Green­peace und Client Earth stellen Kohle­aus­stiegs­gesetz-Entwurf vor

Die Grünen haben immerhin schon ein paar Leitlinien vorgelegt, aus dem Regie­rungs­lager dagegen gibt es immer noch nichts. Jetzt haben Green­peace und Client Earth einen Geset­zes­entwurf publi­ziert, wie der Kohle­aus­stieg bewerk­stelligt werden soll.

Zunächst: Der Geset­zes­entwurf nennt ganz bestimmte Kraft­werke block­scharf und ordnet ihre Still­legung in mehreren Tranchen bis 2030 durch Erlöschen der Immis­si­ons­schutz­ge­neh­migung zu bestimmten Daten an. Diese Kraft­werks­liste ist natürlich das Gegenteil einer abstrakt-generellen Regelung, wie sie Gesetze im Gegensatz zu Verwal­tungs­akten eigentlich auszeichnet. Ob das wohl mit dem in Art. 19 Abs. 1 GG veran­kerten Verbot des Einzel­fall­ge­setzes vereinbar ist? Auf der anderen Seite enthält auch § 13g Abs. 1 EnWG eine block­scharfe Liste, ohne dass diese bisher Anstoß erregt hätte, ein Gutachten aus dem letzten Dezember von Schomerus/Franßen meint zudem, dass bei gleich­mä­ßigen recht­lichen Maßstäben eine solche Katalog­lösung unpro­ble­ma­tisch wäre.

Doch es geht nicht nur um die Liste. Der Entwurf enthält auch noch weitere Regelungen, die soweit konse­quent erscheinen wie ein Verbot, neue Kraft­werke zu bauen und eine Verord­nungs­er­mäch­tigung für die Jahre ab 2026. Auch eine Entschä­di­gungs­mög­lichkeit für Kraft­werks­be­treiber ist vorge­sehen, aber nicht als grund­sätz­liches Muss, sondern als ausnahms­weise zu gewäh­rende Entschä­digung für erlittene Vermö­gens­nach­teile bei Entzug der Geneh­migung für Anlagen, die jünger sind als 25 Jahre. Dies weicht von den Vorstel­lungen der Kraft­werks­wirt­schaft weit ab. Ob es mit dem grund­recht­lichen Eigen­tums­schutz vereinbar ist, ist umstritten.

Was ist von diesem Entwurf nun zu halten? Es darf wohl als sicher gelten, dass er so nicht 1:1 in Kraft treten wird. Selbst die GRÜNEN haben bereits angekündigt, sich diesen nicht zu eigen zu machen, sondern einen eigenen Entwurf vorzu­stellen. Angesichts der politi­schen Wider­stände gegen eine entschä­di­gungslose Beendigung der Kraft­werks­wirt­schaft ist auch nicht anzunehmen, dass irgendeine Bundes­re­gierung der nächsten Jahre auf einen konfron­ta­tiven Ausstieg setzen würde. Das wissen natürlich auch Green­peace und Client Earth. Deswegen darf man wohl annehmen, dass dieser Entwurf vor allem einem Zweck dient: Die anderen Akteure unter Zugzwang zu setzen, um den aktuellen Rückenwind in der Öffent­lichkeit zu nutzen.

2019-05-03T15:20:27+02:003. Mai 2019|Allgemein, Energiepolitik, Strom, Umwelt|

Die GRÜNEN wollen raus: Das grüne Kohleausstiegspapier

Wer nach dem Abschluss­be­richt der Kohle­kom­mission gehofft hatte, schnell Sicherheit über die Zukunft der Kohle­ver­stromer zu haben, sieht sich getäuscht. Noch immer ist völlig unklar, welche Kraft­werke in der „ersten Runde“ bis 2022 still­gelegt werden sollen. Aktuell spricht man zwar über Hilfen für betroffene Regionen. Die mit dem Kohle­aus­stieg verbun­denen Härten sollen aber wohl erst nach den Landtags­wahlen 2019 disku­tiert werden. Soweit der Plan der Regierung. Insofern ist nicht erstaunlich, dass die Opposition, sprich die GRÜNEN, nun ihre Vorstel­lungen vom Kohle­aus­stieg vorgelegt haben.

Schauen wir uns den „Zehn-Punkte-Fahrplan“ also einmal an.

Zum Einstieg geißelt Frau Baerbock, die verant­wortlich zeichnet, die große Koalition und weist daraufhin, dass schon der Plan der Kohle­kom­mission nach Ansicht der GRÜNEN nicht ausreicht, die Ziele des Pariser Klima­schutz­ab­kommens zu erreichen. Nach ihrer Ansicht soll es deswegen nicht bei den Ausstiegs­daten 2022 bzw. 2038 bleiben. Die GRÜNEN streben also nach wie vor eine Revision mit früheren Ausstiegs­daten an. Sodann stellt das Papier klar, dass die GRÜNEN Geld für die vom Ende der Kohle­ver­stromung betrof­fenen Regionen nur im Zusam­menhang mit konkreten Abschal­tungen für richtig halten. Das erstaunt nun niemanden: Der möglichst schnelle und konse­quente Umstieg auf die Erneu­er­baren und damit verbunden der vollständige Kohle­aus­stieg gehören quasi zur DNA der Umweltschutzpartei.

Auf der nächsten Seite wird es dann konkret. Die Grünen benennen Blöcke in zwei Braun­koh­le­kraft­werken und sechs Stein­koh­le­kraft­werken, die von einer Abschaltung des 2022 betroffen sein sollen. Insgesamt rund 7.020 MW elektrische Leistung.

Die Grünen halten eine Entschä­digung für diese durchweg alten Kraft­werke nicht für erfor­derlich und beziehen sich auf ein (im Papier verlinktes) Rechts­gut­achten von Becker Büttner Held aus 2017 und ein Gutachten des wissen­schaft­lichen Dienstes des Bundestags. Auch für die Kraft­werke, die nach 2022 still­gelegt werden, halten die Grünen bei Kraft­werken, die zum Zeitpunkts des Ausstiegs älter als 25 Jahre sind, Entschä­di­gungen für unnötig. Nur im Hinblick auf jüngere Kraft­werke sollen überhaupt Entschä­di­gungen fließen. 

Im Hinblick auf die Instru­mente hält das Papier sich kurz und erwähnt Ausschrei­bungen mit Still­le­gungs­prämien oder Einzel­ver­ein­ba­rungen. Erwähnt wird auch für die jüngere Kraft­werke eine Entschä­di­gungs­leis­tungen in Anlehnung an die Regeln für die Sicher­heits­be­reit­schaft. Anlage, die für die Umstellung von Kohle auf Gas Hilfe auf Grundlage des KWKG erhalten haben, sollen darüber hinaus keine Entschä­digung mehr erhalten. Die GRÜNEN wollen auch die neuen Grenz­werte für Großfeue­rungs­an­lagen in den ab Schaltplan und die Frage von Entschä­di­gungen einbeziehen.

Sodann geht es weiter: Neue Tagebaue sollen untersagt werden. Maßnahmen für den Struk­tur­wandel wollen die Grünen in entspre­chenden Förder­pro­grammen konkre­ti­sieren. Darüber hinaus mahnen sie einen Rahmen für eine Revisi­ons­klausel an, also einen Prozess, in den fortlaufend überprüft wird, ob die Bundes­re­publik mit dem jeweils geltenden Instru­men­ten­kasten die Ziele des Pariser Klima­schutz­ab­kommens erreichen wird. Weiter findet sich die Forderung, die Rückstel­lungen, die Strom­erzeuger für die Rekul­ti­vierung nach Beendigung des Braun­koh­le­abbaus gebildet haben, in einen öffentlich-recht­lichen Fonds einzu­stellen. Einige weitere Forde­rungen wie die nach einer Unter­stützung der Industrie im Rahmen der Strom­preis­kom­pen­sation runden das Bild ab. 

Wie wichtig ist dieses Papier nun? Immerhin stammt es von einer umwelt­po­li­tisch besonders engagierten Partei. Aller­dings ist nicht zu erwarten, dass die Koalition von ihren Plänen abrückt. Warum sollte sie auch. Unser Tipp: Die Koalition wird abwarten, bis der Osten gewählt hat. Die Struk­tur­bei­hilfen einbringen. Und die konkreten Ausstiegs­pläne nicht vor dem vierten Quartal diskutieren.

2019-04-17T23:47:10+02:0017. April 2019|Energiepolitik, Strom, Umwelt|

Der Zwischen­be­richt der Kohlekommission

Die Kohle­kom­mission hat es nicht leicht. Die einen wollen gar keinen Ausstieg aus der Kohle. Die anderen sehen die Betonung der Inter­essen der betrof­fenen Regionen und Arbeit­nehmer unaus­ge­sprochen eher als einen Vorwand an, den Kohle­aus­stieg zu behindern, der ihnen nicht schnell genug gehen kann. Entspre­chend kritisch wird der nun vorlie­gende einstimmig verab­schiedete Zwischen­be­richt zu möglichen Maßnahmen zugunsten der Braun­koh­le­re­gionen betrachtet.

Der Zwischen­be­richt ist ambitio­niert. Er soll den Menschen vor Ort frühzeitig eine Perspektive aufzeigen. Es handelt sich also nicht um ein Diskus­si­ons­papier. Nicht besonders überra­schend: Das Hauptziel ist es, dort, wo Arbeits­plätze in der Braun­kohle wegfallen, neue Arbeits­plätze anzusiedeln. Der Klima­schutz dagegen steht nicht im Fokus des Papiers, das Kapitel ist offen. Auch das Ausstiegs­datum gehört offenbar nicht zu den Punkten, auf die die Mitglieder der Kommission sich einigen konnten. Dies soll dem Endbe­richt vorbe­halten bleiben.

Geht es nach der Kommission, so soll der Steuer­zahler tief in die Tasche greifen. Zusätzlich sollen 1,5 Mrd. € in die Braun­koh­le­re­gionen im Rheinland und in Ostdeutschland fließen. Und das soll erst der erste Schritt sein. Weitere zusätz­liche Mittel sollen den Struk­tur­wan­del­prozess langfristig begleiten. Angesichts des Umstandes, dass sogar der Bericht selbst nur von 20.000 direkt und 60.000 indirekt Beschäf­tigen spricht, sind das stolze Zahlen. 

In diesen 1,5 Mrd. € sind Entschä­di­gungen für Energie­ver­sorger, denen man trotz geltender Geneh­mi­gungen und bestehender Geneh­mi­gungs­fä­higkeit ihre Kraft­werke wegnimmt, noch nicht einmal drin. Diese Kosten dürften zusätzlich anfallen, nachdem das BVerfG dem Gesetz­geber ins Stammbuch geschrieben hatte, dass ein entschä­di­gungs­loser Ausstieg aus einer Techno­logie – damals die Atomkraft – proble­ma­tisch ist.

In den nächsten Kapiteln wird es konkret. Was sollen die Kohle­kumpel in Zukunft tun? Sie sollen offenbar neue Mobili­täts­an­wen­dungen entwi­ckeln, vor allem für autonomes Fahren, im Rheinland soll der neue 5G-Mobil­funk­standard modellhaft mitent­wi­ckelt werden. Außerdem soll es Erleich­te­rungen beim Planen und Bauen für neue Infra­struk­tur­pro­jekte in den betrof­fenen Gegenden geben, ähnlich wie in den Neunzigern. Hier sind wir aller­dings skeptisch, denn viele Verzö­ge­rungen gehen auf EU-Normen bzw. deren unzurei­chende Einhaltung und die damit verbun­denen langen Prozesse zurück. Hier gibt es wenig Spielraum.

Weiter sollen Behörden verlagert werden. Dies sehen wir als Problem. Schon heute haben die in Provinz­städten angesie­delten Behörden Probleme bei der Rekru­tierung, wir denken hier nur an das Umwelt­bun­desamt in Dessau. Junge Beamte wollen nicht in Provinz­städten wohnen. Abseh­ba­rer­weise führt das zu einem Quali­täts­verlust und eher zu Di-Mi-Do-Mitar­beitern als zu einer Stärkung der Regionen.

Breiter Fokus liegt auf Verkehrs­pro­jekten. Strecken sollen elektri­fi­ziert werden (zB rund um Dresden, in die Lausitz und rund um Leipzig). S‑Bahnen sollen ausgebaut, Tunnel moder­ni­siert und Autobahnen verbreitert werden. Auch hier sehen wir wenig echtes Zukunfts­po­tential. Das Problem dieser Regionen ist ja nicht, dass man da nicht hinkommt.

Die betrof­fenen Regionen sollen weiter eine führende Stellung in der Energie­er­zeugung behalten. Offenbar ist hier an Forschung und Entwicklung rund um Netze, grüne Wärme, Brenn­stoff­zellen, Wasser­stoff, Speicher­tech­no­logien, Wärme­pumpen und andere innovative Verfahren mehr gehen. Zwei neue Fraun­hofer-Institute soll es geben. Außerdem soll Braun­kohle auch weiterhin stofflich genutzt werden, also wie Erdöl als Ausgangs­punkt für chemische Produkte. Zudem soll die in Ostdeutschland heimische Glasin­dustrie entwi­ckelt werden. Die so entste­henden Jobs sollen vergleichbar bezahlt und abgesi­chert sein wie die heutigen Bergbau­ar­beits­plätze. Doch ist es wirklich realis­tisch, dass die Kohle­kumpel nahtlos im anspruchs­vollen F&E‑Bereich weiter­ar­beiten? Werden da vielleicht Jobs geschaffen, die schon heute kaum mit entspre­chend quali­fi­zierten Mitar­beitern besetzt werden können? 

Werden hier – soweit zu unserem Fazit – nicht Jobs für hochqua­li­fi­zierte Leute geschaffen, die dort nicht wohnen wollen, und Verkehrswege für unter­qua­li­fi­zierte Leute, die gar nicht wegwollen? 

2018-11-02T10:14:07+01:002. November 2018|Energiepolitik, Strom, Umwelt, Verkehr|