Der Kohle­aus­stiegs­gesetz-Entwurf vom 26.11.2019

Seit dem 26. November 2019 liegt ein neuer Entwurf für ein Kohle­aus­stiegs­gesetz auf dem Tisch. Dieser unter­scheidet sich in einigen Punkten von dem zuletzt disku­tierten Entwurf:

* Inter­essant ist auf S. 7 die nun konkret prognos­ti­zierte Stompreis­er­höhung durch das Ende der Stein­koh­le­ver­stromung von 0,14 bis 0,4 Cent pro Kilowattstunde.

* Neu ist die Kategorie der „Klein­anlage“, einer Stein­koh­le­anlage, die bis zu 150 MW Leistung aufweist, § 3 Nr. 15 des Entwurfs. Diese werden bis 2030 bzw. 2031 (für die Größen­klasse 120 – 150 MW) nicht ordnungs­rechtlich still­gelegt, § 38 des Entwurfs.

* Bei den Ausschrei­bungen ändert sich nicht viel; nach wie vor sind diese mit einem Zuschlag geför­derten Still­le­gungen aber nur für Stein­kohle- nicht für Braun­koh­le­kraft­werke vorge­sehen. Dem Vernehmen nach verlaufen die Gespräche mit den Braun­koh­le­kraft­werks­be­treibern aller­dings eher schleppend, weil die Vorstel­lungen über die Höhe der Entschä­di­gungen wohl um mehr als 200% differieren.

Ab 2027 sollen ordnungs­recht­liche Abschal­tungen greifen, ohne dass wie im Vorgän­ger­entwurf ein neues Gesetz dies regeln soll. Das Verfahren hierfür ist im Teil 4 des Entwurfs geregelt. Hiernach benennt die Bundes­netz­agentur 31 Monate vor dem avisierten Still­le­gungs­termin – erstmals für 2027 – die Liste der still­zu­le­genden Anlagen, § 27 des Entwurfs.

* Still­gelegt wird in der Reihen­folge der Inbetrieb­nahme, § 28 Abs. 2 des Entwurfs. Die Reihung soll die Bundes­netz­agentur bis zum 30. Juli 2022 auf Grundlage einer Daten­er­hebung festlegen, § 29 des Entwurfs. Die Reihung ist schon wegen ihrer wirtschaft­lichen Relevanz komplex, hier ist zu erwarten, dass die Betrei­ber­seite sehr kritisch hinschauen und Konflikte notfalls auch gerichtlich austragen wird.

* Auch die insgesamt still­zu­le­genden Kapazi­täten bestimmt jeweils termin­scharf die Bundes­netz­agentur, § 33 des Entwurfs. Sie verfügt sodann die Still­legung, es sei denn, die Anlagen sind für die System­sta­bi­lität unverzichtbar.

* Es bleibt bei der „Lex Datteln“, die neue Anlagen noch zulässt, wenn sie zum Zeitpunkt des Inkraft­tretens des Gesetzes schon genehmigt sind.

* Der heftig umkämpfte Mindest­ab­stand für Windener­gie­anlage befindet sich nicht mehr im Entwurf. Das heisst nicht, dass die Regierung den Plan aufge­geben hätte. Änderungen abseits der fossilen Energie­träger sollen aber nun nicht im Paket, sondern gesondert durch­ge­bracht werden. Dies betrifft aller­dings auch den 52-Gigawatt-Deckel, der den Ausbau der Photo­voltaik begrenzt. Hier würde eine Aufhebung allseits begrüßt, aber auch diese wurde nun auf ein separates Verfahren verschoben. Ebenso sieht es mit dem Deckel für Offshore Wind aus.

* Die Ausgleichs­zahlung für die energie­in­tensive Industrie wird konkre­ti­siert, § 45 Abs. 5 des Entwurfs.

Die Bundes­re­gierung hofft, dass der Entwurf in dieser Form nun für den Bundesrat annehmbar wird. Nur dann wäre es möglich, ihn noch wie geplant im Dezember zu verab­schieden (Miriam Vollmer).

2019-11-29T00:21:25+01:0029. November 2019|Allgemein, Energiepolitik, Sport, Umwelt, Verwaltungsrecht|

Kohle­aus­stieg: Der Referentenentwurf

Der aktuelle Referen­ten­entwurf für das Kohle­aus­stiegs­gesetz hat es in sich. Er enthält neben den bereits bekannten (aber leicht verän­derten, siehe sogleich) Regelungen über den Ausstieg aus der Stein­kohle Regelungen zur Windkraft und Regelungen, die den Brenn­stoff­wechsel bestehender KWK-Anlagen und den Aufbau neuer erdgas­be­trie­bener Kapazi­täten fördern. Das Wichtigste in aller Kürze:

* Es bleibt für Stein­kohle beim Ausschrei­bungs­modell, bei dem Betreiber von Anlagen darauf bieten, abzuschalten. Wer den geringsten Zuschlag verlangt, bekommt den Zuschlag. Während im ersten Entwurf noch eine verpflich­tende Abschaltung vorge­sehen vor, wenn sich zu wenige Freiwillige melden, ist dies nunmehr erst ab 2027 möglich, § 10 Abs. 3, § 32 des Entwurfs. Im Landes­süden soll erst einmal nicht abgeschaltet werden, § 12 Abs. 3 des Entwurfs.

* § 29 des Entwurfs verbietet den Neubau und die Neuge­neh­migung, aber bereits geneh­migte Anlagen dürfen ans Netz. Dies würde den Betrieb des Stein­koh­le­kraft­werks Datteln IV legali­sieren, das 2011 ans Netz gehen sollte, aber aufgrund mehrerer Klage­ver­fahren erst 2017 eine (immer noch beklagte) Geneh­migung erhielt.

* Der Braun­koh­le­aus­stieg fehlt immer noch, hier dauern die Gespräche wohl an.

* Breite Kritik erfährt der Entwurf eines neuen § 35a BauGB. Hiernach gilt für Windkraft­an­lagen ein Mindest­ab­stands­gebot von 1.000 Metern zu vorhan­dener oder poten­ti­eller Wohnbe­bauung, wobei fünf Wohnge­bäude reichen. Innerhalb von 18 Monaten nach Inkraft­treten des Gesetzes dürfen die Länder Abwei­chungs­regeln erlassen. Diese Regelung schränkt die zuläs­sigen Flächen erheblich ein.

* Nach dem KWKG sollen neue Zuschüsse gewährt werden, wenn eine kohle­be­triebene KWK-Anlage auf Erdgas umgerüstet wird, § 7c KWKG‑E. Ein weiterer Bonus ist speziell für KWK im Süden vorge­sehen, § 7d KWKG‑E.

Angesichts der breiten Kritik ist fraglich, ob die Regierung das Paket so durch­bringt. Da eine schnelle Gesetz­gebung geplant ist, wird sich wohl innerhalb der nächsten Tage und Wochen entscheiden, wie der recht­liche Rahmen für den Kohle­aus­stieg aussehen wird (Miriam Vollmer)

2019-11-13T23:20:33+01:0013. November 2019|Energiepolitik, Erneuerbare Energien, Strom, Umwelt, Wärme|

Kohle­aus­stieg: Schwierige Diffe­ren­zierung zwischen Stein- und Braunkohle

Wir erinnern uns: Die Kohle­kom­mission plant den Abschied von der Kohle ausgehend vom Jahr 2022 mit dem Ziel, 2038 keine Kohle mehr zu verstromen.

Ein Geset­zes­entwurf, der die Instru­mente und Kriterien für den Ausstieg regeln soll, existiert bisher nur für Stein­kohle. Der Entwurf des Bundes­wirt­schafts­mi­nis­te­riums sieht Ausschrei­bungen nach den §§ 10ff. des Entwurfs vor, die 2020 beginnen sollen. Der Entwurf sieht vor, dass die Betreiber von Stein­koh­le­ka­pa­zi­täten Gebote für die Still­legung gegen eine aus Bundes­mitteln fließende Stein­koh­le­kom­pen­sation abgeben, und dieje­nigen den Zuschlag erhalten, die die geringsten Kosten für die Still­legung bieten können und gleich­zeitig für die Netzsta­bi­lität nicht unbedingt nötig sind. Reicht das nicht aus, wird beginnend mit den ältesten Anlagen gesetzlich reduziert (§§ 26ff des Entwurfs). Neue Stein­koh­le­an­lagen sollen gesetzlich verboten werden (§ 38 des Entwurfs).

Für Braun­kohle gibt es keine entspre­chenden Pläne. Man spricht aktuell intensiv mit den Betreibern. Aber bis jetzt sind die Pläne wohl noch nicht soweit gediehen, dass eine auch nur halbwegs konsen­suale Regelung auch nur im Ansatz erkennbar wäre. Das ist für die Bundes­re­gierung mögli­cher­weise ein Problem: Denn der Betreiber Vattenfall klagt bereits vor einem inter­na­tio­nalen Schieds­ge­richt in Washington wegen seiner Atomkraft­werke. Gelingt keine Konsens­lösung, beginnt mögli­cher­weise das nächste Tauziehen mit ungewissem Ausgang um die Braun­koh­le­kraft­werke der Vattenfall im Osten.

Ob diese konsen­suale Lösung kommt, steht um so mehr in den Sternen, als die Bundes­re­gierung nicht frei darin ist, den Ausstieg zu erkaufen. Denn Geldzah­lungen an die Braun­koh­le­be­treiber sind mit einer gewissen Wahrschein­lichkeit als Beihilfen zu dekla­rieren. Die Juristen des Umwelt­schutz­ver­bandes Client Earth haben deswegen durchaus beden­kens­werte Argumente auf ihrer Seite, wenn sie die Verein­barkeit hoher Entschä­di­gungs­zah­lungen an die Braun­koh­le­be­treiber mit dem europäi­schen Beihil­fen­recht verneinen. Sie argumen­tieren hierzu mit dem Alter der meisten Anlagen, die voll abgeschrieben sein dürften, und der geringen Renta­bi­lität, die dazu führen könnte, dass Entschä­di­gungen als Vorteil und nicht als Schadens­aus­gleich gesehen würden, weil sie die Einbuße durch den Verlust wertmäßig übersteigen.

Ein weiterer Punkt wird bisher wenig disku­tiert: Gibt es für die Braun­kohle in den Augen von Verfas­sungs­richtern und Kommis­si­ons­be­amten einen allzu „roten Teppich“ aus Geld auf dem Weg zur Still­legung, stellt sich die Frage, ob weniger großzügige Regeln für die Stein­kohle dem Gleich­be­hand­lungs­gebot des Art. 3 Abs. 1 GG entsprechen. Dieses verlangt, dass Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt wird. Nun ist es aber keineswegs so, dass irgend­welche rechtlich belast­baren Gründe objektiv dafür sprechen, Braun­kohle weniger hart anzufassen als Stein­kohle. Es ist damit auch nicht auszu­schließen, dass neben der EU-Beihil­fe­auf­sicht auch das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt sich zur Umsetzung der Pläne der Kohle­kom­mission noch einmal äußert.

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2019-10-30T00:17:16+01:0030. Oktober 2019|Energiepolitik, Strom, Umwelt|