis der Verbraucher sich meldete und die Angele­genheit sich aufklärte. Nachdem festge­stellt wurde, dass hier wohl tatsächlich ein Dritter die Bestellung aufge­geben hatte, stornierte das Unter­nehmen die offenen Forderungen.

Norma­ler­weise hat es damit sein Bewenden. In diesem Fall klagte jedoch die Verbrau­cher­zen­trale Baden-Württemberg: Es liege eine Wettbe­werbs­ver­letzung vor. Diese Behauptung stützt die Verbrau­cher­zen­trale auf § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 2 und berief sich weiter auf Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG, weil Mahnung und Rechts­ver­folgung die konklu­dente Behauptung enthielten, der Verbraucher hätte eine Bestellung aufge­geben. Dies sei eine unwahre Angabe über die Bedin­gungen, unter denen die Dienst­leistung erbracht würde. Die Verbrau­cher­zen­trale beantragte deswegen, es dem Unter­nehmen zu unter­sagen, an Verbraucher Zahlungs­auf­for­de­rungen zu versenden bezie­hungs­weise versenden zu lassen, mit denen eine Zahlungs­pflicht behauptet wird, obwohl der Verbraucher keine Dienst­leistung beauf­tragt hat.

Wie die vorher­ge­henden Instanzen gab nun auch der BGH der Verbrau­cher­zen­trale recht. Eine unwahre Behauptung liege vor, weil der Verbraucher ja tatsächlich nichts bestellt hatte. Diese unwahre Behauptung sei auch geeignet, den Verbraucher zu einer geschäft­lichen Entscheidung zu veran­lassen, nämlich zur Zahlung.

Ausdrücklich meint der BGH, dass es nicht darauf ankomme, ob das Unter­nehmen selbst von einem Drittel getäuscht wurde. Selbst dann, wenn ein Unter­nehmen sich in einem nicht vorwerf­baren Irrtum befindet, also selbst guten Glaubens handelt und auch gar keine Möglichkeit hat, den Irrtum zu bemerken.

Mit dieser Entscheidung rückt der BGH von seiner früheren, großzü­gi­geren Recht­spre­chung ab. Unter­nehmen im Onlin­ever­trieb stellt dies vor ein Dilemma: Wie soll denn nun eigentlich sicher­ge­stellt werden, dass derjenige, der beispiels­weise einen Strom­lie­fer­vertrag abschließt, tatsächlich der ist, als der er sich ausgibt? Die Zähler­nummer kennt ja beispiels­weise auch ein Nachbar oder der frühere Partner auf Rache­feldzug. Anders als bei einem Besuch im Kunden­zentrum sieht der Vertrieb den Vertrags­partner nicht einmal, und die mit dem neuen Perso­nal­ausweis immerhin technisch mögliche Signatur hat sich im Verkehr bisher nicht durchgesetzt.

Zwar werden natürlich nur die wenigsten solcher Fälle abgemahnt. Für Unter­nehmen ergeben sich aber gerade im Massen­ge­schäft wie mit Strom und Gas Risiken, gegen die wohl schlechthin kein Kraut gewachsen ist.

2019-09-25T17:40:42+02:0025. September 2019|Vertrieb, Wettbewerbsrecht|

Das siebte Sektor­gut­achten Energie der Monopol­kom­mission: Was steht drin?

Vor wenigen Tagen hat die Monopol­kom­mission ihr Siebtes Sektor­gut­achten Energie veröf­fent­licht. Die Forde­rungen der Monopol­kom­mission sind insbe­sondere in Hinblick auf das am selben Tage vorge­stellte Klima­paket von einiger Brisanz.

Ähnlich wie das Klima­ka­binett meint auch die Monopol­kom­mission, dass Elektro­mo­bi­lität ein wichtiges Thema darstellt und ausgebaut werden sollte. Aller­dings sieht die Monopol­kom­mission ein Problem bei der Anbie­ter­kon­zen­tration. Regional hätten die größten Betreiber von Ladesäulen oft mehr als 50 % Markt­anteil, so dass Kunden nicht zwischen verschie­denen Angeboten wählen könnten. Hier sieht die Monopol­kom­mission das Problem poten­tiell hoher und damit den Ausbau behin­dernder Preise für Ladestrom.

Diese Kritik ist aller­dings nur sehr zum Teil nachvoll­ziehbar. Augen­blicklich dürfte kaum jemand mit Ladesäulen überhaupt Geld verdienen. Außer den regio­nalen Anbietern dürfte sich kaum jemand finden, der trotzdem diese Dienst­leistung anbietet. Jede Form von Regulierung zu Gunsten von mehr Anbietern führt mit hoher Wahrschein­lichkeit eher dazu, dass es in der Fläche am Ende gar keine Anbieter gibt, so dass die Elektro­mo­bi­lität behindert statt gestärkt wird.

Besonders kritisch mutet das Gutachten in Hinblick auf Windkraft­an­lagen an. Die Monopol­kom­mission weist auf den erschre­ckenden Umstand hin, dass bei den Ausschrei­bungen von Windkraft­ka­pa­zi­täten zuletzt so wenig Gebote einge­reicht worden, dass die ausge­schrie­benen Mengen nicht erreicht worden sind. Die Monopol­kom­mission benennt als Ursache für diese (auch die Verbraucher in Form einer erhöhten EEG-Umlage belas­tenden) Entwicklung fehlende Flächen und Geneh­mi­gungen für Windkraftanlagen.

Das Klima­paket ist nun nicht geeignet, diese Bedenken auszu­räumen. Denn statt die Bedin­gungen für mehr Windkraft­an­lagen zu schaffen, hat das Klima­ka­binett eine pauschale Abstands­re­gelung vorge­sehen und zudem den aus Unter­neh­mens­sicht ausge­sprochen schwie­rigen bayeri­schen Weg der 10H-Regelung für die Zukunft bestätigt. Mit mehr Flächen ist schon damit nicht zu rechnen.

Die Monopol­kom­mission schlägt vor, notfalls die Ausschrei­bungs­mengen zu verringern. Im Hinblick auf eine Verbes­serung des Wettbe­werbs wäre dies sicherlich denkbar, das Ziel von 65 % Erneu­erbare im Jahr 2030 würde so aber konter­ka­riert. Ohne zumindest diese Zieler­rei­chung ist die Einhaltung der europäi­schen CO2-Minde­rungs­pflichten der Bundes­re­publik aber so gut wie ausgeschlossen.

Einen Dritten Punkt hebt das Sektor­gut­achten hervor: Die Preis­auf­sicht im Strom­groß­handel bedürfe einer Nachsteuerung. Die Verknappung der flexiblen Erzeu­gungs­ka­pa­zi­täten in den nächsten Jahren steigere das Risiko, dass einzelne Erzeuger durch bewusste Kapazi­täts­zu­rück­haltung die Strom­preise steigern. Hier wünscht sich die Monopol­kom­mission mehr Kontroll­mög­lich­keiten durch das Bundes­kar­tellamt und schlägt eine Anpassung des Entwurfs eines Leitfadens für die Anwen­dungs­praxis der Missbrauchs­auf­sicht vor.

2019-09-24T19:35:48+02:0024. September 2019|Energiepolitik, Erneuerbare Energien, Strom, Wettbewerbsrecht|

Die deakti­vierte facebook-Fanpage

Facebook-Fanpages, mit denen Unter­nehmen werben, sind daten­schutz­rechtlich immer noch ein Problem. Wir hatten bereits mehrfach über die Gründe berichtet. Vor ein paar Tagen hat das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) der Geschichte noch eine weitere Wendung hinzu­gefügt. Es ging darum, ob Daten­schutz­be­hörden den Betrieb einer facebook-Fanseite gegenüber dem bewor­benen Unter­nehmen unter­sagen können.

Aber zunächst noch einmal eine kurze Rekapi­tu­lation: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte im Sommer 2018 entschieden, dass nicht nur facebook, sondern auch der Nutzer von sogenannten facebook-Fanpages für das Sammeln und Verar­beiten der Daten verant­wortlich ist. Dabei waren diese Fanpages bei vielen Unter­nehmen, gerade auch Stadt­werken, so beliebt, weil sie relativ günstige und wenig aufwendige Möglich­keiten für Werbung bieten. Aller­dings besteht das Geschäfts­modell von facebook bekanntlich im Sammeln von Daten. Und das funktio­niert mit den Fanpages sehr gut. Nicht nur hinsichtlich der facebook-Nutzer, die in die Daten­schutz­richt­linien dieses social media- Konzerns einge­willigt hatten. Vielmehr sammelt facebook mit Hilfe von Cookies auch die Daten belie­biger Benutzer, die die Seite aufrufen und stellt sie unter anderem den Unter­nehmen zur Verfügung. Das war dem EuGH natürlich ein Dorn im Auge.

Nachdem die Sache vom EuGH entschieden worden war, ging sie wieder an das BVerwG zurück, das sie dem Gericht in Straßburg vorgelegt hatte. Das BVerwG musste nun darüber entscheiden ging, ob eine Daten­schutz­be­hörde, im konkreten Fall die schleswig-holstei­nische Daten­auf­sicht, anordnen kann, dass der Betreiber des von Facebook unter­hal­tenen Unter­neh­mens­auf­tritts die Fanseite abschalten muss. Beanstandet wird von der Recht­spre­chung nämlich weiterhin, dass die Nutzer der Seiten nicht über Art, Umfang und Zwecke der Erhebung der Daten infor­miert werden. Außerdem würden sie nicht über ihr Wider­spruchs­recht gegen die Erstellung eines Nutzungs­profils zu Werbe- und Markt­for­schungs­zwecken unterrichtet.
Die Klägerin, das betrof­fenen Unter­nehmen, hat vor diesem Hinter­grund argumen­tiert, dass sich die Daten­schutz­be­hörden doch an facebook wenden sollten. Dagegen hat das BVerwG nun – unter Zurück­ver­weisung an das vorle­gende Oberver­wal­tungs­ge­richt Schleswig – zugunsten der Behörde entschieden. Auch eine Anordnung gegenüber dem Unter­nehmen kann rechtens sein, wenn die Durch­setzung des europäi­schen Daten­schutz­rechts gegenüber facebook zu aufwendig ist.
2019-09-23T20:20:55+02:0023. September 2019|Datenschutz, Digitales, Vertrieb, Wettbewerbsrecht|