Ein Minister muss nachsitzen

Bekanntlich hat sich die Bundes­re­gierung im Klima­schutz ehrgeizige Ziele gesetzt. Indessen wird immer klarer, dass bis 2020 die Reduktion der Treib­haus­gas­emis­sionen um 40% gegenüber 1990 weit verfehlt werden. Bis 2014 wurden die Treib­haus­gas­emis­sionen immerhin um mehr als ein Viertel reduziert. Aller­dings sind die Emissionen seitdem wieder gestiegen, was zum Teil an konjunk­tu­rellen Schwan­kungen liegt, vor allem aber an vermehrten Emissionen im Verkehrssektor.

Insgesamt ist der Verkehrs­sektor der einzige Bereich, in dem die Treib­haus­gas­emis­sionen gegenüber 1990 angestiegen sind. Die bisher vollzo­genen Anstren­gungen sind daher über die Haupt­sek­toren, Strom, Wärme und Verkehr, höchst ungleich verteilt. Der größte Anteil an Einspa­rungen lag bisher im Bereich der Energie­wirt­schaft und des Gewerbes. Dass der Verkehrs­sektor so schlecht dasteht, liegt nicht etwa daran, dass die einzelnen Kraft­fahr­zeuge mehr Kohlen­dioxid ausstoßen. Tatsächlich konnten die Emissionen pro gefahrene Kilometer laut Infor­ma­tionen des Umwelt­bun­desamts seit 1995 verringert werden. In der gleichen Zeit hat jedoch der Pkw-Verkehr um 21% zugenommen, so dass die Erfolge aufge­hoben wurden. Ähnlich sieht es beim Lkw-Verkehr aus. Hier haben die absoluten Emissionen zwischen 1995 und 2017 sogar um 20% zugenommen.

Es reicht also offen­sichtlich nicht, sich auf technische Maßnahmen zu beschränken, um die Klima­schutz­ziele einzu­halten. Eine Reduktion ist nur realis­tisch, wenn Maßnahmen ergriffen würden, die den Indivi­du­al­verkehr stärker steuern und die Attrak­ti­vität des öffent­lichen Verkehrs stärken. Aller­dings zeigt die brüske Reaktion des Bundes­ver­kehrs­mi­nisters Scheuer auf die Vorschläge der Verkehrs­kom­mission, dass weiterhin keine großen Anstren­gungen zu erwarten sind.

Nun ist die Bundes­re­publik im Zusam­menhang mit dem Klima­schutzplan 2050 aufgrund der EU-Klima­schutz­ver­ordnung zu schmerz­haften Sanktionen verpflichtet. Wenn das Sektorziel für den Verkehr in Höhe von 42% bis 2030 nicht erreicht wird, dann muss Deutschland von anderen EU-Mitglied­staaten überschüssige Nicht-ETS-Emissi­ons­rechte kaufen. Wenn das Verkehrs­mi­nis­terium also weiter macht wie bisher, kommen dadurch Mehrkosten auf den Bundes­haushalt in Milli­ar­denhöhe zu. Nach einer von Green­peace in Auftrag gegebenen Studie sollen sie noch über dem Betrag liegen, der für den Verkehrs­haushalt jährlich zu Verfügung steht. Auch wenn diese Zahlen auf Schät­zungen beruhen, da ihre Berechnung eine Gleichung mit vielen Unbekannten ist, u.a. der Preis für die Emissi­ons­rechte und die Projektion der bisher ergrif­fenen Maßnahmen auf die Zukunft, wird doch deutlich: Ohne effektive Maßnahmen für den Klima­schutz im Verkehr ist Deutschland auf direktem Weg in eine umwelt­po­li­tische Krise, die den derzei­tigen Skandal um Stick­stoff­dioxid noch weit in den Schatten stellen könnte.

2019-03-07T12:32:28+01:007. März 2019|Allgemein, Emissionshandel, Energiepolitik, Verkehr|

Änderung von Preis­gleit­klauseln: OLG FFM verhandelt zu § 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV

Schlechte Neuig­keiten in Sachen Fernwärme: Die Möglichkeit der Änderung von allge­meinen Versor­gungs­be­din­gungen per Veröf­fent­li­chung steht auf dem Spiel.

Was ist passiert? Die Energie­ver­sorgung Offenbach (EVO) und die Energie­ver­sorgung Dietzenbach (EVD) sind Fernwär­me­ver­sorger. Sie hatten vor einigen Jahren ihren Standard­vertrag für Fernwärme nach § 4 Abs. 2 der AVBFern­wärmeV geändert. Norma­ler­weise bedarf es im Zivil­recht für wirksame Vertrags­än­de­rungen überein­stim­mender Willens­er­klä­rungen beider Parteien. Es hätten also Versorger und Kunde jeweils zustimmen müssen, um den Fernwär­me­lie­fer­vertrag wirksam abzuändern. Im Massen­ge­schäft der Fernwärme ist dies aber nicht prakti­kabel. Schließlich versorgen Fernwär­me­ver­sorger oft mehrere tausend Kunden mit Heizung und warmem Wasser. Deswegen sieht § 4 Abs. 2 der AVBFern­wärmeV vor, dass Änderungen der allge­meinen Versor­gungs­be­din­gungen durch öffent­liche Bekanntgabe wirksam werden. Der Versorger kann also auch ohne den Kunden die Versor­gungs­be­din­gungen anpassen, wenn er das publiziert.

EVO und EVD hatten von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und bei der Vertrags­über­ar­beitung insbe­sondere die Preis­gleit­klausel moder­ni­siert. Dies entspricht der ganz üblichen Praxis und steht mit dem Wortlaut der Norm insoweit in Überein­stimmung, als dass die Regelung sich auf alle Versor­gungs­be­din­gungen bezieht, ohne Ausnahmen für Preis­klauseln zu formu­lieren. Gleichwohl, das Landge­richt (LG) Darmstadt sah eine solche einseitige Anpassung der Preis­gleitung überra­schen­der­weise als proble­ma­tisch an. Es mag eine Rolle gespielt haben, dass der Vertrag nach Ansicht der Kammer auch in sonstiger Hinsicht erheb­liche Schwächen aufwies. Unter anderem bemän­gelte das Gericht die unzurei­chende Begründung, warum der Versorger die Klausel geändert hatte.

Die Versorger gingen gegen diese Entscheidung in Berufung. Am 28.02.2019 fand nun die mündliche Verhandlung vom OLG Frankfurt statt. Diese stimmt die Branche nun indes nicht hoffnungsfroh. Offenbar neigt der Senat nicht der Versor­ger­seite zu, sondern teilt die Bedenken des Landgerichts.
Ende März soll nun entschieden werden. Mit welchen Argumenten der Senat den Wortlaut von § 4 Abs. 2 AVBFern­wärmeV, der die Änderung per Veröf­fent­li­chung ja gerade ausdrücklich erlaubt, ausge­rechnet auf die aller­zen­tralste Versor­gungs­be­dingung, nämlich den Preis und die Preis­gleitung, nicht angewendet sehen möchte, wird sich wohl erst aus den meistens nachträglich veröf­fent­lichten Gründen ergeben. Die Konse­quenzen einer solchen Recht­spre­chung wären jedoch weitreichend:
Unter­nehmen müsste bei jeder Preis­klau­se­län­derung jedem einzelnen Kunden eine Unter­schrift abbringen. Wegen des oft schlep­penden Rücklaufs ist damit ein erheb­licher Aufwand zu erwarten, um die Vertrags­än­de­rungen umsetzen zu können. Dies kostet Zeit und damit Geld. Das würde auf die Fernwär­me­preise durch­schlagen, die ohnehin in einem harten Wettbewerb mit klein­räu­migen Lösungen stehen.
Sollte diese Recht­spre­chung sich durch­setzen, stellt sich damit die Frage, ob nicht der Gesetz­geber gefragt ist, klarzu­stellen, dass die bisherige Praxis der Versor­gungs­wirt­schaft auch künftig auf sicherem Boden steht. 
2019-03-06T11:10:51+01:006. März 2019|Allgemein, Wärme|

Global denken, dezentral entwässern…

Vor etwa drei Jahren gab es in deutschen Mittel­ge­birgs­dörfern starke Überschwem­mungen mit bisher so nicht bekannten Schlamm­la­winen, für die der Klima­wandel verant­wortlich gemacht wurde. Die Rede vom Stark­regen machte die Runde. Irgendwann kam dann wohl der Journalist einer großen Boule­vard­zeitung auf die Idee, dass die Überschwemmung zumindest in der einen Ortschaft, ja doch nicht am Klima­wandel, sondern bloß an einem verstopften Abflussrohr gelegen hätte. Dieser Gedanke war in seiner Schlichtheit fast erhei­ternd, gab aber auch Anlass über recht­liche Grund­lagen nachzu­denken: Für Juristen ist, wenn es um die Kausa­lität geht, jeder Grund tatsächlich erstmal gleich­wertig. Das entspricht dem sogenannten Äquiva­lenz­prinzip. Nach der „Conditio sine qua non“-Formel ist jede Tatsache kausal, die nicht hinweg­ge­dacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Erst eine wertende Betrachtung pickt sich dann dieje­nigen Ursachen heraus, die wegen ihrer Unmit­tel­barkeit, Voraus­seh­barkeit und aufgrund anderer norma­tiver Gesichts­punkte besonders relevant erscheinen. Eine sorgfältige Analyse setzt aber voraus, sich nicht vorschnell auf bestimmte Einzel­ur­sachen festzu­legen. Das gilt natürlich nicht nur für die Juris­terei, sondern vor allem auch für die Natur- und Sozialwissenschaft.

Zudem ist mit dem globalen Verweis auf Klima­wandel in der Regel nicht geholfen, um Probleme vor Ort in den Griff zu bekommen. Dies gilt schon für Maßnahmen zur Verhin­derung: So wichtig es ist, globale Kausal­ketten im Blick zu haben, am Ende findet die Umsetzung auf lokaler Ebene statt. Erst recht gilt das Gebot, lokal zu handeln, aber für Maßnahmen der Anpassung an den Klima­wandel. Wenn also der Blick von den wolkigen Schichten der Atmosphäre wieder in die deutschen Mittel­ge­birgs­täler und Niede­rungen wandert, zeigt sich, dass Hochwasser auf ganz vielen Ebenen menschen­ge­macht ist: Das Rohr, dass die Wasser­massen in den nächsten größeren Vorfluter einleitet, liegt dabei erst am vorläu­figen Ende einer langen Kette von kumula­tiven Ursachen. Darüber liegen im Einzugs­gebiet im Mittel­ge­birge die mehr oder weniger steilen Hanglagen. Hier hängt es vor allem vom Waldanteil und den sonstigen Nutzungs­formen ab, wie viel und wie schnell das Wasser bei Regen ins Tal abgeleitet wird. Abhängig ist das insbe­sondere von der Verdichtung des Bodens und den Formen der Drainage. Im urbanen Bereich ist die Boden­ver­sie­gelung durch Bebauung und Asphal­tierung der wichtigste Faktor. Insgesamt macht das in Deutschland bereits 12% der Landes­fläche aus.

Hier können Maßnahmen der Klima­an­passung gut ansetzen. Obwohl Nieder­schlags­wasser nach dem Wasser­haus­halts­gesetz (WHG) auch als Abwasser angesehen wird, gibt es in § 55 Abs. 2 WHG dennoch einen grund­sätz­lichen Vorrang des Versi­ckerns, Verrie­selns oder der Direkt­ein­leitung. Damit es nicht bei schönen Worten bleibt, wird die Flächen­ver­sie­gelung und die Gestaltung von Oberflächen z.B. durch Gründächer, Rasen­git­ter­steine oder Schot­ter­rasen, im Abwas­ser­be­scheid berück­sichtigt. In Bremen gab es sogar eine Zeitlang eine spezielle Förderung für Entsie­ge­lungs­maß­nahmen ab 100 Quadrat­meter. Die Förderung scheint sich grund­sätzlich bewährt zu haben, versiegt ist im Moment nur der dafür zugedachte Haushalts­posten. Ob da am falschen Ende gespart wird, zeigt mögli­cher­weise das nächste stärkere Sommergewitter.

2019-03-05T11:02:31+01:005. März 2019|Allgemein, Wasser|