Die verspätete Fledermaus: Zu VG Oldenburg, 5 A 2869/17
Sie haben eine Immissionsschutzgenehmigung? Tja, das hilft Ihnen im Zweifelsfall auch nicht weiter. Dies bezeugt einmal mehr eine bemerkenswerte Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Oldenburg vom 6.12. 2017 (5 A 2869/17).
Die Klägerin in dem Verfahren betreibt eine Windenergieanlage (WEA). Für diese hatte sie 2012 nach einigem Hin und her einen Genehmigungsbescheid erhalten. Der Erteilung dieses Bescheides war ein Gutachten vorangegangen. Dieses Gutachten bescheinigte, dass der Standort für geschützte Fledermausarten unbedenklich sei. Der Genehmigungsbescheid aus 2012 war sodann in Bestandskraft erwachsen, also unanfechtbar geworden.
Als in der Nähe der BEA zwei Bebauungspläne erlassen werden sollten, holte der Beklagte des Verfahrens, das zuständige Bauordnungsamt, erneut Gutachten über die Verbreitung und Aktivität von Fledermäusen ein. 2014 erstattete der beauftragte Biologe das Gutachten auf der Basis von Detektoruntersuchungen aus den Jahren 2011 und 2012. Hier kam es nun zu einer unangenehmen Überraschung: Anders als im Vorfeld der Genehmigungserteilung für die WEA wurden gleich sechs Fledermausarten nachgewiesen: die Zwergfledermaus, die Breitflügelfledermaus, der große Abendsegler und der Kleinabendsegler, die Rauhautfledermaus und die Wasserfledermaus. Außerdem stellte sich auch heraus, dass die Windenergieanlage mit hoher Wahrscheinlichkeit mit den Fledermäusen kollidiert.
Die Behörde kündigte in der Folge an, eine artenschutzrechtliche Anordnung zu treffen. Diese erging 2016. Die Anordnung hatte es in sich: ein wetterbedingtes nächtliches Betriebsverbot im Sommer, dazu ein teures Gondelmonitoring, die sofortige Vollziehung und ein angedrohtes Zwangsgeld von 10.000 €.
Der Betreiber zog zu Gericht. Das VG Oldenburg entschied jedoch zugunsten der Behörde. Die Bestandskraft der Genehmigung entfalte keine Sperrwirkung. Die Anordnung stelle keinen Widerruf und auch keinen Teilwiderruf der Genehmigung der. Es handele sich auch nicht um eine immissionsschutzrechtliche Auflage. Sondern um eine Maßnahme nach § 3 Abs. 2 BNatSchG. Diese Einordnung macht das Verwaltungsgericht an der fehlenden Erheblichkeit der Anordnung fest, was angesichts der durchaus erheblichen Nutzungseinschränkungen einer breiteren Begründung bedurft hätte, als sie sich im Urteil findet. Auch Verhältnismäßigkeitserwägungen konnten das Verwaltungsgericht nicht vom Gegenteil überzeugen.
Unter die Entscheidung nicht überzeugt. Wenn das BImSchG bestimmte Eingriffsmöglichkeiten in bestandskräftige Bescheide kennt, ist uns nicht nachvollziehbar, wieso dann, wenn deren Voraussetzungen nicht gegeben sind, einfach zum – vom Prüfprogramm ja an sich umfassten – Naturschutzrecht gegriffen werden kann. Auch die Auseinandersetzung mit der Verhältnismäßigkeit kommt etwas arg kurz. Insbesondere die Hauptbotschaft dieser Entscheidung finden wir problematisch: Die weitere Aushöhlung der Bestandskraft ist ein ernsthaftes Problem für Betreiber und Investoren.