Vorsicht Falle: Vorkaufsrecht!

Beim Verkauf von Immobilien droht nach vermeintlich erfolg­reich abgeschlos­senem Kaufvertrag manchmal Ärger: Gerade bei „Freund­schafts­preisen“, bei einem Schein­ge­schäft mit formal niedrigem Preis oder bei einem steuerlich motivierten Verkauf unter Wert an Famili­en­an­ge­hörige gibt es unter Umständen „lachende Dritte“. Dies immer dann, wenn es gesetz­liche Vorkaufs­rechte gibt. Dann tritt der Berech­tigte in den bereits abgeschlos­senen Vertrag zu den schriftlich verein­barten Kondi­tionen ein. Den Vertrag rückgängig zu machen oder anzufechten, ist dann nur noch in Ausnah­mefall möglich. Der eigentlich einem anderen zugedachte Vorteil kommt dann dem Berech­tigten des Vorkaufs­rechts zugute.

Beispiels­weise kommt ein gesetz­liches Vorkaufs­recht beim Verkauf landwirt­schaftlich genutzter Flächen in Frage.  Das Vorkaufs­recht berechtigt nach dem Grund­stücks­ver­kehrs­gesetz (GrdstVG) gemein­nützige Siedlungs­un­ter­nehmen, in den Kaufvertrag einzu­treten und die Grund­stücke an lokale Landwirte weiter­zu­geben. Voraus­setzung ist zum einen, dass eine landwirt­schaftlich genutzte (oder nutzbare) Fläche an einen Nicht­landwirt verkauft wird. Außerdem muss es gemäß § 9 Abs. 1 GrdstVG durch den Verkauf zu einer „ungesunden Verteilung von Grund und Boden“ kommen oder ein Missver­hältnis zwischen Kaufpreis und Wert des Grund­stücks vorliegen.

In einem Fall, der vor einigen Jahren vom Oberlan­des­ge­richt in Oldenburg entschieden wurde, hatte ein Nicht­landwirt ein landwirt­schaft­liches Grund­stück zu einem besonders günstigen Preis für die eigene Enkel­tochter erstanden, die sich zur Landwirtin ausbilden ließ. Das half dem Käufer nicht: Weil sie aktuell noch nicht Landwirtin war, bekam der benach­barte Landwirt das Grundstück.

Entspre­chende Vorkaufs­rechte gibt es auch zugunsten des Natur­schutzes. Aller­dings hat das Verwal­tungs­ge­richt Bayreuth hier im September dem ursprüng­lichen Käufer einer Immobilie recht gegeben: Nach den natur­schutz­recht­lichen Bestim­mungen in § 39 Abs. 2 Bayri­sches Natur­schutz­gesetz darf das Vorkaufs­recht nur ausgeübt werden, wenn dies die Belange des Natur­schutzes oder der Landschafts­pflege oder das Bedürfnis der Allge­meinheit nach Natur­genuss und Erholung in der freien Natur recht­fer­tigen. Dies hat das Gericht im zu entschei­denden Fall abgelehnt. Vom Landkreis war lediglich in einem ehema­ligen Hotel die Einrichtung eines Natio­nal­park­zen­trums für Besucher des Franken­walds geplant. Das wurde nicht als Natur­schutz­belang angesehen. Richtig zwingend ist diese Entscheidung nicht, da sicherlich auch Öffent­lich­keits­arbeit zu den Aufgaben des Natur­schutzes gehört. Immerhin hat das Gericht die Berufung zum Bayri­schen Verwal­tungs­ge­richtshof zugelassen.

Als Fazit bei Immobi­li­en­ge­schäften ergibt sich, dass auf jeden Fall vor Grund­stücks­käufen eventuelle Vorkaufs­rechte bedacht werden müssen. Wenn es dann zu einer Ausübung des Vorkaufs­rechts kommt, ist nicht in jedem Fall alles zu spät. Vielmehr gibt es oft noch Möglich­keiten, die Voraus­set­zungen der Ausübung gesetz­licher Vorkaufs­rechte kritisch zu überprüfen (Olaf Dilling).

2020-10-14T16:04:04+02:0014. Oktober 2020|Naturschutz, Verwaltungsrecht|

Wolf oder Kalk-Halbtro­cken­rasen – VG Gera, 5 E 67/20Ge

Eine Thüringer Wölfin, zuhause im Schutz­gebiet „TÜP Ohrdruf-Jonastal“, hatte sich behördlich unbeliebt gemacht, weil sie 2019 in erheb­lichen Größen­ord­nungen Schafe und Ziegen gerissen hatte. Die Behörde beschloss deswegen, das Tier zu „entnehmen“, vulgo abschießen zu lassen.

Bekanntlich geht von Wider­spruch und Klage norma­ler­weise eine aufschie­bende Wirkung aus. Die Behörde fürchtete also, dass der Abschuss erst statt­finden könnte, wenn ein mögli­cher­weise langwie­riges Verfahren auf Überprüfung der Recht­mä­ßigkeit dieser Entscheidung beendet sein würde, und ordneten die sofortige Vollziehung an. Es sollte also erst geschossen und dann über die Recht­mä­ßigkeit dieses Abschusses nachge­dacht werden.

Doch der Freistaat hatte die Rechnung ohne den Umwelt­verband gemacht: Der NaBu zog vor Gericht und focht nicht nur die Entnah­me­ent­scheidung an, sondern auch die Anordnung der sofor­tigen Vollziehung im Eilver­fahren nach § 80 Abs. 5 VwGO. Das angerufene Verwal­tungs­ge­richt (VG) Gera gab diesem Antrag am 20.02.2020 statt und stellte die aufschie­bende Wirkung wieder her. Die Wölfin darf also erst geschossen werden, wenn der NaBu fertig geklagt hat und verloren haben sollte.

Nun sind Wölfe bekanntlich arten­schutz­rechtlich geschützt. Sie unter­liegen einem in § 44 BNatSchG geregelten Tötungs­verbot. Aller­dings erlaubt § 45 Abs. 7 BNatSchG unter bestimmten Bedin­gungen Ausnahmen von diesem Grundsatz. Von einer solchen Ausnahme ging das Land Thüringen hier aus. Sie beriefen sich nämlich nicht direkt auf den wirtschaft­lichen Schaden der Schäfer, sondern argumen­tierten, dass die Schäfer aufgeben oder abwandern würden, wenn sie weiter finan­zielle Schäden durch gerissene Schafe erleiden würden. Wenn die Schäfer verschwinden würden, würde dies aber dem Schutz­ge­biets­cha­rakter schaden, denn die Schafe seien erfor­derlich, um  das größe Kalk-Halbtro­cken­rasen-Vorkommen in Thüringen zu bewahren. Dies schien der Behörde so dringend, dass unver­züglich zur Tat geschritten werden sollte, denn der Schaden für den Kalk-Halbtro­cken­rasen war offenbar so akut, dass ein unwider­bringlich toter Wolf dem gegenüber den Beamten nicht genauso schwer ins Gewicht zu fallen schien.

Dies überzeugte die Richter nicht. Sie wiesen darauf hin, dass es zwar möglich sei, dass die Maßnahme dem Kalk-Halbtro­cken­rasen-Vorkommen in Thüringen nutze, also geeignet sei, aber nicht hinrei­chend geprüft wurde, ob sie auch verhält­nis­mäßig ist. Mit anderen Worten: Die Richter halten es für zumindest gut möglich, dass auch weniger einschnei­dendere Maßnahmen als der Abschuss den Kalk-Halbtro­cken­rasen genauso gut schützen können. Sie nannten etwa Zäune, Hunde und Pferche.

Was resul­tiert aus der Entscheidung für die Praxis? Im Ergebnis nicht viel. Auch die Richter in Gera sind davon überzeugt, dass es gute Gründe geben kann, einen Abschuss zu recht­fer­tigen. Aber etwas mehr Mühe als der Freistaat Thüringen mit ihrem Kalk-Halbtro­cken­rasen-Vorkommen muss eine Behörde sich schon geben, wenn sie sofort und ohne vorherige gericht­liche Prüfung einem geschützten Tier ans Leder will (Miriam Vollmer).

2020-05-18T01:04:35+02:0018. Mai 2020|Naturschutz, Verwaltungsrecht|

Das „Moor muss nass“: Unter­schätzte grüne CO2-Speicher

Fossile Brenn­stoffe haben bekanntlich alle mal „gelebt“: Erdöl und Erdgas entstand aus Plankton, insbe­sondere einzelligen Algen, das am Meeres­grund verfault und schließlich unter hohen Druck und Tempe­ra­tur­be­din­gungen umgewandelt wurde. Der Kohlen­stoff für die Stein­kohle stammt dagegen aus Sumpf­wäldern. Auch Braun­kohle ist durch geoche­mische Prozesse aus Torf und anderen Pflan­zen­resten entstanden.

Torf wiederum ist erdge­schichtlich der jüngste Brenn­stoff. Tatsächlich wachsen Torfmoore ja auch aktuell noch und entziehen dabei der Atmosphäre ständig CO2. Und im Gegensatz zum Holz normaler Wälder wird der im Torf oder in Sumpf­wäldern gebundene Kohlen­stoff der Atmosphäre dauerhaft entzogen. Zumindest solange die Bedin­gungen, die für seine Konser­vierung nötig sind, weiter bestehen: ausrei­chend Wasser und ein intaktes Moor-Ökosystem.

Insofern ist es nahe liegend, zu fragen, welche Rolle Moore und andere Ökosysteme im Kampf gegen die Klima­krise spielen können. Ein Fachge­spräch gab es dazu im Deutschen Bundestag, organi­siert von der Grünen Bundes­tags­fraktion. Darin kamen nach einer Begrüßung durch den Frakti­ons­vor­sit­zenden Hofreiter und der Einführung durch die Parla­men­ta­rische Geschäfts­füh­rerin Lemke die Biolo­gie­pro­fes­sorin Seddon aus Oxford und der Ökologe Joosten aus Greifswald zu Wort. Seddon betonte ganz allgemein, dass Ökosysteme mit hoher Biodi­ver­sität besonders anpas­sungs­fähig an den Klima­wandel seien. Insofern um so proble­ma­ti­scher, dass derzeit Klima­ver­än­derung und Biodi­ver­si­täts­verlust meist Hand in Hand gehen.

Auf das Potential von Ökosys­temen für Klima­schutz ging Prof. Joosten ein. Er betonte die enormen Mengen Kohlen­stoff, die in Mooröko­sys­temen gebunden sind und ständig weiter gebunden werden. Eine Schat­ten­seite sind die starken CO2-Emissionen, die mit Torfabbau, aber auch mit Landwirt­schaft auf entwäs­serten Moorböden, etwa im Nordwesten Nieder­sachsens verbunden seien. Als Gegen­modell stellte Joosten die sogenannte „Paludi­kultur“ vor, die landwirt­schaft­liche Nutzung von nassen oder wieder­vernässten Moorböden. Beispiele sind die Kulti­vierung von Reet, von Rohrkolben als Schilf­bio­masse oder von Torfmoosen als Torfersatz in Kultur­sub­straten im Gartenbau. Dadurch kann die Minera­li­sierung des Torfs und dadurch verur­sachte CO2-Emissionen gestoppt werden. Dass überschwemmte Moore mehr von dem starken Treib­hausgas Methan ausstoßen würden, sei zwar zutreffend. Aller­dings werde dieser Effekt mittel- und langfristig durch die CO2-Ersparnis mehr als ausge­glichen. Auch rechtlich gäbe es Anpassungsbedarf:

# Paludi­kultur müsse als Landwirt­schaft akzep­tiert werden, um Ausgleichs­zah­lungen nach der Gemein­samen Agrar­po­litik der EU zu ermöglichen,

# die Regeln des Natur­schutz­rechts bedürften der Anpassung, um nachhaltige Nutzung zu ermög­lichen und

# die Regeln der guten fachlichen Praxis für die Landwirt­schaft auf Moorböden sollten überar­beitet werden.

Insgesamt war es eine sehr infor­mative Veran­staltung, die einmal auch die Synergien zwischen Klima­schutz und Biodi­ver­sität aufge­zeigt hat – und nicht nur die Zielkon­flikte, wie so oft, wenn es um erneu­erbare Energien und Natur­schutz geht (Olaf Dilling).

2020-02-11T17:59:39+01:0011. Februar 2020|Allgemein, Energiepolitik, Umwelt, Wasser|