Neues aus Oberal­theim: Das falsche Stadtwerk

Vertriebs­leiter Valk aus Oberal­theim wusste es ja schon als kleiner Junge: den Unter­al­t­heimern ist nicht zu trauen. Wusste sein Vater in den Achtzigern noch erschre­ckende Geschichten über Fehlein­würfe in Altglas­con­tainer und wilde Müllkippen in den Slums von Unter­al­theim zu berichten, so hat Valk die Stadt­werke Unter­al­theim GmbH (SWU) sozusagen auf frischer Tat ertappt: In ihrem Auftrag rufen Mitar­beiter eines Callcenters bei Oberal­t­heimern an, behaupten, sie seien „vom Stadtwerk“ und schwatzen ihnen neue Strom­lie­fer­ver­träge auf.

Die Masche mit dem Anruf vom Stadtwerk ist Valk nicht neu. Hat er nicht erst letztes Jahr erfolg­reich ein bundesweit agierendes Unter­nehmen dabei erwischt, wie dessen Kunden­werber vorge­täuscht haben, sie seien Stadt­werks­mit­ar­beiter und es gehe nicht um einen Vertrags­wechsel, sondern schlicht um einen neuen Tarif? Bei der SWU liegt der Fall aller­dings nicht ganz so einfach, wie die Justi­ziarin Birte Berlach Falk erklärt. Den die SWU lügt ja nicht, wenn sie behauptet, sie sei ein Stadtwerk.

Aber kann das so richtig sein? Tag für Tag bearbeitet Valk die aus Unter­al­theim hämisch ihm zu gewor­fenen Kündi­gungen. Nachts träumt Valk vom gegne­ri­schen Vertriebs­leiter, der sich in Valks nächt­lichem Unter­be­wusstsein feist grinsend die Hände reibt. „Und dabei sind sie gar kein richtiges Stadtwerk!“, ächzt er am Morgen in der Abtei­lungs­lei­ter­be­spre­chung im Büro von Geschäfts­füh­rerin Göker.

Jetzt wird auch die Justi­ziarin hellhörig. Unter­al­theim, klärt Valk sie auf, habe vor einigen Jahren sozusagen sein Tafel­silber veräußert. Das Stadtwerk gehöre zu satten 74,9% seither einem Großun­ter­nehmen, die Stadt sei nur noch minderheitsbeteiligt.

Eine Stunde später steht Justi­ziarin Birte Berlach bei Valk im Büro. In der Hand hält sie ein Urteil des Bundes­ge­richtshofs (BGH) vom 13.06.2012. In dieser Entscheidung hat das höchste deutsche Zivil­ge­richt festge­stellt, dass es eine wettbe­werbs­widrige, weil gem. § 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG irrefüh­rende Angabe darstellt, wenn sich ein Unter­nehmen als Stadtwerk ausgibt, dessen Anteils­mehrheit nicht bei der öffent­lichen Hand liegt. Dies beruht auf dem Umstand, dass Bürger Unter­nehmen, die sich überwiegend im Besitz der öffent­lichen Hand befinden, größeres Vertrauen entgegen bringen und von der beson­deren Verläss­lichkeit und Serio­sität solcher Unter­nehmen ausgehen. Außerdem vertrauen Verbraucher darauf, dass solche Unter­nehmen besonders Insolvenz fest seien. 

Das stimmt ja auch!“, trumpft Valk auf.

Noch am selben Tag mahnt die Anwältin der SWU die Unter­al­t­heimer Konkurrenz ab. Drei Tage später ist der Spuk vorbei. Die SWU hat eine Unter­las­sungs­er­klärung abgegeben, die SWO eine trium­phale Presse­er­klärung versandt. Und Valk gibt Justi­ziarin Berlach einen Erdbeer­becher im Eiscafé Venezia auf dem Markt­platz aus. Auf dem Markt­platz von Unter­al­theim wohlgemerkt.

Vor dem Fenster des gegne­ri­schen Geschäftsführers.

2018-11-08T09:11:27+01:008. November 2018|Wettbewerbsrecht|

Der fehler­hafte Emissi­ons­be­richt als arbeits­recht­liches Risiko

Die Veteranen des Emissi­ons­handel erinnern sich: In den ersten Handel­s­pe­rioden galt jede Unrich­tigkeit im Emissi­ons­be­richt, die zu einer Abwei­chung nach unten bei der Abgabe von Zerti­fi­katen geführt hatte, automa­tisch als unzurei­chende Abgabe mit der Folge, dass pro fehlendem Zerti­fikat zunächst 40 €, später 100 € Straf­zahlung fällig wurden. In jahre­langen Prozessen mussten erst die Gerichte der Deutschen Emissi­ons­han­del­stelle (DEHSt) ins Stammbuch schreiben, dass ein derar­tiger Automa­tismus rechts­widrig ist.

Hierauf reagierte der Gesetz­geber. Fehler­hafte Emissi­ons­be­richte und eine ganze Reihe weiterer Verstöße gegen die Betrei­ber­pflichten nach dem TEHG sind seither selbst­ständig als Ordnungs­wid­rig­keiten mit Bußgeldern belegt (§ 32 TEHG). Es gilt also das OWiG. Danach setzen als Bußgelder Vorsatz oder (da ausdrücklich angeordnet) Fahrläs­sigkeit voraus, § 10 OWiG iVm § 32 TEHG

Hieraus ergeben sich gestei­gerte Risiken für den einzelnen Mitar­beiter. Zum einen steht der Geschäfts­führer persönlich im Feuer, da die Verfahren nach dem OWiG sich in erster Linie gegen Personen, nicht gegen Unter­nehmen richten. Zum anderen beinhalten die für Umwelt­ver­gehen überra­schend hohen Bußgelder in fünf- bis sechs­stel­liger Höhe für fehler­hafte Emissi­ons­be­richte, die bereits verhängt wurden, ein erheb­liches Risiko für den mit der Erstellung von Emissi­ons­be­richten betrauten Mitarbeiter. 

Dies liegt an der Ausge­staltung der Haftung von Arbeit­nehmern. Wenn ein Arbeit­nehmer in Ausübung seiner Tätigkeit einen Fehler macht, haftet er zwar nicht so weitgehend wie Personen außerhalb eines Arbeits­ver­hält­nisses. Er steht also nicht für Vorsatz und jede Fahrläs­sigkeit voll ein. Er ist aber auch nicht automa­tisch freizu­stellen. Was viele nicht wissen: Bei normaler Fahrläs­sigkeit ist der Arbeit­nehmer nicht von der Haftung befreit. Hier findet vielmehr eine Aufteilung des entstan­denen Schadens statt. Kriterien für diese Aufteilung sind u. a.  die Schadenshöhe im Verhältnis zum Einkommen, die Frage, ob das Risiko einkal­ku­liert und von einer Versi­cherung abzudecken ist, aber auch die Position des Mitar­beiters und die Frage, wie gefahr­ge­neigt die Arbeit ist, bei der der Schaden aufge­treten ist. Bei grober Fahrläs­sigkeit, also denje­nigen Fällen, in denen sich jemand leicht­fertig verhalten hat, haftet der Arbeit­nehmer regel­mäßig für den gesamten Schaden, außer bei einem deutlichen Missver­hältnis zwischen Vergütung und Schaden.

Aufgrund dieser Diffe­ren­zierung ist Aufmerk­samkeit geboten: Legt die Formu­lierung der Behörde in einem Bußgeld­be­scheid zumindest mittlere Fahrläs­sigkeit nahe, ist die Haftungs­frei­stellung des Mitar­beiters in höchster Gefahr, der den Emissi­ons­be­richt erstellt hat. Über das Haftungs­risiko hinaus drohen zudem Abmah­nungen und im Wieder­ho­lungsfall sogar die verhal­tens­be­dingte Kündigung.

Dieses Risiko ist vielen Arbeit­nehmern nicht bewusst. Ansonsten würde mehr Mitar­beiter auf Versi­che­rungen drängen. Generell sollten dieje­nigen, die sich in dieser Situation befinden, ihre persön­liche Situation bewerten (lassen) und dafür sorgen, dass das entspre­chende Risiko versi­chert wird. Selbst dann besteht durchaus die Gefahr, auf dem Selbst­behalt sitzen zu bleiben. Aus anwalt­licher Sicht ist es unbedingt sinnvoll, über einen eigenen Anwalt neben dem anwalt­lichen Vertreter des Unter­nehmens nachzu­denken. Aus diesem Grunde ist es auch regel­mäßig relevant, schon im Anhörungs­ver­fahren darauf hinzu­wirken, dass die Behörde den Verstoß nicht durch unbedachte Formu­lie­rungen als mittlere oder gar grobe Fahrläs­sigkeit quali­fi­ziert und so dem Arbeit­nehmer mögli­cher­weise schweren Schaden zufügt.

2018-11-07T10:36:16+01:007. November 2018|Emissionshandel|

Überra­schung: Absenkung der EEG-Vergütung für kleine PV

Nun liegt er also auf dem Tisch: Der Referen­ten­entwurf für das Energie-Sammel­gesetz. Insgesamt sollen 19 Gesetze und Verord­nungen geändert werden, von den umstrit­tenen Sonder­aus­schrei­bungen für Wind und Solar­energie, über die Änderungen des Kraft-Wärme-Kopplung-Gesetzes (KWKG) bis hin zu Regelungen rund um Redis­patch, die es erleichtern sollen, auch EEG-Anlagen abzuregeln. Die meisten der Regelungen wurden über Monate disku­tiert und sind wenig überraschend.

In einem Punkt enthält das Gesetz aller­dings eine bedenk­liche Neuerung. Ausge­rechnet bei den kleinen Solar­an­lagen soll sich die Wirtschaft­lichkeit verschlechtern. Für Solar­an­lagen mit 40 kW bis 750 kW Leistung sollen ab dem 1. Januar 2019 die Förder­sätze von 10,68 Cent pro Kilowatt­stunde auf 8,33 Cent pro Kilowatt­stunde sinken (Referen­ten­entwurf, S. 11). § 48 Abs. 2 Nr. 3 EEG 2017 soll entspre­chend geändert werden. Der Grund: Die Anlagen wären wegen des Wegfalls von Zöllen günstiger geworden.

Aber kann es das wirklich sinnvoll sein? Während sich unter anderem Berlin und Thüringen und viele andere Akteure enttäuscht davon zeigen, dass die Rahmen­be­din­gungen für Mieter­strom, also Solar­strom vom Dach zu vergüns­tigten Bedin­gungen für Mieter, nicht ausreichen, soll die Wirtschaft­lichkeit der Photo­voltaik weiter einge­schränkt werden? Dabei ist doch gerade die Photo­voltaik eine Möglichkeit, dezentral zu erzeugen und die Energie­wende gleich­zeitig auch wirtschaftlich attraktiv für die Bevöl­kerung auszugestalten. 

Viel Zeit bleibt nicht mehr, um gegen diese Regelung noch zu Felde zu ziehen.Noch im November soll das Gesetz­ge­bungs­ver­fahren abgeschlossen werden, da Teile des Energie­sam­mel­ge­setzes überfällig sind. Meint der Bundes­ge­setz­geber es ernst mit den Ausbau­zielen, die immerhin 65 % Erneu­erbare Energien bis 2030 vorsehen, so sollte er auf diese Änderung des EEG 2017 aber verzichten und an anderer Stelle prüfen, wie Verbraucher entlastet werden können.

2018-11-05T21:51:31+01:005. November 2018|Energiepolitik, Erneuerbare Energien, Strom|