Die Kohle­kom­mission hat es nicht leicht. Die einen wollen gar keinen Ausstieg aus der Kohle. Die anderen sehen die Betonung der Inter­essen der betrof­fenen Regionen und Arbeit­nehmer unaus­ge­sprochen eher als einen Vorwand an, den Kohle­aus­stieg zu behindern, der ihnen nicht schnell genug gehen kann. Entspre­chend kritisch wird der nun vorlie­gende einstimmig verab­schiedete Zwischen­be­richt zu möglichen Maßnahmen zugunsten der Braun­koh­le­re­gionen betrachtet.

Der Zwischen­be­richt ist ambitio­niert. Er soll den Menschen vor Ort frühzeitig eine Perspektive aufzeigen. Es handelt sich also nicht um ein Diskus­si­ons­papier. Nicht besonders überra­schend: Das Hauptziel ist es, dort, wo Arbeits­plätze in der Braun­kohle wegfallen, neue Arbeits­plätze anzusiedeln. Der Klima­schutz dagegen steht nicht im Fokus des Papiers, das Kapitel ist offen. Auch das Ausstiegs­datum gehört offenbar nicht zu den Punkten, auf die die Mitglieder der Kommission sich einigen konnten. Dies soll dem Endbe­richt vorbe­halten bleiben.

Geht es nach der Kommission, so soll der Steuer­zahler tief in die Tasche greifen. Zusätzlich sollen 1,5 Mrd. € in die Braun­koh­le­re­gionen im Rheinland und in Ostdeutschland fließen. Und das soll erst der erste Schritt sein. Weitere zusätz­liche Mittel sollen den Struk­tur­wan­del­prozess langfristig begleiten. Angesichts des Umstandes, dass sogar der Bericht selbst nur von 20.000 direkt und 60.000 indirekt Beschäf­tigen spricht, sind das stolze Zahlen. 

In diesen 1,5 Mrd. € sind Entschä­di­gungen für Energie­ver­sorger, denen man trotz geltender Geneh­mi­gungen und bestehender Geneh­mi­gungs­fä­higkeit ihre Kraft­werke wegnimmt, noch nicht einmal drin. Diese Kosten dürften zusätzlich anfallen, nachdem das BVerfG dem Gesetz­geber ins Stammbuch geschrieben hatte, dass ein entschä­di­gungs­loser Ausstieg aus einer Techno­logie – damals die Atomkraft – proble­ma­tisch ist.

In den nächsten Kapiteln wird es konkret. Was sollen die Kohle­kumpel in Zukunft tun? Sie sollen offenbar neue Mobili­täts­an­wen­dungen entwi­ckeln, vor allem für autonomes Fahren, im Rheinland soll der neue 5G-Mobil­funk­standard modellhaft mitent­wi­ckelt werden. Außerdem soll es Erleich­te­rungen beim Planen und Bauen für neue Infra­struk­tur­pro­jekte in den betrof­fenen Gegenden geben, ähnlich wie in den Neunzigern. Hier sind wir aller­dings skeptisch, denn viele Verzö­ge­rungen gehen auf EU-Normen bzw. deren unzurei­chende Einhaltung und die damit verbun­denen langen Prozesse zurück. Hier gibt es wenig Spielraum.

Weiter sollen Behörden verlagert werden. Dies sehen wir als Problem. Schon heute haben die in Provinz­städten angesie­delten Behörden Probleme bei der Rekru­tierung, wir denken hier nur an das Umwelt­bun­desamt in Dessau. Junge Beamte wollen nicht in Provinz­städten wohnen. Abseh­ba­rer­weise führt das zu einem Quali­täts­verlust und eher zu Di-Mi-Do-Mitar­beitern als zu einer Stärkung der Regionen.

Breiter Fokus liegt auf Verkehrs­pro­jekten. Strecken sollen elektri­fi­ziert werden (zB rund um Dresden, in die Lausitz und rund um Leipzig). S‑Bahnen sollen ausgebaut, Tunnel moder­ni­siert und Autobahnen verbreitert werden. Auch hier sehen wir wenig echtes Zukunfts­po­tential. Das Problem dieser Regionen ist ja nicht, dass man da nicht hinkommt.

Die betrof­fenen Regionen sollen weiter eine führende Stellung in der Energie­er­zeugung behalten. Offenbar ist hier an Forschung und Entwicklung rund um Netze, grüne Wärme, Brenn­stoff­zellen, Wasser­stoff, Speicher­tech­no­logien, Wärme­pumpen und andere innovative Verfahren mehr gehen. Zwei neue Fraun­hofer-Institute soll es geben. Außerdem soll Braun­kohle auch weiterhin stofflich genutzt werden, also wie Erdöl als Ausgangs­punkt für chemische Produkte. Zudem soll die in Ostdeutschland heimische Glasin­dustrie entwi­ckelt werden. Die so entste­henden Jobs sollen vergleichbar bezahlt und abgesi­chert sein wie die heutigen Bergbau­ar­beits­plätze. Doch ist es wirklich realis­tisch, dass die Kohle­kumpel nahtlos im anspruchs­vollen F&E‑Bereich weiter­ar­beiten? Werden da vielleicht Jobs geschaffen, die schon heute kaum mit entspre­chend quali­fi­zierten Mitar­beitern besetzt werden können? 

Werden hier – soweit zu unserem Fazit – nicht Jobs für hochqua­li­fi­zierte Leute geschaffen, die dort nicht wohnen wollen, und Verkehrswege für unter­qua­li­fi­zierte Leute, die gar nicht wegwollen?