Kohle­aus­stiegs­gesetz: BVerfG weist STEAG ab

Das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) hat mit Datum vom18. August 2020  einen Eilantrag der STEAG gegen das Kohle­aus­stiegs­gesetz zurück­ge­wiesen. Das Unter­nehmen hatte Eilantrag gestellt, weil schon in wenigen Wochen – also zu schnell für eine Verfas­sungs­be­schwerde – die im Gesetz vorge­se­henen Auktio­nie­rungen für die Still­legung von Erzeu­gungs­ka­pa­zi­täten aus Kohle erstmals vollzogen werden. Da die Höchst­preise im Laufe der Auktionen von jetzt bis 2027 stetig sinken, spielt der Zeitfaktor eine erheb­liche Rolle (zum Kohle­aus­stiegs­gesetz hier).

Was kriti­siert die STEAG konkret? Nach Ansicht des Unter­nehmens verletzt die Ausge­staltung des Kohle­aus­stiegs den Gleich­be­hand­lungs­an­spruch des Stein­koh­le­ver­stromers STEAG, weil mit Betreibern von Braun­koh­le­kraft­werken gesprochen wurde und über einver­nehm­liche, verhan­delte Verträge ausge­stiegen werden soll, mit der Stein­kohle aber nicht (das finden auch wir schwierig). Dies für unwirksam zu erklären ist aber kein geeig­neter Gegen­stand für ein verfas­sungs­ge­richt­liches Eilver­fahren, deswegen hatte STEAG „nur“ eine Ausweitung des Volumens der ersten Stein­koh­le­still­le­gungs­auktion um etwa 20% beantragt sowie eine Feststellung des BVerfG, dass die Höhe der Zuschläge vorläufig ist, bevor sie im Verfas­sungs­be­schwer­de­ver­fahren überprüft wird.

Doch wie es mit der Verfas­sungs­kon­for­mität des Kohle­aus­stiegs aussieht, hat das BVerfG nun leider offen gelassen. Denn nach Ansicht der Karls­ruher Richter darf die STEAG sich gar nicht über eine Grund­rechts­ver­letzung beschweren, weil sie aufgrund von mehr 50% öffent­licher Inves­toren, insgesamt 85,9%, nicht beschwer­de­befugt ist. Nach Ansicht des BVerfG ist die STEAG deswegen nicht Grund­rechts­trä­gerin, sondern quasi der Staat selbst mit einem privat­recht­lichen Mäntelchen. Darauf, dass die STEAG hier auch nicht anders agiert als eine Vattenfall SE oder eine E.ON komme es nicht an.

Die STEAG hatte sich in Anlehnung an die Entscheidung „Recht auf Vergessen II“ auch auf die EU-Grund­rechts­charta berufen (zu dieser Entscheidung hier). Doch auch dies hat die Richter nicht überzeugt. Denn dem Kohle­aus­stiegs­gesetz liegen keine EU-Regelungen zugrunde. Nur dann, wenn das deutsche Recht, um das es geht, durch Gemein­schafts­recht deter­mi­niert ist, will das BVerfG entlang der EU-Grund­rechte prüfen. Damit hat die STEAG nicht nur das Eilver­fahren verloren, sondern danach ist es auch sinnlos, noch eine Verfas­sungs­be­schwerde einzulegen.

Ist das Kohle­aus­stiegs­gesetz damit also sicher? Natürlich nicht. Es gibt viele andere Akteure, die klagen könnten, weil sie keine öffent­lichen Anteils­eigner haben. Was schade ist: Es wird nun länger dauern, bis wir wissen, ob die konkrete Ausge­staltung des Kohle­aus­stiegs­ge­setzes so in Ordnung ist (Miriam Vollmer),

 

2020-08-20T21:55:00+02:0020. August 2020|Allgemein, Energiepolitik, Strom|

Es gibt Geld: Was steht im Strukturwandel-Staatsvertragsentwurf?

Der Kohle­aus­stieg soll keine wirtschaftlich verödeten Landschaften hinter­lassen. Dies war ein zentraler Punkt der sog. Kohle­kom­mission, die sich im gesell­schaft­lichen Konsens um einen Plan für die Beendigung der Kohle­ver­stromung bemühen sollte. Zwar wurde ihr Plan, wie es mit der Kohle zuende gehen soll, entgegen anders­lau­tender Ankün­di­gungen nicht 1:1 umgesetzt. Aber von der Idee, dass das Ende der Kohle wirtschaftlich großzügig flankiert werden sollte, rückte der Gesetz­geber nie ab.

40 Mrd. EUR in mehreren Tranchen sollen die Bundes­länder insgesamt bekommen, denen im Zuge des Braun­koh­le­aus­stiegs ein Struk­tur­wandel bevor­steht. 14 Mrd. EUR hiervon sind nun Gegen­stand eines aktuellen Verein­ba­rungs­ent­wurfs zwischen dem Bund und den betrof­fenen Bundes­ländern vom 22. Juli 2020. Er unter­füttert das am 3. Juli zuletzt vom Bundesrat verab­schiedete Struk­tur­stär­kungs­gesetz (InVK), das den Rahmen und die Grundlage für die Verein­barung darstellt. Die ebenfalls im Struk­tur­stär­kungs­gesetz vorge­se­henen Hilfen für die Stein­koh­le­re­gionen sind dagegen nicht Gegen­stand des Vereinbarungsentwurfs.

Was steht also nun in dem Papier?

Das Kapitel 1 des Verein­ba­rungs­ent­wurfs regelt das Verfahren, nach dem Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, der Freistaat Sachsen und das Land Sachsen-Anhalt Gelder für Projekte zur Abfederung des Ausstiegs aus der Braun­kohle abrufen sollen. Inter­essant, wenn auch nicht neu, ist § 3, der die Summen ausweist und auch ausdrücklich darauf hinweist, dass Maßnahmen ohne eigene Mittel der Kommunen finan­ziert werden können. § 4 enthält die Förder­be­reiche. Hier fällt auf, welche Bedeutung auch hier Verkehrs­wegen beigemessen wird. Angesichts des Umstandes, dass die betrof­fenen Regionen ja auch außerhalb dieser Verein­barung (siehe Kapitel 2) verkehrs­tech­nisch besser erschlossen werden sollen, stellt sich durchaus die Frage, ob im Zeitalter der Digita­li­sierung der physische Transport von Personen und Gütern wirklich noch so eine Bedeutung für wirtschaft­liche Proes­pe­rität besitzt. Immerhin, unter den acht anderen Förder­be­reichen stehen zumindest auf den hinteren Plätzen auch Digita­li­sierung, Breitband-und Mobil­funk­in­fra­struktur und Forschung.

In § 6 wird es dann konkret. Hier soll geregelt werden, dass die Länder Programme festlegen und Vorhaben geneh­migen und der Bund diese Vorhaben innerhalb eines Monats ab Infor­mation durchs Land von der Förderung ausschließen kann, wenn sie nicht zu den (aller­dings denkbar breiten) Förder­zielen passen. Weitere Infor­ma­ti­ons­pflichten enthalten § 7 und § 8, der sich auf die Projekt­rea­li­sierung bezieht. § 9 erlaubt, die Mittel als Haushalts­mittel oder in Sonder­ver­mögen der Länder zu vereinnahmen.

Kapitel 2 des Entwurfs betrifft die sog. „zweite Säule“, die 26 Mrd. für die Kohle­re­gionen, die der Bund selbst ausgeben will. Ihre Basis sind die Kapitel 3 und 4 InvKG. Hier tauchen nun auch nicht investive Maßnahmen auf, mit denen der Bund etwas für die betrof­fenen Regionen tun will, u. a. ein Kompe­tenz­zen­trums Wärme­wende, die Forschungs­in­itiative „Reallabore der Energie­wende“ sowie die Einrichtung zweier zusätz­licher DLR-Institute, Geld für Bildung und Wissen­schaft, Behör­den­an­sied­lungen und wiederum Verkehrsprojekte.

Um die Mittel­vergabe zu koordi­nieren, soll es ein gemein­sames Gremium von Bund und den betrof­fenen Ländern geben. Es soll den gesamten Prozess begleiten, also mindestens bis 2038, mögli­cher­weise (weil auch einzelne Projekte noch länger laufen) darüber hinaus. Vorge­sehen ist ein komplexes Neben­ein­ander von Leitungs- und Fachebenen, geregelt ist das Vorschlags­recht der Länder, ein Exper­tenrat kann ins Leben gerufen werden, organi­sieren soll eine Geschäfts­stelle, kurz: Es gibt einiges an Bürokratie.

Wo das Geld herkommen soll, ist dagegen noch nicht so klar. Es hieß im Vorfeld, ein Teil des Geldes würde über den natio­nalen Emissi­ons­handel einge­spielt, aber dieser soll ja auch den Ausbau der Elektro­mo­bi­lität und die Stabi­li­sierung der EEG-Umlage finan­zieren. Im Vorspann des Struk­tur­stär­kungs­gesetz steht zu diesem Thema nur recht sparsam, die Mittel stünden im jewei­ligen Haushalts­gesetz bereit.

Wie geht es nun weiter? In den nächsten Monaten nach der Sommer­pause sollte die Verein­barung finali­siert werden, parallel zu der Verein­barung mit den Kraft­werks­be­treibern. Dann sollte gegen Ende des Jahres spätestens absehbar sein, wie der Rahmen für das Ende der Kohle­ver­stromung in Deutschland aussehen wird, zumindest, wenn auch die Europäische Kommission mitspielt (Miriam Vollmer)

2020-07-27T00:25:12+02:0027. Juli 2020|Energiepolitik, Strom, Umwelt, Verwaltungsrecht|

Kohle­aus­stieg: Ist der öffentlich-recht­liche Vertrag mit den Braun­koh­le­un­ter­nehmen tatsächlich ein Meilenstein?

Dass der Kohle­aus­stieg kommt, ist abgemachte Sache. Wie er aussehen soll, ist durch die Kohle­kom­mission bereits vorbe­reitet worden. Die konkrete Umsetzung ist momentan jedoch noch in vollem Gange. Während der Geset­zes­entwurf zum Ausstieg aus der Kohle bereits am 29.01.2020 vom Kabinett beschlossen wurde und derzeit im Bundestag beraten wird, hat das Bundes­ka­binett letzten Mittwoch nun dem flankie­renden öffentlich-recht­lichen Vertrag mit den Braun­koh­le­be­treibern zugestimmt. Darüber, dass der Geset­zes­entwurf erheb­licher Kritik ausge­setzt ist, berich­teten wir bereits. In juris­ti­scher Hinsicht überzeugt insb. im Hinblick auf den Gleich­be­hand­lungs­grundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht, dass die Braun­kohle, welche wesentlich emissi­ons­in­ten­siver ist, gegenüber der Stein­kohle bevorzugt wird. Ein sachlicher Grund, welcher diese Ungleich­be­handlung recht­fer­tigen könnte, ist nicht ersichtlich.

Wesentlich brisanter in diesem Zusam­menhang ist aber, dass das Kabinett nicht nur dem öffentlich-recht­lichen Vertrag mit den Braun­koh­le­kraft­werks­be­treibern zugestimmt hat, sondern dass zugleich sog. „Formu­lie­rungs­hilfen“ für die Regie­rungs­frak­tionen beschlossen wurden, um die Verab­schiedung des Kohle­aus­stiegs­gesetz im Bundestag sicher­zu­stellen. Bei den Formu­lie­rungs­hilfen handelt es sich in der Sache um Änderungs­vor­schläge für den Entwurf des Kohle­aus­stiegs­ge­setzes, die sich im Laufe der Beratungen des Kohle­aus­stiegs­gesetz im Bundestag und Bundesrat ergeben habe.

In diesen „Formu­lie­rungs­hilfen“ war kurzfristig vorge­sehen, dass der öffentlich-recht­liche Vertrag nicht mehr der ursprünglich in § 43 Abs. 1 des Entwurfs des Kohle­aus­stiegs­ge­setzes vorge­se­henen Zustimmung des Bundes­tages bedurft hätte. Der Vertrag hätte dem Bundestag nur zur Kenntnis weiter­ge­leitet werden sollen. Dass dem nunmehr in dem von dem Kabinett verab­schie­deten Formu­lie­rungs­hilfen nicht mehr so ist, ist zunächst einmal beruhigend.

Denn es wäre verfas­sungs­rechtlich kaum haltbar gewesen, die genauen Bedin­gungen des Kohle­aus­stiegs hinter verschlos­senen Türen zwischen Bundes­re­gierung und Kohle­kraft­werks­be­treibern zu beschließen, ohne dass der Bundestag als unmit­telbar demokra­tisch legiti­miertes Organ, hier ein Mitspra­che­recht – jeden­falls in Form der Zustimmung zum Vertrag – hätte.

Nach der vom Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt entwi­ckelten Wesent­lich­keits­theorie bedürfen nämlich alle wesent­lichen Entschei­dungen der Zustimmung des Bundes­tages. Je wesent­licher die Entscheidung ist, desto detail­lierter müssen auch die einzelnen Regelungen des Gesetz­gebers sein. Das Parlament ist das einzige Organ, das direkt von den Bürge­rinnen und Bürgern gewählt wird. Es ist das Organ, dem die Bürge­rinnen und Bürger unmit­telbar die Staats­gewalt übertragen. Folglich muss auch dieses Organ die für sie wesent­lichen Entschei­dungen bis zu einem gewissen Grad an Detail­liertheit treffen. Das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt zählt hierzu insbe­sondere Entschei­dungen über den Haushalt, also die Verwendung von Steuer­mitteln, sowie Entschei­dungen über Fragen der Grundrechtsausübung.

Dass es sich bei dem Kohle­aus­stieg, einer für die Zukunft wegwei­senden Entscheidung, bei der es auch um sehr viel Geld geht, um eine wesent­liche Entscheidung handelt, sollte man daher annehmen können. Zwar wird einiges bereits nach dem Entwurf des Kohle­aus­stiegs­gesetz im Rahmen eines Parla­ments­ge­setzes geregelt. Dass aber bei einer derart zentralen Frage auch die näheren Details zumindest einer Billigung des Parla­ments bedürfen, erscheint naheliegend. Daher sollte auch letzt­endlich der Bundestag dem Vertrag mit den Kraft­werks­be­treibern – wie nun doch vorge­sehen – zustimmen müssen.

Dass für die konkrete Ausge­staltung überhaupt das Mittel des öffentlich-recht­lichen Vertrages gewählt wurde und dies nicht statt­dessen durch Rechts­ver­ord­nungen geregelt wird, ist bemer­kenswert und durchaus untypisch. Zwar werden Angele­gen­heiten zwischen der öffent­lichen Hand und Privaten häufig durch öffentlich-recht­liche Verträge geregelt. Aller­dings sind Verträge, die gesetz­liche Regelungen komplett ersetzen, die Ausnahme. Der von der Bundes­re­gierung verfolgte Regelungs­ansatz steht daher in der Kritik. ClientEarth warnt eindringlich vor dem Abschluss solcher Verträge und hat hierzu ein detail­liertes Papier inklusive Rechts­gut­achten veröffentlicht.

Kriti­siert wird u.a., dass künftige Regie­rungen und der Gesetz­geber durch die einge­gangen vertrag­lichen Bindungen in ihrem Handlungs­spielraum in unzuläs­siger Weise einge­schränkt werden könnten. Aus Angst vor möglichen Schadens­er­satz­an­sprüchen wegen eines Vertrags­bruches könnte es zukünf­tigen Regie­rungen faktisch versagt sein, einen früheren Ausstieg aus der Kohle zu ermög­lichen. Auch könnte die Bundes­re­gierung unter Umständen zu einem Schadens­er­satz­ver­pflich­tungen nach sich ziehenden Vertrags­bruch gezwungen sein, wenn sie aufgrund unions­recht­licher Vorgaben verpflichtet ist, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, die vertraglich als „unzuläs­siger nachträg­licher Eingriff“ in die Braun­koh­le­ver­stromung definiert sind. Denn rechtlich sind die öffentlich-recht­lichen Verträge nicht in der Lage, die Regelungs­kom­petenz des Gesetz­gebers zu beschränken.

Auch die fehlende Trans­parenz während des Vertrags­ver­hand­lungs­pro­zesses wird bemängelt. Dies gehe zu Lasten der Demokratie. Auch seien umwelt- und klima­schutz­po­li­tische Aspekte struk­turell unter­re­prä­sen­tiert gewesen bei den Verhand­lungen, die zwischen den Unter­nehmen und dem Bundes­wirt­schafts­mi­nis­terium unter Ausschluss der Öffent­lichkeit statt­ge­funden haben.

Ob der öffentlich-recht­liche Vertrag mit den Braun­koh­le­kraft­werks­be­treibern tatsächlich ein Meilen­stein ist, wie Bundes­wirt­schafts­mi­nister Peter Altmaier ihn nennt, bleibt abzuwarten. Dies wird wohl entscheidend davon abhängen, ob die ausge­han­delten vertrag­lichen Bestim­mungen der Kritik stand­halten können oder nicht (Fabius Wittmer)

2020-06-26T20:11:12+02:0026. Juni 2020|Energiepolitik, Strom, Umwelt|